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"Pöbeleien von Migranten"

Wolfgang Dick8. April 2014

Eine griechischstämmige Polizistin aus Bochum hat sich über mangelnden Respekt von Migranten ihr gegenüber beklagt. Ihr Aufschrei findet viel Zuspruch, sagt Rainer Wendt von der Deutschen Polizeigewerkschaft.

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Portrait Rainer Wendt, Deutsche Polizeigewerkschaft
Bild: picture alliance/ZB

DW: Herr Wendt, als Sie von dem Aufschrei der Polizistin Tania Kambouri hörten, was war Ihr erster Gedanke ?

Rainer Wendt: Endlich sagt es mal jemand laut. Wir als Polizeigewerkschaft bemühen uns, auf dieses Problem immer aufmerksam zu machen, müssen das aber in der gebotenen Zurückhaltung tun. Eine Kollegin mit einem Migrationshintergrund hat es da schon erheblich leichter.

Was wäre, wenn sich ein deutscher Kollege geäußert hätte ?

Er würde sehr schnell in den Verdacht geraten, rechtes Gedankengut zu hegen oder gegen Ausländer zu sein. Es ist in Deutschland wegen unserer Vergangenheit schwierig, den richtigen Ton zu treffen.

Was wissen Sie über die Kollegin, die sich äußerte ?

Es ist eine Kollegin mit viel Erfahrung im täglichen Dienst, die das ausgesprochen hat, was sie und ihre Kollegen erleben. Es geht um Respektlosigkeit schon ganz junger Menschen mit Migrationshintergrund gegenüber dem Staat und seinen Organen. Betroffen ist deshalb nicht nur die Polizei. Betroffen sind genauso Lehrer, Staatsanwälte und andere Institutionen.

Wie schlimm ist das Ausmaß der Pöbelei gegenüber der Polizei ?

Das ist schon sehr bedenklich. Schon ganz junge Menschen mit Migrationshintergrund bauen sich vor Polizisten auf, spucken sie an und betiteln sie als Nazis, wenn die Polizeikräfte versuchen einzuschreiten. Das reicht in weite Teile der muslimischen Gemeinschaft hinein. In dieser bilden sich schon eigene Gerichtsbarkeiten. Das heißt, bei Teilen der Migranten bildet sich eine Staatsverachtung heraus. Aufgrund der Haltung, diesen Staat und seine Institutionen nicht mehr zu respektieren, werden eigene Strukturen gebildet, die dann "Friedensrichter" genannt werden.

Die Polizistin sagt, die Polizei werde immer hilfloser.

Die Polizei ist nicht hilflos, aber es gibt natürlich schon bei vielen Kolleginnen und Kollegen eine große Resignation, wenn sie die Zustände nicht einmal öffentlich beklagen dürfen, ohne in den Verdacht der Ausländerfeindlichkeit zu geraten. Häufig fühlen sich Polizisten von der Justiz im Stich gelassen. Wenn sie vor Gericht stehen und ihr Verhalten bei Einsätzen verteidigen müssen, sagen die Richter ihnen oft: "Nun stellen Sie sich mal nicht so an, das gehört zu ihrem Beruf dazu." Hier wünschen wir uns erheblich mehr Unterstützung aus der Justiz und ein klares Bekenntnis zur Polizei. Wer Polizisten beleidigt, bespuckt, angreift oder verletzt, der muss dann auch bestraft werden. Das zu erdulden, gehört nicht zu unserem Beruf.

Die klagende Polizistin beschreibt, dass sie vor Ort von männlichen Migranten abgelehnt wurde und männliche Polizisten verlangt wurden. Ist mangelnder Respekt ein reines Frauenproblem ?

Nein, es sind viele männliche Kollegen betroffen, die genau die gleichen Phänomene erleben. Frauen haben aber ein zusätzliches Problem, weil sie wegen ihres Geschlechts keinen Respekt erfahren. Das heißt, sie sind persönlich noch erheblich mehr Angriffen ausgesetzt. Bei Beschimpfungen geht es tief in Beleidigungen mit sexuellem Inhalt hinein.

Trägt auch der deutsche Staat eine Mitschuld an der Situation ?

Justiz und Politik haben in den vergangenen Jahren sehr viel verharmlost. Sie sagten, das muss man aushalten, das gehört dazu, wenn andere Kulturen zu uns kommen, und haben Rechtsverstöße teilweise als kulturbedingt verharmlost. Das war ein Fehler. Das muss jetzt korrigiert werden. Es muss wieder klargemacht werden: Wer hier lebt, muss unsere Regeln und unsere Gesetze akzeptieren. Wir wollen kulturelle Vielfalt und schätzen sie sehr. Sie ist eine Bereicherung. Aber wenn gegen unsere Gesetze verstoßen und der Staat verachtet wird, dann muss die Notbremse gezogen werden. Dazu ist es jetzt höchste Zeit.

Eröffnet die Beschwerde der Polizistin über das Verhalten straffälliger Migranten jetzt eine breite Diskussion und folgen weitere, ähnliche Äußerungen?

Ich fürchte, dass nicht viele Kollegen diesem Beispiel folgen - und sich hier in dieser Weise Luft verschaffen werden. Man ist in der öffentlichen Debatte sehr schnell in einer falschen, rechten Ecke und in dieser Ecke möchte sich kein Kollege sehen.

Rainer Wendt ist seit 1973 im Polizeidienst, zuletzt im Rang eines Polizeihauptkommissars. Seit 2007 ist der Vater von fünf Kindern Bundesvorsitzender der Polizeigewerkschaft, in der er sich für die Kolleginnen und Kollegen sowie einen starken und effizienten Polizeidienst einsetzt.

Das Gespräch führte Wolfgang Dick.