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Twittern mit Politwoops

Sean Sinico & Silke Wünsch9. April 2013

Politiker verwenden eine Menge Zeit darauf, die richtigen Worte zu finden. Vor allem auf Twitter. Wenn da mal ein Satz verrutscht, kann man den Tweet löschen. Dann ist er aber nicht unbedingt weg.

https://p.dw.com/p/18Bjf
Logo des Kurznachrichtendienstes Twitter. Foto: Soeren Stache/dpa
Bild: picture-alliance/dpa

Wer sich auf Twitter vertippt, kann das Missgeschick schnell reparieren. Der Tweet wird gelöscht und neu verfasst. Man kann sich sicher sein, dass der Fehlerteufel nie wieder auftaucht und für Peinlichkeiten sorgt. Anders sieht das bei twitternden Politikern aus. Die werden von der Plattform "Politwoops" genau beobachtet. Ihre Tweets werden getrackt, also quasi mitgeschnitten und auf einem eigenen Twitterkanal wieder veröffentlicht. Mit vollem Text, Zeitpunkt der Veröffentlichung und Zeitpunkt der Löschung. Dazwischen liegen manchmal nur Sekunden. Meist handelt es sich bei den gelöschten Tweets um Inhalte mit kleinen Tippfehlern oder falschen Links. Manchen von ihnen sieht man aber auch sofort an, warum sie schnell wieder verschwinden sollten: Hoppla (engl.: "oops"), da hat sich einer zu weit aus dem Fenster gelehnt!

So schrieb Oliver Luksic von der FDP zur Diskussion über Offshore-Konten: "Als Aufsichtsrat bei VW fand Gabriel (Sigmar Gabriel, SPD-Chef) die Cayman-Inseln wohl noch in Ordnung," und postete dazu einen Link zu einem Artikel der deutschen Wirtschaftsnachrichten, in dem Gabriel als dreister Heuchler bezeichnet wird. Nach weniger als einer Minute wurde der Tweet wieder gelöscht. War der FDP-Mann da zu vorschnell gewesen?

Ein voller Erfolg

Das Projekt "Politwoops" ist in den Niederlanden entstanden. Eine Gruppe von Open-Data-Aktivisten, "Hack de Overheid" ("Hackt die Regierung!"), fand es an der Zeit, dass Politiker für ihre Auftritte im Netz sensibilisiert werden müssten. Politwoops-Entwickler Breyten Ernsting: "Es sind öffentliche Menschen und damit haben sie eine große Verantwortung", sagte er im Gespräch mit der DW. "Sie müssen sorgsam mit dem umgehen, was sie ins Internet setzen. Denn wenn es erst mal dort ist, dann bleibt es dort auch." Politwoops eignet sich hervorragend dafür.

Vor zwei Jahren gestartet, trackt das Politwoops-Projekt nun schon die Twitterkanäle von Politikern in 21 Ländern. Gerade ist auch Griechenland dazu gekommen. Den deutschen Auftritt unterstützen die Aktivisten der Plattform "Netzpolitik.org".

Auf dem Bild: Screenshot Politwoops. Quelle: http://politwoops.sunlightfoundation.com/
Bild: politwoops.sunlightfoundation.com

Auch in den USA stößt die Politwoops-Software auf großes Interesse. Die "Sunlight Foundation" wurde auf das Tool aufmerksam. Die Organisation setzt sich in einem Gemeinschaftsblog für mehr Transparenz bei US-Regierung und Behörden ein und war 2006 Gewinner bei den Bobs, den DW-Awards für Onlineaktivismus.

"Wir haben beobachtet, dass immer mehr Politiker und Kandidaten die Sozialen Medien genutzt haben, um sich mitzuteilen", sagte Sunlight-Pressesprecherin Liz Bartolomeo der DW. Wobei Twitter in den letzten Jahren mehr als nur eine Spielwiese für internetaffine Politiker geworden ist. Das zeigte sich immer wieder in größeren oder kleineren Pannen – beispielsweise wenn eine sehr private Twitterbotschaft öffentlich wurde: Ein Mitglied des US-Repräsentantenhauses verschickte versehentlich ein freizügiges Foto von sich an seine 57.000 Follower – ein Skandal, der ihn vor zwei Jahren zum Rücktritt zwang.

Ein Tweet für die Ewigkeit

Seit dem US-Start von Politwoops im Oktober 2012 wurden um die 6.000 gelöschte Tweets registriert. Man hat sich hier sogar die Mühe gemacht, die Tweets nach Bundesstaat, Partei und Amt zu ordnen.

"So einfach wie bei Twitter können Aussagen im Kongress oder auch in E-Mails nicht rückgängig gemacht werden. Durch die Politwoops-Seite können wir sehen, wie schnell Politiker ihre Meinung ändern", so Bartolomeo. So durchkämmt die Sunlight Foundation alle Tweets auf der Suche nach verräterischen Inhalten. Peinlichkeiten oder Schlimmeres werden in Sekundenschnelle entdeckt und durch Politwoops verewigt. "Im Netz ist man immer unter Beobachtung", sagt Liz Bartolomeo. "Auf Facebook und Twitter können Politiker wie durch ein Mikroskop betrachtet werden. Nicht nur von den Medien, sondern auch von politischen Gegnern oder Bloggern, die nur auf den nächsten großen Fang warten."

Bundesumweltminister Peter Altmaier
Ein Profi: Der deutsche Umweltminister Peter Altmaier ist noch nicht besonders auf Politwoops aufgefallen.Bild: DW/Heiner Kiesel

Gar nicht erst Fehler machen

Natürlich arbeiten auch viele Entwickler daran, Journalisten oder Bloggern den Zugang zu solchen Informationen zu erschweren. Indem User beispielweise vor der Veröffentlichung eines Tweets oder Postings gewarnt werden.

Hazim Almuhimedi und ein Team von Forschern an der Carnegie Mellon Universität in den USA haben 1,6 Millionen gelöschte Tweets untersucht, die innerhalb einer Woche auf 292.000 Twitterkanälen zu finden waren. Dabei entdeckten sie einen signifikanten Unterschied zwischen gelöschten und nicht gelöschten Tweets. Almuhimedi: "Gelöschte Tweets klingen grundsätzlich negativer als andere." Sein Fazit: Man muss den Nutzer von vorne herein dazu bringen, den richtigen Ton zu treffen. "Wir möchten eine Technologie entwickeln, die den Nutzer in die richtige Richtung schubst. So dass es keine Postings gibt, die man später bereut."

Bis dahin werden sich "normale" User noch auf die automatische Rechtschreibprüfung verlassen müssen. Und Politiker sollten einfach zweimal nachdenken, bevor sie etwas posten.