1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Politiker-Zorn über Volkswirte

6. Juli 2012

Heftige Kritik müssen die Ökonomen einstecken, die in einem offenen Brief die Beschlüsse zur Bankenunion kritisiert hatten. Politiker und Kollegen halten den Appell der Wirtschaftswissenschaftler für unverantwortlich.

https://p.dw.com/p/15SDd
Der Präsident des ifo Instituts, Hans-Werner Sinn (dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble warf den Wirtschaftswissenschaftlern vor, mit falschen Begriffen die Öffentlichkeit zu verwirren: "Finanzwissenschaftler sollten eigentlich mit dem Begriff Bankenschulden verantwortlich umgehen." In einem Radiointerview sagte der CDU-Politiker: "Ich finde das empörend. Ich finde das der Verantwortung eines Wissenschaftlers nicht entsprechend."

Zuvor hatten 160 Wirtschaftsprofessoren rund um den Chef des Münchener Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn (Foto oben), öffentlich Alarm geschlagen. Ihrer Meinung nach schaffe die bei dem jüngsten EU-Gipfel beschlossene Bankenunion Haftungsrisiken für die deutschen Steuerzahler. "Die Steuerzahler, Rentner und Sparer der bislang noch soliden Länder Europas dürfen für die Absicherung dieser Schulden nicht in Haftung genommen werden, zumal riesige Verluste aus der Finanzierung der inflationären Wirtschaftsblasen der südlichen Länder absehbar sind", heißt es in dem offenen Brief.

Gegenappell von Wissenschaftlerkollegen

Inzwischen haben sich andere deutsche Wirtschaftswissenschaftler mit einem Gegenappell zu Wort gemeldet, berichtet das Handelsblatt. Es könne “nicht die Aufgabe von Ökonomen sein, mit Behauptungen, fragwürdigen Argumenten und in einer von nationalen Klischees geprägten Sprache die Öffentlichkeit durch einen Aufruf weiter zu verunsichern“, kritisierten die Autoren.

Umstrittener Protest gegen Merkels Euro-Kurs # 06.07.2012 # streitins20e # Journal Deutsch

Zu ihnen zählen der Ex-Sachverständigenratschef Bert Rürup, der Chef des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, und der Chef des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung, Gustav Horn. “Schlimmste Stammtisch-Ökonomie“ nannte der Wirtschaftsweise Peter Bofinger gegenüber der "Financial Times Deutschland" die Ausführungen der 160 Kritiker.

Initiatoren bekräftigen ihre Kritik

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte bereits am Donnerstag die Kritik der Ökonomen an den Brüsseler Gipfelbeschlüssen zurückgewiesen. Deutschland gehe keinerlei zusätzliche Verpflichtungen ein. Es habe sich dadurch "nichts geändert. Jeder sollte sich die Beschlüsse gut anschauen." Es gehe um "eine bessere Bankenaufsicht" und "überhaupt nicht um eine zusätzliche Haftung".

Beim EU-Gipfel übte Italiens Premier Mario Monti Druck auf Angela Merkel aus
Beim EU-Gipfel übte Italiens Premier Mario Monit Druck auf Angela Merkel ausBild: Reuters

Die Initiatoren des Protestbriefs hingegen bekräftigten ihre Kritik. Der Dortmunder Wirtschaftsstatistiker Walter Krämer sagte im RBB: “Wenn man den Beschluss liest, steht doch da drin, dass in Zukunft Banken direkt Geld aus dem Rettungsschirm beantragen dürfen, nicht per Umweg über ihre Länder, so dass wir dann auf einmal auch für die Schulden der Banken in den Schuldnerländern haften müssen."

Beim EU-Gipfel vergangene Woche hatten besonders Spanien und Italien Druck auf Deutschland ausgeübt und erreicht, dass der künftige Euro-Krisenfonds ESM auch direkt Kapital an angeschlagene Banken vergeben kann. Zudem sollen Krisenländer Hilfskredite ohne allzu strenge Auflagen erhalten dürfen.

nem/ml (rtr, dpa, dapd, afp)