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Die geteilte Stadt

Marijke Peters/ cb5. April 2014

Nazareth ist für seine christliche Geschichte bekannt, doch heute ist die Stadt in Israel mehrheitlich muslimisch. Seit einer umstrittenen Bürgermeisterwahl wachsen die Spannungen zwischen Muslimen und Christen.

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Plakate für Kommunalwahl in Nazareth. (Foto: DW/ Marijke Peters)
Wahlplakate in NazarethBild: Marijke Peters

Bis vor einigen Monaten waren Ramez Jaraisi und Ali Salam enge Freunde. Der christliche Bürgermeister und sein muslimischer Stellvertreter arbeiteten erfolgreich an der Spitze ihrer Stadt zusammen. Ihre unterschiedlichen Religionen spielten keine große Rolle.

Aber als die beiden bei den Wahlen im Oktober 2013 gegeneinander antraten, änderte sich das. Nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen, bei dem sie nur wenige Stimmen trennten, kamen Vorwürfe von Wahlfälschung auf. Israels Generalstaatsanwalt ordnete Neuwahlen an, die im März stattfanden - und die Ali Salam gewann.

"Kein Zusammengehörigkeitsgefühl"

Auf dem Markt der Stadt sagen die Händler, dass all die Gerüchte und negativen Wahlkampagnen ihr Geschäft beeinflusst hätten. "Es lief nicht so gut, und die Atmosphäre war angespannt", sagt Mohammed, der Inhaber eines Damenbekleidungsgeschäfts. Am anderen Ende der Straße erklärt ein weiterer Ladenbesitzer, dass den meisten Menschen Religion egal sei. Aber die Wahl habe für Unruhe gesorgt: "Ich glaube, Religion ist Politik. In Nazareth wird sie von Politikern instrumentalisiert. Sie wollen es in die Knesset oder auf einen anderen hohen Posten schaffen, indem sie Konflikte zwischen Christen, Muslimen und sogar Juden schüren."

Der Wahlkampf verlief entlang der Glaubensgrenzen. Als der Staat Israel 1948 gegründet wurde, war Nazareth eine christliche Stadt. Die muslimischen Flüchtlinge aus benachbarten Dörfern veränderten die demografische Struktur, und die hohen Geburtsraten innerhalb der muslimischen Gemeinde haben dazu geführt, dass mittlerweile 70 Prozent der Einwohner Muslime sind.

Altstadt von Nazareth. (Foto: Picture Alliance/ Arco)
Nazareth ist heute eine gespaltene StadtBild: picture-alliance/Arco

"Als ich jünger war, haben wir nicht über Muslime oder Christen gesprochen", erinnert sich Adib Hazzan, führendes Mitglied der griechisch-orthodoxen Gemeinde in Nazareth. "Jetzt ist die Stadt größer. Es gibt bestimmte Vororte, wo nur Muslime wohnen. Die Jugendlichen gehen dort in ihre eigenen Schulen und treffen im Alltag keine Christen." Solche Bedingungen würden "kein Zusammengehörigkeitsgefühl fördern".

Ein Keil zwischen Christen und Muslimen?

Ein kürzlich verabschiedetes Gesetz der israelischen Regierung besagt, dass israelische Christen offiziell keine "Araber" mehr sind. Außerdem gibt es den Vorschlag, dass der Wehrdienst in Israel nicht nur für Juden, sondern auch für Christen verpflichtend sein soll. Bisher waren sie, genau wie die Muslime, von der Wehrpflicht ausgenommen.

Mohamed Zeidan, Vorsitzender des Komitees für Araber in Israel, kämpft gegen diesen Gesetzentwurf: Er sagt, eine solche Regelung würde einen Keil zwischen Christen und Muslime treiben, obwohl sie eigentlich zusammenhalten sollten.

Zeidan beschuldigt die israelische Regierung, die Bevölkerung zu spalten: "Sie versuchen, das, was in Syrien, Ägypten und dem Irak passiert ist, für ihre Zwecke zu nutzen. Sie warnen vor einem Krieg gegen die Christen und machen den Leuten Angst", beschwert sich Zeidan. "Sie sagen 'Hütet euch vor den Muslimen, schaut, was sie euch antun. Ihr solltet der Armee beitreten, um euch selbst zu schützen.' Aber wir sagen ihnen, dass wir sie beschützen werden."

Ultra-orthodoxe Juden protestieren gegen Einzug zum Militärdienst in Israel. (Foto: THOMAS COEX/AFP/Getty Images)
Ultra-orthodoxe Juden protestierten gegen den MilitärdienstBild: Thomas Coex/AFP/Getty Images

"Ein Volk - eine Kultur"

Während die Zahl der Christen, die sich freiwillig zum Dienst an der Waffe melden, steigt, wollen führende Mitglieder der arabischen Gemeinde Einheit demonstrieren. In diesem Monat wird es eine ökumenische Konferenz mit Seminaren für junge Leute geben. Adib Hazzan aus der griechisch-orthodoxen Gemeinde beharrt darauf, dass die Regierung die Religion nicht für ihre Zwecke instrumentalisieren darf: "Es ist die Pflicht der Machthaber, sich mit dieser Angelegenheit auseinanderzusetzen. Sie sollen sie nicht kleinreden, sondern sich damit konfrontieren - und mutig mit dem Problem umgehen."

Letztendlich scheint es ein Identitätskrieg zu sein, sagt Zeidan. Aber: "Jeder hat seine eigene Religion. Die einen gehen in die Kirche, die anderen in die Moschee. Aber unsere Ziele vereinen uns. Wir sind ein Volk. Wir leben zusammen und wir haben eine Kultur."