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Pielke: "Fehltritt der FIFA"

Jonathan Sachse6. November 2013

Die Reformbemühungen im Fußball-Weltverband bewertet FIFA-Kritiker und Umweltforscher Roger Pielke Jr. als unzureichend. Eine neue unabhängige Kommission könnte den Druck auf die FIFA verschärfen.

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Roger Pielke, Professor an der University of Colorado in Boulder, präsentiert die Lücken im FIFA Reformprozess Foto: Thomas Søndergaard/Play the Game
Bild: Thomas Søndergaard/Play the Game

DW: Sie haben die Reformbemühungen des Weltverbandes FIFA mit einem Punktesystem bewertet. Wie sind sie vorgegangen?

Roger Pielke Jr.: Ich beziehe mich dabei auf ein System der Schweizer Forscher Jean-Loup Chappelet und Michael Mrkonjic. Diese haben eine Reihe von Messgrößen zusammengestellt, mit denen die Regierungsleistung in internationalen Sportverbänden klassifiziert werden kann. Bei dieser Analysemethode erhält die FIFA etwa 54 Prozent der Gesamtpunkte. Dass der Fußball-Weltverband dabei schlecht wegkommt, mag für viele Beobachter keine Überraschung sein. Aber so schlecht? Im Vergleich: Das internationale olympische Komitee IOC bekommt etwa 70 Prozent der Punkte.

Transparency International, eine Untersuchungskommission und die FIFA selbst haben zusammen bereits drei Analysen veröffentlicht, aus denen sich 59 Reformvorschläge ergeben. Davon wurden nach ihrer Untersuchung erst 17 Vorschläge umgesetzt. Wo sehen sie den wichtigsten Handlungsbedarf?

Ich teile die 42 nicht umgesetzten Vorschläge in neun Felder ein. Die Meisten haben etwas mit einer Aufteilung der Handlungsvollmacht und Kontrolle bei Entscheidungen zu tun. Die FIFA-Spitze sollte von Außenstehenden übernommen werden, um sich zum Beispiel für nicht geschäftsführende Direktoren zu öffnen. Dies sind Ansprüche, die an jede nichtstaatliche internationale Organisation, die Milliarden umsetzt, gestellt werden sollten. Beispielsweise müssen strengere Richtlinien eingeführt werden, die Interessenkonflikte vermeiden. Dazu zählt auch, dass der Präsident seine Einnahmen offenlegen muss und in den wichtigsten FIFA-Gremien unabhängige Personen sitzen.

Mark Pieth, der Vorsitzende der unabhängigen Beraterkommission (IGC), wird Ende des Jahres mit seinen Leuten die Untersuchung in der FIFA beenden. Er sagt, man sollte mehr Geduld im Reformprozess beweisen. Wie viel Zeit sollte die FIFA noch bekommen?

Grundsätzlich gibt es keinen Grund, warum die FIFA nicht schon heute hohe Standards einhalten kann. Diese wichtige Organisation handelt mit dem, was die Leute interessiert. Nicht nur mit Fußball, sondern auch mit Geld. Ihre Entscheidungen beeinflussen in einem breiten Ausmaß viele Länder auf der ganzen Welt. Wenn eine Entscheidung für einen Ausrichter einer Weltmeisterschaft getroffen wird, werden zehnstellige Milliardenbeträge für die Infrastruktur in Bewegung gesetzt. Beispielsweise für das Verkehrswesen. Ja, auf Dauer habe ich keine Zweifel, dass die FIFA reformiert wird, aber so weit es mich betrifft, kann es nicht schnell genug gehen. Ungeduld passt mir hier sehr gut.

"Blatter könnte Einkünfte heute noch offen legen"

FIFA Präsident Sepp Blatter hält seine Brille fest und schaut überrascht (Foto: Reuters/Arnd Wiegmann)
FIFA-Präsident Sepp BlatterBild: Reuters

Welche Reformen könnten schnell umgesetzt werden?

Es gibt ein paar offensichtliche Probleme. Sepp Blatter könnte heute noch seine Einkünfte und die der wichtigsten Gremienmitglieder offen legen. Andere Punkte, wie die Reformierung der Weltmeisterschaftsvergabe, sind vermutlicher schwieriger. Die FIFA benötigt eine eindeutige Checkliste, indem sie auflistet, was sie braucht, um viele Punkte im Regierungsbewertungssystem zu erhalten. In den letzten zwei Jahren hat die FIFA ein paar wichtige Veränderungen erreicht - wie die Reform ihrer Ethikkommission. Aber die FIFA hat sich einen Fehltritt geleistet, indem sie sich nach diesen ersten Reformen so präsentiert hat, als könnte sie jetzt entspannen.

Sie haben gesagt, dass Sepp Blatter nicht der einzige wichtige Kritikpunkt ist. Würde sich nichts verändern, wenn jemand Externes die Führung in der FIFA übernimmt?

Durch einen neuen Präsidenten könnte vielleicht der Reform-Prozess beschleunigt werden. Ein Führungswechsel alleine würde aber die institutionellen Probleme nicht lösen.

Sollte die FIFA alle 59 Reformvorschläge umsetzen, würde der Weltverband nach Ihrem Schlüssel etwa 70 Prozent der Punkte sammeln. Da fehlen noch ein paar Reformen bis zur hundertprozentigen verantwortungsvollen Regierungsform.

In meinen Klassen, die ich unterrichte, wäre das eine C- Note. Es gibt keinen Grund, warum wir für die FIFA keine A-Note als Maßstab erwarten sollten. Selbst die jetzigen Reformvorschläge sind nicht flächendeckend. Zum Beispiel werden bei den Reformvorschlägen die Interessenvertreter wie die Athleten nicht genügend berücksichtigt.

"Fußballfan Merkel wäre passend"

Angela Merkel freut sich über einen treffer der deutschen Fußball-Nationalmannschaft (Photo: Marcus Brandt, dpa)
Bundeskanzlerin Angela MerkelBild: picture-alliance/dpa

Als einen Lösungsansatz nennen sie eine neue sogenannte "Platin Standard" Kommission. Was sollte eine weitere Untersuchungskommission bringen?

Ein Problem bei den Reformbemühungen der FIFA ist, dass es eine Reihe von verschiedenen Studien und Vorschlägen verschiedener Organe gibt. Keine dieser Organisationen hat die Autorität als echter Entwurf für Reformen von der FIFA akzeptiert zu werden. Aus diesem Grund schlage ich eine neue Kommission auf oberster Ebene vor. Diese sollte von einer Person mit höchstem internationalen Ansehen geleitet werden. Fußballfan Angela Merkel wäre eine passende Führungsperson. Dazu müssten Experten hinzugezogen werden, die genau wissen, welche Schritte die FIFA umsetzen muss, um die Reformleiter hinaufzuklettern. Das wäre ein klarer Maßstab für die Medien, Politiker und alle Interessenvertreter, um die Reformfortschritte bewerten zu können.

Roger Pielke Jr. ist ein US-amerikanischer Professor, der an der University of Colorado in Boulder zu Umweltfragen forscht. Seit Jahren untersucht er zudem die Reformbemühungen der FIFA und gilt als scharfer Kritiker. Das Interview fand während der sportpolitischen Konferenz Play-the-Game in Aarhus, Dänemark, statt.

Das Interview führte Jonathan Sachse