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Stichwahl zwischen zwei Extremisten

12. April 2011

Der Linksnationalist Ollanta Humala und die rechtskonservative Keiko Fujimori werden in der Stichwahl gegeneinander antreten. Peru hat "die Wahl zwischen Aids und Krebs", beklagt Literaturnobelpreisträger Vargas-Llosa.

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Der Linksnationalist Ollanta Humala geht als Favorit in die Stichwahl am 5. Juni (Foto: AP)
Ollanta Humala geht als Favorit in die Stichwahl am 5. JuniBild: dapd

Mit Ollanta Humala und Keiko Fujimori werden in der Stichwahl am 5. Juni zwei Vertreter der politischen Extreme gegeneinander antreten. Dabei scheint sich der frühere Militär Humala bereits als der künftige Präsident zu profilieren, meint der deutsche Publizist und Lateinamerika-Kenner Wolf Grabendorff. "Humala ist reifer geworden und wird wahrscheinlich der nächste peruanische Präsident", so Grabendorff im Gespräch mit DW-WORLD.DE.

"Humala ist nicht Chávez"

Humala habe "einen sehr geschickten Wahlkampf geführt", bescheinigt ihm Grabendorff und fügt hinzu, dass der Linksnationalist "immer wieder versichert hat, dass er die Wirtschaft nicht verstaatlichen wird und auch nicht Chávez' Modell einführen möchte". Vor fünf Jahren noch, als Humala zum ersten Mal für das höchste Amt im Staat antrat, war er der Politik des venezolanischen Regierungschefs Hugo Chávez deutlich näher.

Keiko Fujimori (Foto: AP)
Keiko Fujimori tritt in der Stichwahl gegen Ollanta Humala anBild: AP

Dem venezolanischen Präsidenten, der sich für ein vereintes Südamerika ausspricht und praktisch das Medienmonopol in seinem Land besitzt, wird vorgeworfen eine diktatorische Machtfülle zu beanspruchen. Mit seinem in vielerlei Hinsicht fast autoritären Regime hat sich Chávez, trotz sozialer Errungenschaften, auch viele Feinde im In- und Ausland gemacht. Kein uneingeschränktes Vorbild also für Humala, der sich heute, laut eigenen Angaben, mehr an dem Modell des früheren brasilianischen Präsidenten Lula da Silva orientiert, der eine sehr erfolgreiche Politik betrieben hat. Lula gelang es die Inflation zu senken, 15 Millionen neue Arbeitsplätze zu schaffen und Brasilien als achtgrößte Volkswirtschaft zu positionieren.

"Humala hat im Moment sehr gute Chancen die Stichwahl zu gewinnen", glaubt Grabendorff und fügt hinzu "auch weil er derjenige ist, der das bessere Programm vorgelegt hat. Programmatisch hat Fujimori bisher sehr wenig ausgesagt." Der linksnationalistische Kandidat hat u. a. versprochen, den Binnenmarkt anzukurbeln. Dabei setzt er auf Steuerreformen, die Demokratisierung der Kreditvergabe sowie wissenschaftliche und technologische Innovation. Im Falle eines Wahlsieges wird Ollanta Humala jedoch ein gespaltenes Land regieren müssen. Vor allem "die Mittelklasse, die unter den Regierungen von Alejandro Toledo und zuletzt Alan García aufgestiegen ist, äußert große Bedenken gegenüber Humala. Auch wenn er behauptet, dass er für den Dialog offen ist und auch Leute, die nicht aus seinem Lager stammen, in sein Kabinett berufen möchte, wird die Polarisierung weiterhin bestehen bleiben", schließt Grabendorff.

Der scheidende peruanische Präsident Alan García (Foto: AP)
Der scheidende Präsident Alan Garcia hinterlässt eine florierende WirtschaftBild: AP

Ablehnung und Rechtspopulismus

Das von Keiko Fujimori vorgeschlagene Modell ist "weitaus autoritärer und in mancher Beziehung rechtspopulistisch", erklärt Grabendorff. Falls die Tochter des inhaftierten Ex-Präsidenten Alberto Fujimori gewinnt, werde sie aller Voraussicht nach ein wirtschaftliches Modell einführen, dass dem ihres Vaters ähnelt. Das heißt, "der Staat hat immer das Sagen. Und auch wenn der Wirtschaft viel Raum gelassen wird, wird der Staat immer direkt intervenieren, wenn es um seine Interessen geht", hebt der Experte hervor. Fujimori liegt fast acht Prozentpunkte hinter Humala. Wolf Grabendorff sieht es zwar als unwahrscheinlich, dass die Tochter des Ex-Präsidenten diesen Rückstand aufholt, doch ganz ausschließen möchte er es auch nicht: "In Peru ist es in der Vergangenheit immer wieder zu Überraschungen bei Wahlergebnissen gekommen“.

Gegen Fujimori spricht laut Grabendorff, dass bei ihr, ähnlich wie auch bei Humala, ein "Ablehnungsfaktor" von Seiten der Bevölkerung mitspielt. Die Erinnerung an die politischen Skandale von Alberto Fujimori könnte für die Wähler ausschlaggebender sein, als die Möglichkeit, erstmals eine Frau zur Präsidentin wählen zu können. Der ehemalige Präsident Fujimori ist wegen Korruption und der Verletzung der Menschenrechte zu 25 Jahren Haft verurteilt worden.

Peru und seine Nachbarn

"Es gibt kein anderes Land in Lateinamerika in dem die politische Klasse und die Parteien so schlecht angesehen sind wie in Peru", stellt Grabendorff fest. Der neue Präsident wird sich der Herausforderung stellen müssen, "große Reformen im sozialen, gesundheitlichen und auch Bildungsbereich durchzusetzen", sagt der Experte. Die peruanische Wirtschaft floriert, dennoch bleibt das jährliche Wachstum von acht Prozent für einen Großteil der Bevölkerung in weiter Ferne. "Es geht nicht darum die Wirtschaft zu verbessern, sondern besser umzuverteilen" so der deutsche Publizist.

Der peruanische Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa (Foto: AP)
Für den Schriftsteller Mario Vargas Llosa hat Peru "die Wahl zwischen Aids und Krebs"Bild: dapd

"Humala ist ein sehr nationalistischer Kandidat. Die bereits angespannten Beziehungen zu Chile werden unter einer Regierung Humalas sicherlich nicht besser", meint Grabendorff. Die Nachbarländer Peru und Chile streiten seit 2007 vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag über die Grenzführung auf der Meeresseite. Der amtierende sozialdemokratische Präsident, Alan García, suchte jedoch die Versöhnung mit dem konservativen chilenischen Nachbarstaat.

Humalas "kritische Position gegenüber den USA ist auch bekannt", gibt der Lateinamerika-Kenner zu bedenken. Ollanta Humala kritisiert die Präsenz von US-Militärkräften in Peru, wird sich jedoch, laut Grabendorff, "nicht sofort der ALBA in die Arme werfen". ALBA ist das von Hugo Chávez gegründete lateinamerikanische Wirtschaftsbündnis, dem u.a. auch Kuba, Venezuela, und Bolivien angehören. "Er wird aber sicherlich keine deutliche pro Kolumbien oder pro Chile Politik betreiben, wie sein Vorgänger Alan García", prophezeit Wolf Grabendorff abschließend.

Autorin: Valeria Risi
Redaktion: Mirjam Gehrke