1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Daumen raus

Andrea Wyrwoll22. Juni 2014

Trampen - der Inbegriff von Abenteuer und Freiheit. Viele junge Menschen erkunden so andere Länder. Beim jährlichen Tramprennen durch Europa machen sich Hunderte von ihnen auf den Weg, Land und Leute kennen zu lernen.

https://p.dw.com/p/1CK0q
Ein Tramper am Straßenrand (Foto: tramprennen.org)
Bild: tramprennen.org

In ihrer Stimme sind die Freude und Neugier deutlich zu hören. Lena Muckermann freut sich auf ihr erstes Mal Trampen. Gemeinsam mit über 100 weiteren jungen Menschen wird sich die 24-jährige Studentin aus Dortmund diesen Sommer auf den Weg von Würzburg nach Mazedonien machen. Ohne Flug- oder Busticket. Ihre Daumen werden zur Eintrittskarte in fremde Autos.

Seit 2008 trampen jedes Jahr hunderte junge Menschen beim Tramprennen zwei Wochen lang durch Europa. Letztes Jahr ging es nach Zgon an die masurische Seenplatte in Polen. Beim Tramprennen geht es nicht darum, möglichst kostengünstig von A nach B zu gelangen. "Wer trampt, sucht das Abenteuer", sagt Mitorganisator Marco Weber. Tramper wollen neue und interessante Menschen kennenlernen - vom Millionär bis zur allein erziehenden Mutter. "Man weiß nie, mit wem man ins Auto steigt", sagt Lena Muckermann.

Wer Tipps beachtet, kann sicher trampen

Doch genau dort liegen die Gefahren, mit denen Lena auch aus ihrem Umfeld konfrontiert wurde. Eltern und Bekannte, so erzählt sie, hätten von Horrorgeschichten über verschleppte und vergewaltigte Tramper berichtet. Die Studentin wolle sich davon aber nicht ihre Neugier und Freude auf das Tramprennen, das am 16. August beginnt, vermiesen lassen. "Ich würde ja nie alleine trampen", sagt sie. Um die Sicherheit der Teilnehmer zu erhöhen, gibt es beim Tramprennen die Regel, dass man mindestens zu zweit in gemischten Teams reist. "Leider suggeriert eine Frau, die alleine am Straßenrand steht, in vielen Gesellschaften immer noch sexuelle Verfügbarkeit", sagt Weber. Mit der Regel der gemischten Mannschaften wolle man diesem Denken einen Riegel vorschieben und die Sicherheit der Teilnehmer erhöhen.

Zwei Tramper mit Schild am Straßenrand (Foto: tramprennen.org)
Wer kreativ ist, kommt am schnellsten ans ZielBild: tramprennen.org

Außerdem gibt es ein paar weitere Tipps unter Trampern, um die Sicherheit zu erhöhen. Marco Weber verschickt zum Beispiel eine SMS mit dem Kennzeichen des Autos, in dem er sitzt. So wissen Freunde, mit wem er unterwegs ist. Ein noch besseres Gefühl bekommt Weber aber durch seine Entscheidungsfreiheit. Denn wenn ihm der Fahrer oder das Auto komisch vorkommen, steigt er nicht ein. "An der Raststelle spreche ich Leute an und frage, ob sie mich mitnehmen. Da bekomme ich schnell ein Gefühl für den Menschen", sagt er. Daher laute die oberste Regel der Tramper: So lange stehen bleiben, bis man guten Gewissens einsteigen kann.

Lebenserfahrung sammeln

Konrad Götz, Lebensstil- und Mobilitätsforscher am Institut für sozial-ökologische Forschung in Frankfurt am Main, ist selbst durch Europa getrampt. Trampen schone die Reisekasse und lasse junge Menschen viel Lebenserfahrung sammeln, sagt er. "Trampen ist außerdem die Abkehr vom Sicherheitswahn." Denn es gebe viele Eltern, die glauben, die absolute Sicherheit schaffen zu können. Er sieht in dieser Art zu Reisen für die heutige junge Generation viele Vorteile.

Marco Weber und Lena Muckermann wollen mit dem Trampen Vorurteile abbauen - bei sich selbst und anderen. Der 25-jährige Student Weber erzählt, dass er schon von Fahrern mitgenommen wurde, wo er es nie erwartet hätte. "Auch die Fahrer waren hinterher erstaunt, was für nette Leute trampen gehen", sagt er. Im Auto, das für viele Menschen wie ein zweites Wohnzimmer sei, komme es sehr schnell zu privaten Gesprächen. Bevor es im letzten Jahr beim Tramprennen nach Polen ging, wurden Weber und die anderen Teilnehmer vorher mit Vorurteilen konfrontiert. "Klar, kann immer etwas passieren, aber niemand wurde ausgeraubt, wie mancher uns weiß machen wollte", sagt Weber. Er habe die Menschen, gerade in Osteuropa, als besonders herzlich und gastfreundlich erlebt. Rumänien nennt er ein Paradies für Tramper.

Viele Tramper sitzen auf einem Pferdewagen (Foto: tramprennen.org)
Es muss nicht immer das Auto seinBild: tramprennen.org

Die Tramper bekämen auf ihren Touren durch Europa einen besonderen Einblick in die Länder und deren Kultur, sagt Weber. "Die Menschen freuen sich, wenn sie ihre Heimat zeigen können und machen Umwege, um an ihren Lieblingsplätzen vorbei zu fahren." Diese besonderen Erfahrungen könne man einfach nicht auf einer Pauschalreise sammeln.

Trampen - die Zukunft des Reisens?

Konrad Götz glaubt, dass Trampen in Zunkunft viel populärer wird. "Für junge Menschen, die unter der Wirtschaftskrise leiden, ist es eine gute Möglichkeit Europa kennen zu lernen", sagt er. Der Lebensstilforscher ist sich auch sicher, dass das Trampen in Zukunft organisierter sein wird. "Sicherlich wird es künftig eine App zur Meldung "unsicherer Fahrer" geben, wo zum Beispiel drin steht: "Achtung: Schwarzer Combi - Kennzeichen: XY: grabscht!", sagt Götz.

Damit könnte sich auch Marco Weber anfreunden. Bereits jetzt tauschen sich Tramper auf Hitchwiki, einer Webseite mit Tipps rund ums Trampen, über die besten Plätze und Strategien aus. Mehr Kommerzialisierung allerdings können sich die Tramper nicht vorstellen, denn das würde den Reiz des Abenteuers zerstören - und auch die Freude, die Lena Muckermann bereits zwei Monate vor dem Rennen verbreitet. Obwohl sie noch nie getrampt ist, kann sie sich gut vorstellen, es in Zukunft öfter zu machen. "Wenn ich die Zeit habe, ist es die perfekte Art zu reisen", sagt sie.