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Ghana voranbringen

Gianna Grün23. Juli 2013

Ghanas Probleme sind unsere Chance, sagt Patrick Kobina Arthur. Er will eine kritische Gemeinschaft gut ausgebildeter Wissenschaftler aufbauen.

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03.07.2013 DW Nobelpreisträgertreffen 2013, Projekt Zukunft, Lindau, 63rd Nobel Laureate Meeting Patrick Kobina Arthur
03.07.2013 DW Nobelpreisträgertreffen 2013, Projekt Zukunft, Lindau, 63rd Nobel Laureate Meeting Patrick Kobina ArthurBild: DW/Gianna Grün

Neugierig sind sie alle Teilnehmer des Nobelpreisträgertreffens - wir erzählen die Geschichten von jungen Forschern, die ihre Motivation aus ungewöhnlichen Dingen beziehen.

Wie würdest Du Deiner Oma oder kleinen Schwester Deine Forschung erklären?

Ich versuche, neue Wege zu finden, um Infektionen zu behandeln, die derzeit nicht in Kliniken geheilt werden können. Tuberkulose zum Beispiel – es gibt einige Patienten, die nicht behandelt werden können, weil die herkömmlichen Medikamente nicht mehr bei ihnen anschlagen. Deswegen ist es meine Aufgabe, neue zu finden.

Und wie findest Du diese neuen Wege?

In Ghana versuchen wir, sie mit Hilfe von Pilzen zu finden. Sie wachsen auf Bäumen oder sind in der Luft zu finden – bei uns gibt es sehr viele davon und sehr verschiedene. Wenn man sie im Labor wachsen lässt, produzieren sie Substanzen. So wurde auch das erste Antibiotikum entdeckt. Und ich glaube, dass wir an einem guten Ort sind, um neue zu finden, die effektiver sind.

Du hast eine zeitlang in Deutschland studiert und sagst, dass Du das deutsche System sehr inspirierend findest. Manche Menschen empfinden es vielleicht eher beschränkend – was ist es, das es für Dich inspirierend macht?

Man sieht in Deutschland niemals Müll auf der Straße, keine wilden Tiere, keine Menschen, die mentale Probleme haben. Das ist das Gegenteil von dem, was ich in Ghana finde. Hier sind die Dinge nicht gut organisiert. Sogar in Institutionen, die dafür bezahlt werden, zu organisieren, passiert nichts: Es kann in ein Gebäude regnen, für Jahre - während sich in Deutschland sofort jemand kümmert, wenn etwas nicht in Ordnung ist. Man sucht nach dem Verantwortlichen. Auch wenn es niemandes Fehler ist, fühlen sich die Leute schlecht dafür. Was ich inspirierend finde, ist, dass es immer jemanden gibt, der Initiative zeigt und sich sagt, dass er das so nicht sehen will, und es ändert. In Ghana ist das anders: Sogar wenn jemand erkannt hat "OK, das ist es, was ich machen könnte, um etwas zu verbessern", passiert nichts, weil die Leute nicht die Notwendigkeit sehen.

Du nennst viele Dinge, die Ghana von Deutschland lernen kann. Gibt es umgekehrt auch etwas, das deutsche Wissenschaftler von ihren ghanaischen Kollegen lernen können?

Ich denke, manchmal können Experimente und Forschung eine Reihe von Zufällen sein. Und wenn man in einer Umgebung ist, in der zu sehr auf Ordnung geachtet wird, passiert das nicht. Manchmal kann man nicht unterscheiden: War das jetzt ein kreativer Fehler - oder Schludrigkeit? In meiner Umgebung sind die Leute oft zu schludrig. Und dann versuche ich, das Gute darin zu sehen. Also schaust Du Dir an, was bei dem falsch aufgebauten Experiment herumgekommen ist, und machst etwas daraus. Das kann auch ein Weg sein, Forschung zu betreiben. Denn wenn Du immer wirklich wissen würdest, was Du da machst, dann würde es auch nicht mehr "Forschen" heißen.

Was ist der wichtigste Ratschlag, den Du Deinen Studenten gibst?

Beharrlichkeit. Das ist etwas, das in Deutschland sehr klar ist, die Leute spielen nicht mit ihrer Arbeit. Es ist eine klare Entscheidung: Wenn es Zeit zu arbeiten ist, ist Zeit zu arbeiten. Da gibt es kein "Ich habe gerade ein bisschen Kopfschmerzen" - nein, nein. Und ich sage meinen Studenten auch immer: Vorbereitung, Vorbereitung, Vorbereitung. Alles was wir machen, planen wir zwei, drei Wochen vorher – so sind wir dann effizienter. Das sind die Voraussetzungen, damit Kreativität und Brillanz zu etwas führen können.

In Deiner Forschungsmotivation hast Du geschrieben, dass Du gerne eine kritische Masse an Wissenschaftlern aufbauen willst, um für Fortschritt in Ghana zu sorgen – wie willst Du das anstellen?

Die Forschungskultur, diese enthusiastische, ambitionierte Haltung zur Forschung und zur Arbeit im Labor, gibt es noch nicht in Ghana. Deswegen würde ich gerne ein Institut finden, in dem ich deutsche Austauschstudenten haben kann, zum Beispiel für eine Sommerschule. Sie können dann etwas machen, das sie für ihren Abschluss weiterbringt, und gleichzeitig mit unseren Studenten Zeit verbringen. Jahr für Jahr wird das Einfluss haben.

Wir müssen Wege finden, Lösungen für die sehr vielen Probleme in Ghana zu entwickeln: Keine gesicherte Wasser- oder Stromversorgung, viele unbehandelbare Krankheiten, die den westlichen Pharmaunternehmen noch unbekannt sind.

Jedes dieser Probleme braucht eine Lösung. Noch haben wir sie nicht gefunden, aber es ist eine Chance für uns. Und fast jedes bedarf der Hilfe von Wissenschaftlern. Dabei beschränkt sich unsere Arbeit nicht auf das Labor. Wir müssen uns genauso in sozialen Organisationen engagieren und uns mit Geschäftsideen befassen. Noch gibt es kaum Menschen, die wissen, wie man eine gute Idee aufnimmt und Realität werden lässt. Deswegen müssen wir, die wissen, welchen Wert Wissen und Ideen haben, die Initiative ergreifen. Es gibt so viele Ghanaer, die im Ausland studieren und zurückkehren, um den Fortschritt anzutreiben. Aber noch gibt es zu wenige von uns, gemessen an der Größe und Vielzahl von Problemen unseres Landes.

Würdest Du uns den Ort malen, an dem Du die besten Ideen hast?

03.07.2013 DW Nobelpreisträgertreffen 2013, Projekt Zukunft, Lindau, 63rd Nobel Laureate Meeting Ort Patrick Kobina Arthur
Patrick Kobina Arthur hat die besten Ideen, wenn er am Strand sitzt und auf den scheinbar endlosen Ozean schaut. Wichtig dabei: An dem Strand müssen große Steine liegen.Bild: DW/Patrick Kobina Arthur