1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Partner in spe: die syrischen Kurden

Kersten Knipp23. September 2014

Im Kampf gegen den Islamischen Staat sucht das internationale Bündnis nach weiteren Partnern. Die syrischen Kurden bieten sich an. Aufgrund ihrer Nähe zur türkischen PKK gibt es allerdings noch Vorbehalte.

https://p.dw.com/p/1DJEd
Kurdische Peschmerga-Soldaten im Irak im Kampf gegen IS, 6.9. 2014 (Foto: AP)
Bild: picture-alliance/AP Photo/M. Drobnjakovic

Ob sich die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) allein mit Flugzeugen und Drohnen bekämpfen lässt, ist fragwürdig. Einzelne Basen, Camps wie auch Kolonnen mögen sich mit Angriffen aus der Luft ausschalten lassen. Aber sobald es darum geht, den IS aus dicht besiedelten Gebieten oder gar großen Städten zu vertreiben, könnten Luftschläge nicht mehr ausreichen. Insbesondere nicht, wenn der IS, wie er es teilweise schon getan hat, seine Geiseln als menschliche Schutzschilde benutzt.

Auf welche Verbündete sollte die derzeit sich formierende Anti-IS-Koalition unter Führung der USA also setzen? Im Irak ist der meistgeeignete Verbündete bereits seit langem identifiziert: die kurdischen Perschmerga. Ihnen ist es ganz wesentlich zu verdanken, dass Zehntausende Jesiden noch am Leben sind. Die Kurden haben ihnen auf der Flucht vor dem "IS" den Rücken freigehalten und geben ihnen derzeit Schutz in den von ihnen kontrollierten Gebieten im Norden des Irak.

Kaum übersehbare Fronten

In Syrien sieht die Lage erheblich schwieriger aus: Nach gut dreieinhalb Jahren Krieg ist die Anti-Assad-Oppsition in zahllose Fraktionen gespalten, Schätzungen gehen von weit über 1000 Gruppen aus. Dies USA versuchen sich derzeit einen Überblick zu verschaffen. Auch kurzfristige Zweckbündnisse sind an der Tagesordnung. Noch unsteter als die Gruppen sind verschiedenen Berichten zufolge die einzelnen Kämpfer selbst: Sie desertieren häufig, um sich anderen Gruppen anzuschließen.

Syrische Flüchtlinge an der Grenze zur Türkei, 19.9.2014 (Foto: REUTERS)
Syrische Flüchtlinge an der Grenze zur TürkeiBild: Reuters

Wichtigster Partner war und ist die Freie Syrische Armee (FSA), die älteste bewaffnete Oppositionsgruppe. Sie soll mit der "Islamischen Front" zusammenarbeiten, einer islamistischen Bewegung, die sich gegen den IS stellt. Einige hundert Kämpfer der FSA sind bereits zur al-Nusra-Front, einem Ableger von Al-Kaida, übergelaufen. Eine logistische Unterstützung dieser Gruppen kann daher auch riskant sein.

Syrische Kurden bieten sich als Partner an

In diesem schwer zu durchleuchtenden Feld empfiehlt sich dem Bündnis derzeit eine kurdische Gruppierung als Partner an: die "Volksverteidigungseinheiten" (YPG) aus Syrien. Sie sind der militärische Arm der "Partei der Demokratischen Union (PYD), dem syrischen Pendant der "Kurdischen Arbeiterpartei" (PKK) in der Türkei. Wie ihre türkische Schwester hat auch die PYD eine säkular-marxistische Ausrichtung. So zurückhaltend sie sich im Aufstand gegen das Assad-Regime zunächst zeigte, so entschieden verteidigt sie nun die von ihr regierten Gebiete im Norden Syriens gegen den "Islamischen Staat". Das Engagement der syrischen Kurden gegen die Dschihadisten gehe aber weit über die Verteidigung des eigenen Territoriums hinaus, so Salih Muslim, der Vorsitzende der PYD, gegenüber der DW: "Denn sie sind eine Gefahr für die gesamte Welt."

Innerhalb des internationalen Bündnisses existieren derzeit noch einige Vorbehalte gegen den Schulterschluss mit den syrischen YPG, und zwar aus unterschiedlichen Richtungen: Die arabischen Teilnehmer des Bündnisses tun sich schwer mit der ideologischen Ausrichtung. Zwar sieht sich vor allem Saudi Arabien durch die Präsenz des "Islamischen Staats" langfristig bedroht. Von seiner fundamentalistischen Auslegung des Islam will das Königreich aber dennoch nicht lassen. Immer wieder wird auch über die Finanzierung des "IS" durch saudische Bürger oder private Institutionen spekuliert. Zahlreiche westliche Staaten hingegen hegen Bedenken aufgrund der Nähe der PYD zur türkischen PKK. Diese wurde einst von der Türkei zur terroristischen Vereinigung erklärt. Diese Definition übernahmen dann auch die USA und die EU. Dieser Schritt stört jetzt den Schulterschluss mit ihrer syrischen Schwester, der PYD.

Salih Muslim, Vorsitzender der PYD, 17.4. 2012 (Foto: ITAR TASS)
Salih Muslim, Vorsitzender der PYDBild: Imago

Entwicklung in der Türkei

Eine Lösungsweg könnte nun aber über die Entwicklung des kurdisch-türkischen Verhältnisses in der Türkei laufen. Dort pflegen Staat und PKK dennoch seit Jahren den Dialog – zunächst im Geheimen, seit Monaten auch öffentlich. Seit Beginn des Jahres 2013 hat sich die PKK auf Gewalt als Mittel des politischen Kampfes verzichtet. Auch fordert sie keinen eigenen Staat mehr, sondern nur noch eine "demokratische Autonomie". Zugleich erfreuen sich die Kurden immer weiterer, vor allem kultureller Rechte.

Präsentation deutscher Waffen für die kurdischen Peschmerga, 18.9.2014 (Foto: Reuters)
Deutsche Waffen für die PeschmergaBild: REUTERS/Thomas Peter

Seitdem der "IS" im syrischen Norden immer weiter vorrückt, ruft die PKK ihre Mitglieder dazu auf, den kurdischen "Schwestern und Brüdern" zur Hilfe zu eilen. Militärisch sieht sie sich dafür gut gerüstet. Ein solches Engagement käme auch Ankara entgegen. Dort denkt man derzeit über die Errichtung einer Schutzzone in Syrien nach, die den "IS" stoppen soll. Die türkischen Kurden könnten dabei eine wichtige Rolle spielen. "Das türkische Militär prüft gerade, ob diese Zone nötig ist, wo sie verlaufen und wie tief sie sein sollte", erklärte Staatspräsident Recep Tayib Erdoğan in der vergangenen Woche (15.9.2014) gegenüber Journalisten. Voraussetzung diese Zone wäre allerdings die Zustimmung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen. Um sie will sich Erdoğan dem Vernehmen nach diese Woche in New York bemühen. Das könnte langfristig auch das Ansehen der PKK - und damit der PYD - steigern.