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Parteienboom in Russland

Jegor Winogradow / Markian Ostaptschuk16. Februar 2013

Russland hat eine Welle von Parteigründungen erfasst. Immer mehr Parteien beantragen die Zulassung. Beobachter bezweifeln, dass dies die Folge einer wahren politischen Liberalisierung seitens des Kremls ist.

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Wahlurnen in einem Wahllokal in Russland (Foto: ITAR-TASS / Alexander Ryumin)
Wahlurnen in einem Wahllokal in RusslandBild: picture alliance/dpa

Noch unter Präsident Dmitri Medwedew wurde die Zulassung von Parteien in Russland deutlich erleichtert. Dies hat nun einen Boom von Parteigründungen zur Folge. Einer auf der Internetseite des russischen Justizministeriums veröffentlichten Liste zufolge haben gegenwärtig 195 Parteien die staatliche Zulassung beantragt - 58 haben die erste Stufe der Registrierung geschafft und insgesamt 34 das Recht erhalten, bei Wahlen anzutreten.

Die Änderungen zum russischen Parteiengesetz waren Anfang April 2012 in Kraft getreten. Das Zulassungsverfahren besteht aus zwei Stufen.

Portrait von Dmitri Medwedew (Foto: REUTERS/Yekaterina Shtukina/RIA Novosti)
Dmitri Medwedew lockerte noch vor Ende seiner Amtszeit als Präsident das ParteiengesetzBild: Reuters

Zuerst wird eine Partei vom Justizministerium registriert. Aber um an Wahlen teilnehmen zu können, muss sie innerhalb von sechs Monaten mindestens 42 Regionalverbände bei den Behörden vor Ort registrieren lassen. Die entsprechenden Nachweise muss die Partei dann bei der zuständigen föderalen Behörde einreichen. Wenn dies nicht innerhalb eines Monats geschieht, verliert die Partei ihre Zulassung generell.

Wem nützen so viele Parteien?

Manche Beobachter halten es für gut, wenn es in Russland viele Parteien gibt. "Wir haben so wenig Freiheiten. Man sollte zumindest die Freiheit lassen, Parteien zu bilden", sagte der DW Wladimir Pribylowskij, Leiter des unabhängigen Informations- und Forschungszentrums "Panorama", das die politische und gesellschaftliche Lage in Russland analysiert. Allerdings habe eine übermäßige Parteienvielfalt auch Nachteile, gesteht er. So schließt Pribylowskij nicht aus, dass der Kreml hinter vielen "Mini-Parteien" steckt. Mit pseudo-oppositionellen Parteien solle die tatsächliche Opposition im Lande geschwächt werden.

Auch Andrej Busin von der russischen Nichtregierungsorganisation "Golos", die sich mit Wahlbeobachtung befasst, vermutet, dass viele neue kleine Parteien "künstlich geschaffene Strukturen" sind und nur Stimmen von Konkurrenten der Kreml-Partei "Einiges Russland" wegnehmen sollen. Dies werde zur Folge haben, dass die meisten Konkurrenten des Kremls die in Russland bei Wahlen geltende Fünf-Prozent-Hürde nicht überwinden würden, so Busin im Gespräch mit der DW. Außerdem befürchtet er, dass -  bei einer so großen Anzahl von Parteien - die Wähler den Überblick verlieren würden. Busin kritisiert, dass gemäß den Gesetzesänderungen Parteien nur noch mindestens 500 anstatt 40.000 Mitglieder haben müssten. Dies habe erst ermöglicht, so viele "Parteien" zu schaffen.

Piratenpartei nicht zugelassen

Es gibt aber auch "Parteien-Projekte", die offen den Kreml unterstützen, zum Beispiel die Partei "Kluges Russland". An ihrer Spitze steht Nikita Borowikow. Er war führendes Mitglied der kremlnahen Jugendbewegung "Naschi". Borowikows Partei wurde redkordverdächtig schnell vom Justizministerium registriert. Innerhalb von 19 Tagen gelang es ihr, die notwendigen Zulassungsnachweise aus 42 Regionen Russlands zusammenzubekommen und zu Wahlen zugelassen zu werden.

Anders erging es beispielsweise der "Piratenpartei Russlands". Der erste Versuch, eine Zulassung zu erhalten, scheiterte. Parteichef Pawel Rassudow zufolge entschied das Justizministerium, dass "Piraterie ein Verbrechen ist und nicht den erklärten Zielen der Partei entspricht". Rassudow sagte der DW, seine Partei habe gegen die Entscheidung Klage eingereicht. Im April werde der Fall vor Gericht verhandelt.

Pawel Rassudow, Vorsitzende der Piratenpartei Russlands (Foto: DW)
Pawel Rassudows Piratenpartei zieht gegen das russische Justizministerium vor GerichtBild: DW

Beobachter kommen zum Schluss, auch nach der Änderung des Parteiengesetzes habe der Kreml die Gestaltung der politischen Landschaft des Landes unter Kontrolle. Der jetzige Parteienboom sei, so Pawel Rassudow, nichts anderes als eine Imitation von Demokratie. Erste Bewährungsproben für das geänderte Parteiengesetz würden die Regionalwahlen im September 2013 sowie die Wahlen zum Moskauer Stadtrat im Jahr 2014 werden.