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Pakistan lenkt bei "Save the Children" ein

Shamil Shams12. Juni 2015

Pakistan hat die Schließung der NGO "Save the Children" anscheinend zurückgenommen. Offenbar gab es Druck aus den USA und Großbritannien. Am Freitag waren die Büros der NGO von der Polizei geschlossen worden.

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Pakistan schließt NGO Save the Children in Islamabad (Foto: picture-alliance/dpa/T. Mughal)
Bild: picture-alliance/dpa/T. Mughal

Offiziell Pakistan hat die Zurücknahme seiner Entscheidung vom Freitag (12.06.2015), die Büros der in Großbritannien ansässigen NGO "Save the Children"landesweit zu schließen, nicht bekanntgegeben. Aber mehrere Quellen berufen sich auf entsprechende Informationen aus dem pakistanischen Innenministerium.

Bereits im September 2012 hatte die pakistanischen Regierung die ausländischen Mitarbeiter von "Save the Children" zum Verlassen des Landes innerhalb von zwei Wochen aufgefordert. Diese Entscheidung wurde zwar kurz darauf vorübergehend aufgehoben. Dennoch hatten die betroffenen Mitarbeiter Pakistan vor der jetzt verfügten Schließung der Büros bereits verlassen. Nach Angaben der in Großbritannien ansässigen Organisation sind derzeit 1200 einheimische Mitarbeiter in Pakistan tätig. Vier Millionen Kinder und ihre Familien würden von den Gesundheits-, Ernährungs- und Bildungsprogrammen der Organisation erreicht.

Hintergrund für das Vorgehen der Sicherheitsbehörden Pakistans gegen die NGO ist ihre angebliche Verbindung zu dem pakistanischen Arzt Shakil Afridi. Dieser soll der CIA im Rahmen einer Impfkampagne genetische Informationen zugeleitet haben, wodurch der Aufenthaltsort von Osma bin Laden in Pakistan lokalisiert werden konnte. Pakistan fühlte sich durch die Kommandooperation der Amerikaner im Mai 2011, bei der bin Laden getötet wurde, in seiner Souveränität verletzt.

Pakistan - Save the Children (Foto: picture-alliance/dpa)
Save the Children hilft nach eigenen Angaben vier Millionen pakistanischen KindernBild: picture-alliance/dpa

Schwache offizielle Begründung

Offiziell war nur wenig zur Begründung für die Schließung der Büros der britischen NGO mitgeteiklt worden. Innenminister Chaudhry Nisar behauptete vor der Presse, dass Save the Children "gegen die Interessen Pakistans" arbeite. Man begrüße die Aktivitäten von NGOs in Pakistan, "aber sie müssen unsere Gesetze und Verfassung verstehen." Er fügte allgemein hinzu, dass "einige NGOs in Pakistan für Indien und Israel" arbeiteten. Die ausländischen Mitarbeiter der Hilfsorganisation wurden von der Regierung zur Ausreise binnen 15 Tagen aufgefordert. In einer Erklärung teilte die Organisation mit, sie sei über die bevorstehende Schließung nicht informiert worden und werde auf höchster Ebene ihren entschiedenen Widerstand gegen das Vorgehen vorbringen. Auch über die Zurücknahme der Schließung wurde die Organisation nach eigenen Angaben offiziell nicht informiert.

Gemischte Reaktionen

In Pakistans Zivilgesellschaft gab es Kritik nach dem Vorgehen der Regierung gegen Save the Children, aber auch die Rolle der NGOs wird teilweise kritisch gesehen. So sagte der frühere Vorsitzende der pakistanischen Menschrechtskommission, Mehdi Hasan, gegenüber der DW, dass die pakistanische Regierung Beweise für ihre Vorwürfe gegen Save the Children vorlegen müsse. Aber auch die NGOs sollten Transparenz in Bezug auf ihre Arbeit zeigen und die Medien des Gastlandes regelmäßig über ihre Aktivitäten informieren.

Schärfer kritisiert ein Entwicklungspolitik-Experte aus Lahore gegenüber der DW unter Wahrung seiner Anonymität die Haltung der Regierung. "Regierung und Armee sind gegenüber der Zivilgesellschaft misstrauisch. Menschrechtsverletzungen sind in vielen Landesteilen an der Tagesordnung, aber die Behörden wollen sie unter den Teppich kehren", sagt der Experte. "Deshalb gehen sie nicht nur gegen die Pressefreiheit vor, sondern auch gegen andere Bürgerfreiheiten. Die Schließung der Büros von Save the Children sollte man unter diesem Blickwinkel sehen."

Pakistan Demonstration für vermisste Angehörige in Queeta (Foto: DW)
Teil des Kampfes zwischen Zivilgesellschaft und StaatBild: DW/Shadi Khan Saif

Usman Qazi, zivilgesellschaftlicher Aktivist aus Islamabad, sagt gegenüber der DW, er sei zwar dagegen, einer international angesehenen NGO wie Save the Children einen Maulkorb zu verpassen. Aber davon abgesehen hätten die NGOs in Pakistan einiges zu verbessern, was ihre Zusammenarbeit mit Institutionen und Bevölkerung des Gastlandes betreffe. "Nach dem zu urteilen, was ich von Angehörigen der verschiedensten gesellschaftlichen Schichten und Gruppen in Pakistan höre, sind die NGOs in Pakistan äußerst unbeliebt. Sie werden weithin als korrupt, selbstbezogen und verschlossen wahrgenommen", sagt Qazi. Das betreffe ausländische wie inländische NGOs. Und aus diesem Grund hätten die Behörden auch keinen großen Protest gegen die Schließung der Büros von Save the Children zu erwarten gehabt.

Wer wirklich "dubios" ist in Pakistan

Der Journalist Abdul Agha wiederum nimmt Anstoß an dem von Regierungsseite vorgebrachten Vorwurf, die Aktivitäten von Save the Children seien "dubios." "Kann es eine dubiosere Organisation als (den pakistanischen Militärgeheimdienst) ISI geben", so seine rhetorische Frage. Was sich in Belutschistan und in den Nordwestgebieten im Namen des Antiterrorkampfes abspielt, ist nicht nur dubios, sondern gefährlich. Die Armee und ihre Organisationen müssen niemandem Rechenschaft ablegen", so Abdul Agha gegenüber der DW.

Dem Vernehmen nach plant die Regierung in Islamabad, weitere 19 NGOs zu verbieten. "Die Zivilgesellschaft ist entschlossen, die Menschrechtsverletzungen des Staates aufzudecken, und das wird in Pakistan nicht akzeptiert. Die Behörden werden alles in ihrer Macht Stehende tun, um kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen", so die Einschätzung des Journalisten.