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Bestattung Kim Jong Ils

28. Dezember 2011

Tausende Nordkoreaner haben auf der pompösen, inszenierten Beisetztungsfeier Abschied von ihrem "geliebten Führer" genommen. Die Nachbarstaaten blicken indes auf das unberechenbare Regime. Was verheißt der Machtwechsel?

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Ein Grabwagen mit einem großen Plakat von Kim Jong Il auf dem Dach (Foto:AP)
Kim Jong Il war 17 Jahre an der Macht (1994-2011)Bild: AP

Es war eine pompöse Zeremonie, die am Mittwoch (28.12.2011) zur Beisetzung des verstorbenen Diktators Kim Jong Il veranstaltet wurde. Das Staatsfernsehen zeigte dicht gedrängt am Straßenrand stehende Menschen, die demonstrativ mit gesenkten Häuptern ihre Trauer zeigten. Eine Limousine fuhr ein überdimensionales Bild des verstorbenen "geliebten Führers" durch die verschneiten Straßen von Nordkoreas Hauptstadt Pjöngjang. Zu Beginn der sehr aufwändigen Feierlichkeiten im Kumsusan-Mausoleum lag Kim in einem Glassarg aufgebahrt.

Kim Jong Il aufgebahrt in einem Glassarg (Foto: dapd)
Aufwendige Zeremonie, damit die Nordkoreaner Abschied nehmen könnenBild: dapd

Die Staaten in der Region rund um Nordkorea sind seit dem Tod des Diktators Kim nervös. Sie fragen sich, ob und wie der fragile Frieden aufrecht erhalten werden kann. Wie wird es in Nordkorea weitergehen?

Alle Strippen in der Hand?

Zwei Tage war der Tod des nordkoreanischen Diktators Kim Jong Il geheim gehalten worden. Nicht einmal die südkoreanischen Geheimdienste ahnten etwas. Das zeigt, wie wenige Informationen aus dem hermetisch abgeriegelten Nordkorea nach außen dringen. "Es ist alles offen und die Sachen sind schwer vorhersehbar", urteilt Hanns Günther Hilpert von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin.

Kim Jong Un ist der "große Nachfolger"

Klar ist, dass Kim Jong Un der designierte Nachfolger seines Vaters Kim Jong Il ist. Er wurde gleich nach dem Tod seines Vaters von den Medien als "der große Nachfolger" bezeichnet. Am Samstag wurde er außerdem zum "obersten Führer" der Streitkräfte ernannt.

Kim Yong Nam (links) und Kim Jong Un (rechts) auf dem Weg zum ehemaligen Führer Nordkoreas (Foto: AP)
Kim Jong Un erweist seinem Vater die letzte Ehre im Kumsusan-PalastBild: dapd

Unterstützung findet Kim Jong Un in seiner Familie, vor allem bei seiner Tante Kim Kyong Hui, die Mitglied des Politbüros ist, und seinem Onkel Jang Song Thaek. Dieser leitet die Verwaltungsabteilung der Regierungspartei, beaufsichtigt den Geheimdienst und ist stellvertretender Vorsitzender der Nationalen Verteidigungskommission.

Nicht zuletzt scheint China als das mächtigste Nachbarland mit dem Nachfolger in Nordkorea einverstanden zu sein, glauben die Wissenschaftler. Patrick Köllner, Forscher am Deutschen Institut für globale und regionale Studien (GIGA) in Hamburg, sagt: "China hat seine Zustimmung zur Machtübernahme durch Kim Jong Un bereits geäußert."

Allerdings bedeute das nicht, dass die Machtfrage in Nordkorea abschließend geklärt sei. "Die Nachfolge von Kim Jong Il auf Kim Jong Un ist bereits auf ein Gleis gesetzt worden. Als durchgesetzt kann sie allerdings noch nicht gelten", so Köllner weiter.

Vor allem die Jugend Kim Jong Uns steht seiner Machtübernahme entgegen, da Alter und Erfahrung in der koreanischen Gesellschaft wichtige Anforderungen an einen Führer darstellen.

Unstimmigkeiten im inneren Machtzirkel

Nordkoreaner weinen um den zweiten Kim (Foto: Kyodo)
Die Menschen trauern öffentlich, um nicht in Verdacht zu geratenBild: AP

Erschwerend kommen Machtkämpfe im inneren Kreis der Regierung hinzu. Es gibt zwei Flügel. Der eine befürwortet wirtschaftliche Reformen nach chinesischem Vorbild, der andere stellt sich Reformen weitgehend entgegen. Die Befürworter wirtschaftlicher Reformen befänden sich allerdings seit ein paar Jahren in einer Minderheitenposition, wie Köllner feststellt. Eine ernstzunehmende Opposition existiert nicht. "Wer in Nordkorea gegen die Familie Kim ist, hat keine Überlebenschance", sagt SWP-Experte Hilpert.

Bei allen Unstimmigkeiten setzt das nordkoreanische Regime auf politische Kontinuität. Das Atomprogramm müsse aufrechterhalten werden, da Nuklearwaffen als effektivstes Abschreckungsmittel gegen die westlichen Länder angesehen werden. "Im Endeffekt sitzt die Führung Nordkoreas in einem Boot. Auch wenn nicht immer alle in dieselbe Richtung rudern, haben alle ein Interesse am Weiterbestand des Regimes", analysiert Köllner.

Irritationen in den umliegenden Staaten

Die Nachbarländer, vor allem Südkorea, beobachten die politische Entwicklung in Nordkorea mit Spannung und großen Sorgen. Das innerkoreanische Verhältnis werde "auf absehbare Zeit im Nebel liegen", sagt ein südkoreanischer Experte der Konrad-Adenauer-Stiftung. Lee Myung Bak, der amtierende Präsident Südkoreas, verfolge eine harte Linie gegenüber Nordkorea.

Ein Wachturm an der innerkoreanischen Grenze(Foto: AP)
Seit Jahrzehnten sind Nord- und Südkorea im KriegszustandBild: AP

"Es gibt keine wirklich offenen Dialogkanäle. Die Beziehungen liegen weitestgehend auf Eis. Und im Endeffekt würde ich mir hier neue Impulse erst nach der Amtszeit von Lee Myung Bak 2013 erwarten", sagt Köllner. Daran ändert auch der Besuch zweier südkoreanischer Delegationen in Pjöngjang nichts. Beide Besucherdelegationen waren nach offiziellen Angaben privater Natur, angeführt von der Witwe des ehemaligen südkoreanischen Präsidenten Kim Dae Jungs, der eine Annäherungspolitik an Nordkorea verfolgte, und von Hyun Jeong Eun, dem Vorsitzenden der Hyundai-Gruppe, die geschäftliche Beziehungen mit dem kommunistischen Norden pflegte. Andere ausländische Kondolenzbesuche wurden nicht zugelassen.

China: "Schützende Hand über Nordkorea"

Der SWP-Experte Hilpert sieht in China die schützende Hand über Nordkorea. Die Volksrepublik unterstütze das Regime, weil es Flüchtlingsströme befürchtet, die in der Folge auch zur Instabilität der Provinzen im Nordosten Chinas führen könnte, in denen koreanische Minderheiten leben. "Die mittelfristige Folge eines Zusammenbruchs Nordkoreas könnte eine Wiedervereinigung unter kapitalistischen, pro-amerikanischen Vorzeichen sein. Amerikanische Truppen könnten an der chinesischen Grenze stehen. Das ist aus chinesischer Sicht der schlimmste Fall."

Die Konsolidierung der Macht in Nordkorea überlagert alle anderen Themen und führt dazu, dass Fragen der Außenpolitik von innenpolitischen Weichenstellungen dominiert werden. "Nachfolgefragen in autoritären Regimen sind grundsätzlich Perioden, die die Gefahr großer Instabilität in sich bergen und insofern geht die Energie derzeit sehr stark nach innen". Die Stimmung in Ostasien gleicht Hilpert zufolge der Ruhe vor dem Sturm, ohne dass irgendjemand voraussagen kann, ob und wann der Sturm tatsächlich losbricht.

Autor: Rodion Ebbighausen
Redaktion: Hao Gui / Nicole Scherschun