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Nemzow-Bericht soll publiziert werden

6. März 2015

Der ermordete Kreml-Kritiker Nemzow arbeitete offenbar bis kurz vor seinem Tod an einem Bericht über die Verwicklung Russlands in den Ukraine-Krieg. Seine Mitstreiter wollen seine Papiere in Kürze veröffentlichen.

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Ilja Jaschin (Foto: DW/Y. Vishnevetskaya)
Bild: DW/Y. Vishnevetskaya

Vor gut einer Woche wurde der russische Oppositionspolitiker Boris Nemzow in Moskau unweit des Kreml mit vier Schüssen in den Rücken getötet. Jetzt bereiten sich seine Mitstreiter darauf vor, einen Bericht Nemzows über die Beteiligung Russlands am Ukraine-Konflikt in die Öffentlichkeit zu bringen. Sein Kollege Ilja Jaschin (Artikelbild) von der Oppositionsbewegung Solidarnost sagte, der 55-Jährige habe Hinweise und Dokumente zusammenstellen wollen, die eine Präsenz der russischen Armee in der Ukraine bewiesen und "die Lügen" von Präsident Wladimir Putin aufdeckten.

Nemzows Vertraute Olga Schorina zeigte der Nachrichtenagentur Reuters eine handschriftliche Notiz, die der Kreml-Kritiker einen Tag vor dem Attentat eilig niederschrieb. "Fallschirmjäger aus Iwanowo haben mit mir Kontakt aufgenommen", sei auf dem A4-Blatt zu lesen. Schorina sagt, Nemzow habe Angst gehabt, dass der Geheimdienst sein Büro verwanzt habe. "Er wollte es nicht laut aussprechen, darum hat er es für mich aufgeschrieben."

Aus dem Gedächtnis diktiert

Das meiste Material, das Nemzow zusammengetragen habe, sei offen zugänglich. Nach ihrem Wissen habe er vor seinem Tod nur noch ein Inhaltsverzeichnis verfasst. Die anderen Berichte habe er ihr meistens aus dem Gedächtnis diktiert. Sie und Jaschin würden nun versuchen, Nemzows Bericht in einem Monat zu veröffentlichen.

Die Regierung in Moskau hat wiederholt Vorwürfe bestritten, die Separatisten in der Ukraine militärisch zu unterstützen. In Russland kursieren seit Monaten Berichte, wonach viele russische Soldaten im Kampfeinsatz in der Ukraine ihr Leben verloren. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko sagte kurz nach dem Mord, Nemzow habe Beweise für eine russische Verstrickung veröffentlichen wollen. "Jemand hatte deswegen Angst. Sie haben ihn umgebracht." Die russische Führung bestreitet jede Verwicklung in das Attentat. Putin nannte Nemzows Tod eine schändliche Tragödie. Die Hintergründe der Bluttat sind ungeklärt.

Nemzow gilt einer der bekanntesten Kritiker Putins in Russland. Er veröffentlichte acht Berichte, die die angeblichen Missstände unter Putin entlarven sollten. Der Titel des letzten Berichts sollte nach Angaben Jaschins "Putin und der Krieg" lauten. Nemzow habe vorgehabt, Eltern von russischen Solddaten, die in der Ukraine getötet worden waren, in Iwanowo zu treffen, sagte Jaschin. Die Stadt liegt etwa 300 Kilometer nordöstlich von Moskau. Dort sind Einheiten der 98. Fallschirmjäger-Division stationiert.

Personenschutz für Freundin

Unterdessen stellte die ukrainische Polizei die Hauptzeugin des Attentats, Anna Durizkaja, nach Morddrohungen unter Polizeischutz. Die Lebensgefährtin des getöteten Kreml-Kritikers habe sich mit dieser Bitte an die Behörden gewandt, teilte die Generalstaatsanwaltschaft in Kiew mit. Ermittler würden intensiv nach dem Verfasser anonymer Morddrohungen suchen, die bei den Eltern der 23-Jährigen in Bila Zerkwa bei Kiew eingegangen seien. Durizkaja ging an der Seite Nemzows, als dieser in Moskau erschossen wurde. Das Model war am Montag in ihre Heimat zurückgekehrt.

Anna Duritskaja, Begleiterin von Boris Nemzow (Achivfoto 2012, AP)
Sie wurde tagelang in Moskau verhört: Nemzows Freundin Anna DurizkayaBild: picture-alliance/AP Photo/D. Buznikova

Ermittler sollen nach Aussagen der jungen Frau ein Phantombild des Täters erstellt haben, das die Polizei aber bisher nicht veröffentlichte. Russischen Zeitungen zufolge beschrieb Durizkaja den Mörder als etwa 1,70 bis 1,75 Meter großen Mann mit kurzen Haaren. Die russischen Fahnder schweigen zum Stand der Ermittlungen.

Nawalny wieder frei

Nach zwei Wochen Haft ist der russische Oppositionelle Alexej Nawalny wieder in Freiheit. "Wir werden unsere Aktivitäten fortsetzen", sagte der Kreml-Kritiker, als er das Gefängnis im Norden Moskaus verließ. Er kündigte an, seinem ermordeten Freund Nemzow auf dem Friedhof die letzte Ehre zu erweisen. An der Beerdigung Nemzows hatte Nawalny wegen der Haft nicht teilnehmen dürfen.

Die jüngste Haftstrafe Nawalnys hatte ein Gericht damit begründet, dass der Anwalt und Blogger in einer U-Bahnstation in der Hauptstadt Flugblätter mit dem Aufruf zu einer Kundgebung am 1. März verteilt hatte. Wegen der Ermordung Nemzows war die Demonstration abgesagt worden. Stattdessen fand ein Trauermarsch für den Toten statt. Nawalny steht seit Februar 2014 unter Hausarrest.

kle/wl (rtr, afp, dpa)