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Opposition soll mehr Rechte bekommen

Wolfgang Dick11. Februar 2014

Die auf 20 Prozent der Mandate im Bundestag geschrumpfte Opposition soll nach dem Willen der großen Koalition zusätzliche Befugnisse erhalten. Dafür muss aber die Geschäftsordnung geändert werden.

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Bundestag konstituierende Sitzung 22.10.2013 Symbolbild Parteien
Bild: Getty Images

Ein Elefant steht einer Maus gegenüber. Dieses Größenverhältnis drängt sich auf, wenn man sich die derzeitige Regierungskoalition im Verhältnis zur Opposition ansieht. Im neuen Bundestag gibt es insgesamt 631 Abgeordnete. 504 gehören einem Bündnis von Sozialdemokraten und der Union (CDU/CSU) an. Nur 127 Volksvertreter stellen die Parteien "Die Linke" und "Die Grünen", und das hat Konsequenzen, denn die geschrumpfte Opposition hat kaum Möglichkeiten, die Regierungsarbeit kritisch zu begleiten und zu kontrollieren. Vor der Bundestagswahl verfügte sie noch über mehr als doppelt so viele Mandate. Schließlich gehörte die SPD da noch dazu.

Am Dienstag (11.02.2014) kam unerwartet Hilfe - ausgerechnet von der Großen Koalition. Union und SPD legten einen Vorschlag zur Änderung der Parlaments-Geschäftsordnung vor, der die Rechte der Opposition stärken soll. In dem Vorschlag finden sich zahlreiche Forderungen aus einem Gesetzentwurf von Linken und Grünen, denn Oppositionsparteien haben in Deutschland eigentlich mehrere wirkungsvolle Instrumente in ihrem Werkzeugkasten. Sie können Anfragen stellen, die die Regierung beantworten muss. Sie dürfen öffentlichkeitswirksame Untersuchungsausschüsse einberufen, um Machenschaften in Ministerien aufzudecken, und sie können vom Bundesverfassungsgericht prüfen lassen, ob Gesetzesvorhaben der Verfassung entsprechen. Dafür waren bisher allerdings 25 Prozent Zustimmung unter den Abgeordneten notwendig.

Fraktionsvorsitzende Opposition Gysi Hofreiter
Die Fraktionschefs Gregor Gysi (Die Linke) und Anton Hofreiter (Die Grünen)Bild: picture-alliance/Tagesspiegel

Erhebliche Einschränkungen

Nach dem Entwurf von Union und SPD soll diese Regelung zumindest teilweise aufgehoben werden, sodass ein Untersuchungsausschuss auch dann einberufen werden kann, wenn alle Mitglieder der Opposition dies verlangen. In einem solchen Ausschuss sollen die Oppositionsabgeordneten dann mindestens 25 Prozent der Mitglieder stellen. Die Möglichkeit, eine Klage vorm Bundesverfassungsgericht auch ohne die nötigen 25 Prozent einzureichen, sieht der Vorschlag der Großen Koalition allerdings nicht vor.

Auch die Möglichkeiten der Opposition, sich im Plenum des Bundestags mehr Gehör zu verschaffen, werden von dem Änderungsentwurf nicht berücksichtig. Damit schrumpft die Redezeit im Parlament, da sie sich nach der Stärke der Fraktionen richtet. In einer Stunde Debatte verbleiben so nur noch zwölf Minuten für die Opposition.

Ein weiterer Punkt: "Grüne und Linke können künftig keine Untersuchungsausschüsse mehr beantragen und auch kein Misstrauensvotum an die Regierung stellen", sagt der Politikwissenschaftler Stephan Bröchler von der Universität Gießen. Das Grundgesetz und die Geschäftsordnung des Bundestags erlauben diese Rechte nur einer Opposition, die über mindestens 25 Prozent der Sitze im Bundestag verfügt. Grüne und Linke kommen zusammen aber nur noch auf 20 Prozent. "Wenn das so bleibt, besteht die Gefahr, dass die Demokratie Schaden nimmt", befürchtet Bröchler.

Deutschland Deutscher Bundestag Abgeordneter Jan van Aken Die Linke
Van Aken: "Vertrauen in die Macht der Anfrage"Bild: imago/Jens Jeske

Jan van Aken ist Abgeordneter der Partei "Die Linke" und sieht das ähnlich kritisch. Er vertraut aber - wie viele seiner Kollegen - auf die Macht der Anfragen. Das Recht darauf verbleibt immerhin. Obwohl die Regierung oft versuche, in ihren Antworten kritische Punkte zu verschleiern, sei man in der Opposition sehr geübt, mit einer guten Fragetechnik unbequeme Fakten schließlich doch ans Tageslicht zu zerren. "Was wir schon alles herausgefunden haben, ist beachtlich", sagt van Aken.

Waffenexporte und Chemielieferungen wurden aufgedeckt. Beispiele aus der Zeit, als zuletzt eine Große Koalition von CDU/CSU und SPD regierte. Das war in den Jahren von 2005 bis 2009. Nur damals gab es in der Opposition eine Partei mehr: Die FDP. Doch die liberale Partei erhielt bei der Bundestagswahl am 22. September 2013 zu wenige Wählerstimmen und musste den Bundestag verlassen.

Opposition nutzt "Schlupflöcher"

Aus Sicht von Hans Josef Fell, seit 1989 für die Grünen im Bundestag, gibt es auch weiterhin die Möglichkeit der persönlichen Einflussnahme auf Regierungsmitglieder. "Wir reden miteinander in den Fach-Ausschüssen." Was die Öffentlichkeit nicht so wahrnehme, sei die Tatsache, dass in den Arbeitsgruppen Politiker der Opposition und Mitglieder der Regierung sehr sachlich und beinahe freundschaftlich zusammen arbeiten. "Mit guten Argumenten kann man immer wieder überzeugen", so Fell. "Verhärtet sind die Fronten selten."

Viele Oppositionspolitiker betrachten das ähnlich und sehen die Aufgabe einer Opposition auch schon erfüllt, wenn es gelingt, bestimmte Themen erfolgreich in die Debatte zu bringen, sodass sie Eingang in die Politik finden.

Außerparlamentarische Helfer

Unterstützung wird die kleine Opposition wohl auch von anderer Stelle bekommen. Uwe Jun, Politikwissenschaftler an der Universität Trier, beobachtet in Zeiten einer Großen Koalition verstärkten politischen Widerstand außerhalb des Parlaments. Jun nennt Gewerkschaften, Bürgerinitiativen, Protestbewegungen und nicht zuletzt die Presse.

Dieter Dehm Politiker Partei Die Linke
Dehm: "Zunehmende Boulevardisierung der Presse"Bild: Frank Ossenbrink

Dieter Dehm, Abgeordneter der Partei "Die Linke", hält allerdings nicht viel von der Rolle der Medien als mögliche Helfer der Opposition. "Der kritische Journalismus hat in den letzten 30 Jahren auf jämmerliche Weise abgenommen", beklagt Dehm die zunehmende Boulevardisierung der Presse. Dehm sieht sich durch Messungen bestätigt. Die Linke habe 8,6 Prozent der Wählerstimmen erhalten, tauche aber bei der Wahrnehmung in den öffentlichen Nachrichtensendungen nur mit einem Prozent auf. Trotzdem ist Dehm zuversichtlich: "Wenn die Linke sich jetzt nicht zu viel mit sich herumstreitet, dann kann daraus eine Bewegung werden, die eine großen Koalition das Fürchten lehrt."