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Sicherheit um jeden Preis

Mikhail Bushuev7. Januar 2014

Sotschi im Süden Russlands gleicht einer Festung. Einen Monat vor den Winterspielen treten nun weitere Sicherheitsvorkehrungen in Kraft. Die Kritik an ihnen ist angesichts der jüngsten Terrorakte inzwischen verstummt.

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Russische Sicherheitskräfte laufen durch Krasnaya Polyana nahe Sotschi (Foto: REUTERS/Maxim Shemetov)
Bild: Reuters

Eine routinemäßige Neujahrsansprache, die zum festen Element der Silvesterfeierlichkeiten in Russland gehört, konnte sich der russische Präsident Wladimir Putin in diesem Jahr nicht mehr leisten. Nicht nach den Bombenanschlägen in Wolgograd. Er ließ schnell eine neue Rede produzieren. Wegen der enormen Zeitverschiebung sahen und hörten zwar die Leute auf Kamtschatka noch die alte, der Rest des Landes aber die neue Rede, in der der 61-jährige Staatschef dem Terrorismus den Krieg erklärte.

Oberleitungsbus in Wolgograd, in dem eine Bombe explodierte (Foto: Mikhail Bushuev/DW)
Die Anschläge von Wolgograd - etwa auf diesem Bus - zeigten: Die Gefahr ist realBild: Reuters

Die russische Regierung fürchtet vor allem eine Attacke auf die Olympischen Winterspiele in Sotschi, die am 7. Februar beginnen sollen. Die Gefahr sei absolut real, sagte Jekaterina Sokirjanskaja von der International Crisis Group im DW-Interview. Auch Alexej Filatow, ein ehemaliger Offizier der Antiterroreinheit "Alfa" meint: " Vielleicht schaltet man jetzt einen Gang zu schnell. Aber es ist wohl gerechtfertigt. Die Sicherheit soll an erster Stelle stehen und der Komfort an zweiter."

Größter Sicherheitseinsatz seit Olympia 1980

Und so wird Sotschi wohl der größte Einsatz für die Sicherheitskräfte in Russland seit den Olympischen Sommerspielen 1980 in Moskau. Nach offiziellen Angaben werden 37.000 Polizisten aus ganz Russland in Sotschi im Einsatz sein. Viele von ihnen bekommen sogar Englisch-Unterricht und einen alpinen Schnupperkurs verpasst, um einerseits ausländischen Touristen helfen - und andererseits im Ernstfall auch in den Bergen bestehen zu können. Außerdem werden in Sotschi rund 23.000 Mitarbeiter des Ministeriums für Katastrophen- und Zivilschutz stationiert sein. Hinzu kommen als Verstärkung Soldaten, Grenzschützer und eine nicht genau bekannte Anzahl von Geheimdienstmitarbeitern.

Auf See werden Militärschiffe und U-Boote die Küste patrouillieren, in der Luft werden Drohnen und Kampfjets eingesetzt. Dutzende zusätzliche Streifenwagen fahren jetzt schon durch die Gegend. Polizisten aus anderen russischen Städten testen bereits seit mehreren Wochen Routen und trainieren ihre Einsätze. Etwa 1400 Videokameras sind bereits in der Stadt installiert. In den Bergen sollen moderne Quad-Geländefahrzeuge aushelfen.

Besucher werden strikt kontrolliert

Von Dienstag (07.01.2014) an, also genau einen Monat vor Beginn der Spiele, treten in der Stadt am Schwarzen Meer nun besonders strenge Sicherheitsregeln in Kraft. Jeder, der dort länger als drei Tage bleiben möchte, muss sich bei den lokalen Behörden melden. Alle Besucher der Sportwettbewerbe bekommen einen speziellen Zuschauerpass, mit dem auch persönliche Daten direkt an die russischen Sicherheitsdienste übermittelt werden. Fahrzeuge aus anderen russischen Regionen werden nicht mehr nach Sotschi gelassen - es sei denn, es sind speziell akkreditierte LKWs, die die Stadt mit Lebensmitteln und anderen Produkten versorgen.

Routinemäßige Überprüfung der Ausweise bei Arbeitsmigranten (Foto: Mikhail Bushuev/DW)
Routinemäßige Kontrolle: Wer keine gültigen Papiere hat, muss gehenBild: DW/M. Bushuev

In Sotschi wurden bereits "Verbotszonen" eingerichtet mit gar keinen oder eingeschränkten Zugangsmöglichkeiten. Dazu gehört das Grenzgebiet zu der von Georgien abtrünnigen Republik Abchasien und die Berge hinter Krasnaja Poljana, wo die alpinen Wettbewerbe ausgetragen werden. Mit den Verbotszonen will man Terroristen aus dem Nordkaukasus rechtzeitig stoppen.

Währenddessen ist Moskau bemüht, alle ausländischen Gastarbeiter und Leute ohne gültige Papiere oder Registrierung nach Hause zu schicken. Patrouillen suchen Straßen nach Illegalen und nach herrenlosen Autos ab. Die Bewohner von Sotschi wurden aufgefordert, sich aktiv nach verdächtigen Personen oder Gegenständen umzuschauen.

Briefgeheimnis außer Kraft

Faktisch hebt Russland auch das Briefgeheimnis während der Winterspiele auf. Der staatliche Postanbieter "Potschta Rossii" hat bereits angekündigt, dass alle Pakete und Sendungen auf dem Weg ins Gebiet Krasnodar, zu dem Sotschi gehört, vom 1. Januar bis 31.März geöffnet werden müssen.

Genauso wenig kann man sich auf das elektronische Briefgeheimnis verlassen. Der russische Geheimdienst FSB will die gesamte Telekommunikation während der Spiele überwachen. Eigens für diesen Zweck wurde "Sorm", das russische Pendant zum US-amerikanischen Überwachungssystem "Prism", modernisiert.

Enorme Ausgaben für die Sicherheit

Nach den jüngsten Terroranschlägen in Wolgograd ist die bisherige Kritik an diesen zahlreichen Sicherheitsmaßnahmen in Sotschi verstummt. Auch der dafür betriebene finanzielle Aufwand wird nicht mehr in Frage gestellt. Dabei ist er enorm. Noch Anfang 2013 schätzte die russische Wirtschaftszeitung "Wedomosti" alle Sicherheitsausgaben auf zwei Milliarden US-Dollar. Mittlerweile geht man sogar von drei Milliarden Dollar aus.

Eine Polizeikontrolle auf der Straße im Dorf Rosa Khutor (Foto: Mikhail Bushuev/DW)
Allerorten Polizeipräsenz: Eine Kontrolle auf der Straße im Dorf Rosa KhutorBild: DW/M.Bushuev

Trotzdem schließen Experten nicht aus, dass es während der Spiele in Sotschi oder in einer anderen russischen Stadt Anschläge geben könnte. Jekaterina Sokirjanskaja von der International Crisis Group etwa sagt: "Der riesige Aufwand, der in Sotschi und anderen russischen Städten betrieben wird, kann keine Garantie dafür sein, dass nicht etwas während der Spiele passiert."