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Oleg Sentsov: "Ich bin kein Leibeigener"

Anastassia Boutsko22. Juli 2014

Er könne nicht wie ein Stück Land von der Ukraine nach Russland verschoben werden. Bis zum Prozessbeginn im Oktober muss Regisseur Sentsov in Moskau in Haft bleiben. Für seinen Anwalt ist das Verfahren rechtswidrig.

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Oleg Sentsov
Bild: picture-alliance/dpa

Ein Moskauer Gericht hat Sentsovs Untersuchungshaft um drei Monate verlängert. Der Anwalt des inhaftierten Filmregisseurs, Dmitrij Dinse, will das nicht akzeptieren. Im Gespräch mit der DW erläuterte er seine Verteidigungsstrategie. Diese beruhe darauf, dass sein Mandant kein Bürger der Russischen Föderation sei. Die russische Seite gehe davon aus, dass Sentsov, wie alle Anwohner der Krim nach der Eingliederung der Halbinsel in die Russische Föderation, russischer Staatsbürger geworden sei. "Mein Mandant hat aber nie einen Antrag auf Einbürgerung gestellt", betont Dinse.

Auch Sentsov sieht sich weiter als Bürger der Ukraine: "Ich war, bin und bleibe Bürger der Ukraine", sagte er bei einer Anhörung am 7. Juli 2014 im Gerichtssaal. Er habe die russische Staatsbürgerschaft nicht beantragt und auch nicht auf die ukrainische verzichtet. "Ich bin kein Leibeigener, den man mit seinem Stück Land weitergeben könnte." Er erkenne die Annexion der Krim durch Russland nicht an.

Der Filmemacher und Maidan-Aktivist Oleg Sentsov hatte die Revolution in der Ukraine unterstützt und sich gegen einen Anschluss der Krim an Russland ausgesprochen. Im Mai wurde der 37 Jahre alte Regisseur vom russischen Geheimdienst FSB in Simferopol verhaftet und einige Tage später in ein Gefängnis nach Moskau verlegt.

Russische Ermittler: "Sentsov ist ein Terrorist"

Dass Sentsovs Untersuchungshaft um drei Monate verlängert wird, hat ein Moskauer Gericht bei der Anhörung beschlossen. Damit hat die Richterin einem Antrag der Ermittler stattgegeben. Diese wiederholten bei dem Gerichtstermin am 7. Juli den Vorwurf, Sentsov habe Anfang Mai einen terroristischen Anschlag geplant. Er und seine Mitstreiter hätten Sprengkörper gebastelt. Das vermeintliche Ziel des Anschlags: die Krim-Zentrale der Putin-Partei "Einiges Russland" sowie die prorussische Initiative "Russische Liga der Krim". Es gebe "handfeste Hinweise auf terroristische Handlungen", so die Ermittler.

Vor Gericht bestritt Sentsov alle Vorwürfe: Die Anschuldigungen gegen ihn seien falsch und rein politisch motiviert. Er habe nie Angriffe auf der Krim oder anderswo geplant und sei nie Mitglied einer extremistischen Gruppe gewesen. In den Gerichtssaal wurde der Filmemacher von maskierten Sicherheitsbeamten in Handschellen geführt und verfolgte die Anhörung hinter Gittern. "Die Anklage baut auf Aussagen zweier Verdächtiger, die mich als Anführer einer Terroristengruppe bezeichnet haben. Ihre Aussagen haben sie aber unter Folter gemacht", so Sentsov. Er selbst sei nach der Festnahme in Simferopol auch "gefoltert und erniedrigt" worden.

Krim-Krise Proteste auf dem Maidan 23.03.2014 (Foto: EPA/Sergey Dolzhenko)
Krim-Krise: Proteste auf dem MaidanBild: picture-alliance/dpa

Filmschaffende und Politiker fordern "Gerechtigkeit für Sentsov"

In der Zwischenzeit wächst die Solidarität mit Sentsov sowohl in Russland als auch weltweit. Nachdem zahlreiche namhafte Mitglieder der Europäischen Filmakademie, darunter Wim Wenders, Pedro Almodovar, Andrzej Wajda oder Ken Loach in einem offenen Brief an Wladimir Putin für die Freilassung ihres Kollegen plädiert haben, fordern nun auch russische Künstler "Gerechtigkeit für Sentsov". Hunderte haben einen offenen Brief unterschrieben. Die Europäische Filmakademie hat zudem einen Fonds eingerichtet, um Oleg Sentsov zu helfen.

Bei der Abschlusszeremonie der Moskauer Filmfestspiele Ende Juni 2014 forderte Sergej Trimbatsch - Vorsitzende der Union der ukrainischen Filmschaffenden - auf der Bühne die Freilassung Oleg Sentsovs. Seinen Worten hat sich auch unerwartet der "russische Film-Zar" und Putin-Freund, Regisseur Nikita Michalkow angeschlossen: "Ich hoffe, wir beide, ich und Trimbatsch, werden erhört."

Regisseur Alexander Sokurow (Foto: imago)
Russischer Filmregisseur Alexander SokurowBild: imago/ITAR-TASS

Auch der russische Filmregisseur Alexander Sokurov hat sich mehrfach zum Fall geäußert: "Als Künstler mit einer erhöhten sozialen Verantwortung konnte Oleg angesichts der komplizierten und widersprüchlichen Lage in seiner Heimat nicht neutral bleiben", meint Sokurov. "Ich will unbedingt den nächsten Film von diesem höchst begabten Regisseur sehen. Ich warte schon sehnsüchtig auf diesen Film."

Der Ukrainischer Präsident Petro Poroschenko hatte am 13. Juli 2014 Wladimir Putin aufgefordert, Oleg Sentsov und andere ukrainische Häftlinge freizulassen. Nach dem russischen Antiterror-Gesetz drohen Sentsov bis zu 20 Jahre Haft.