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Ohne Kopftuch ins Fitnessstudio

Nadja Baeva3. Januar 2013

Strenggläubige Musliminnen in Köln haben seit fünf Jahren die Möglichkeit, Sport zu treiben, ohne gegen ihre Überzeugungen zu verstoßen. Für sie gibt es ein eigenes Fitnessstudio - ohne Männer.

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Zwei Frauen auf Laufbändern (Foto: Emine Aydemir)
Bild: Emine Aydemir

Das Laufband ist das Lieblingsgerät von Nurgül Koruk. Es macht nicht nur Spaß, darauf zu trainieren, sondern man kann auch gleichzeitig mit den Frauen nebenan sprechen. "Es ist witzig hier, wir haben viel zu lachen", sagt die 26-jährige Türkin. Nurgül hatte immer schon Spaß an Bewegung. In der Schule war sie eine der Besten im Sportunterricht. Auch das Kopftuch hat sie nie gestört und die Klassenkameraden kannten sie nicht anders.

Doch nach der Schule war es mit dem Sport vorbei: "Da ich bedeckt bin, konnte ich kein normales Fitnessstudio aufsuchen. Denn dort ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass auch Männer dabei sind oder dass die Trainer männlich sind." Die einzige Möglichkeit, Sport zu treiben, wäre für die junge Frau, zu Hause Gymnastik zu machen oder joggen zu gehen. Doch das ist bekanntlich nicht sehr abwechslungsreich.

Das Nischenstudio der besonderen Art

Zum Glück erfuhr sie von dem Fitnessstudio für muslimische Frauen im Kölner Stadtteil Bickendorf. Männer haben hier keinen Zutritt und deswegen können die Musliminnen ihre Kopftücher ablegen und sich frei bewegen. Den einzigartigen Club hat die Türkin Emine Aydemir im April 2007 eröffnet, denn sie kannte die Probleme ihrer Landsfrauen nur allzu gut.

"Da ich nach den Schwangerschaften viel zugenommen habe, wollte ich unbedingt etwas an meiner Figur machen. Deswegen habe ich mich in einem normalen Frauenfitnessstudio angemeldet und es hat mir sehr viel Spaß gemacht", so Aydemir. Doch leider konnte die Türkin da nicht ohne Kopftuch trainieren, weil der Besitzer, ein Mann, immer anwesend war. Oder der Fensterputzer oder der Postbote sei plötzlich reingekommen, erinnert sich die Fitnessstudioinhaberin.

Eine Frau trainiert im muslimischen Fitnessstudio in Köln (Foto: Emine Aydemir)
Auch nicht-gläubige Frauen trainieren im muslimischen Fitnessstudio in KölnBild: Emine Aydemir

So kam die 43-jährige Türkin auf die Idee, ein Fitnessstudio für muslimische Frauen zu eröffnen. Sie nannte es "Hayat", auf Deutsch "Leben". Da sie vorher schon einen Gemüseladen betrieben hatte, schreckten sie die Unsicherheiten der Selbstständigkeit nicht ab. Bei der Eröffnung startete sie mit 100 Mitgliedern. Heute sind es schon über 400.

Spezielle Regeln für muslimische Frauen

"Meine Kundinnen sind international. Ich habe türkische, arabische, jugoslawische und polnische Mitglieder", erzählt Aydemir. Es kämen auch nicht-muslimische Frauen, weil sie um die Ecke wohnten und weil der Mitgliedsbeitrag für ein Nischenstudio relativ günstig sei.

Ein reines Frauen-Fitnessstudio ist für Deutschland keine Neuheit. Doch im "Hayat“ herrscht nicht nur Männerverbot, sondern es gelten auch andere Regeln, die für Musliminnen eine wichtige Rolle spielen. "Bei uns im Islam dürfen sich die Frauen auch untereinander nicht so freizügig zeigen. Der Schambereich kann auf keinen Fall gezeigt werden. Wir haben hier keine Sammelduschen, nur Duschkabinen, die abgetrennt sind“, erklärt Aydemir. Auch in der Sauna dürfe man nicht splitternackt liegen, sondern nur mit einem Extra-Saunatuch umwickelt.

Ein vielfältiges Angebot

Emine Aydemir bietet ihren Kundinnen das übliche Programm eines normalen Studios: Fitness, Herz-Kreislauf-Training, Sauna und Solarium. Für jede Frau erstellt sie einen individuellen Trainingsplan. Auch für die Kinderbetreuung ist gesorgt - für die Kleinen gibt es einen eigenen Bereich.

Viele Frauen, die ins "Hayat" kommen, besuchen zum ersten Mal überhaupt in ihrem Leben ein Fitnessstudio. Die meisten von ihnen haben noch nie Sport getrieben, dabei haben aber gerade muslimische Frauen Bewegung dringend nötig. "Wir kochen Gerichte mit viel Fleisch, unser traditionelles Essen ist fettreich. Man frühstückt mit den Kindern, isst mit der Freundin zu Mittag und mit dem Mann zu Abend. Am Wochenende hat man Gäste oder ist selbst irgendwo zu Besuch. Und nicht zu essen ist unhöflich", erklärt Aydemir. Ohne körperliche Bewegung würden die Frauen schnell zunehmen, vor allem wenn sie nicht arbeiten.

Auch die Atmosphäre im "Hayat" ist anders als in den üblichen Fitnessstudios. Die türkische Popmusik, vermischt mit den angeregten Gesprächen, der Frauen erinnert eher an eine entspannte Party als an ein schweißtreibendes Training. "Wir sind eine kleine Familie geworden", berichtet die 22-jährige Besucherin Filiz Masas. "Alle kennen sich, wir machen untereinander Witze oder erzählen etwas und nebenbei machen wir Sport."