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Offensive gegen NGOs

Roman Goncharenko26. März 2013

Die Staatsanwaltschaft in Russland geht massiv gegen Nichtregierungsorganisationen vor. Auch deutsche Stiftungen sind betroffen. In Berlin wird die Kritik am Vorgehen der russischen Behörden immer lauter.

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Wladimir Putin Foto: Natalia Kolesnikova
Bild: Reuters

Wladimir Putin macht ernst. "Jede direkte oder indirekte Einmischung in unsere inneren Angelegenheiten ist inakzeptabel", sagte der russische Präsident auf einer Sitzung beim russischen Inlandsgeheimdienst FSB Mitte Februar. Die Botschaft galt klar den Nichtregierungsorganisationen (NGO) in Russland - und zwar sowohl den russischen als auch den ausländischen, die dort tätig sind.

Diejenigen, die sich politisch engagieren und Geld aus dem Ausland erhalten, müssen sich seit November 2012 als "ausländische Agenten" registrieren lassen. Doch das neue Gesetz wird ignoriert. Vertreter vieler NGOs, darunter prominente Menschenrechtler der Moskauer Helsinki-Gruppe oder von "Memorial", wollen sich nicht als "Agenten" brandmarken lassen. Laut einer Umfrage des Moskauer Meinungsforschungsinstituts Lewada-Zentrum vom Herbst 2012 fassen zwei Drittel der Russen die Bezeichnung "ausländischer Agent" negativ auf.

"Ausländische Agenten" gesucht

Bereits seit Anfang März läuft in Russland eine Kampagne gegen NGOs. Hunderte haben Besuch von Vertretern der Staatsanwaltschaft, der Steuerbehörde, des Innenministeriums oder des Geheimdienstes bekommen. Der verläuft meist so, wie jetzt aktuell beim Menschenrechtszentrum "Memorial" in Moskau. Ein Vertreter der Steuerbehörde erschien dort an diesem Dienstag (26.03.2013) vor 10.00 Uhr. Einige Stunden später kamen Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft, die sich Unterlagen zeigen ließen, berichtet ein DW-Korrespondent.

Geschäftsleiterin der Menschenrechtsorganisation "Memorial", Elena Zhemkova, bereitet sich für die Kontrollen vor Foto: Egor Winogradow
Memorial-Büro in Moskau: Vorbereitungen auf den Besuch staatlicher KontrollorganeBild: DW

Doch immer mehr NGOs protestieren gegen die Prüfungen durch staatliche Kontrollorgane. Der Koordinierungsrat des EU-Russland-Zivilgesellschaftsforums sprach in einer Erklärung von einer "Kampagne gegen zivilgesellschaftliche Organisationen" und forderte die Regierung auf, ihr Vorgehen gegen NGOs zu begründen. Das russische Justizministerium erklärte, mit den Prüfungen sollten "ausländische Agenten" im Sinne des neuen NGO-Gesetzes ausfindig gemacht werden.

Scharfe Kritik aus Berlin

Es sei die Suche nach "ausländischen Agenten", die russische Staatsanwälte erstmals auch in die Vertretungen deutscher politischer Stiftungen führte, sagte Peter Schulze der DW. Er ist der ehemalige Leiter des Moskauer Büros der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung (FES). "Es richtet sich weniger gegen die politischen Stiftungen Deutschlands selbst", meint er. Russische Fahnder seien vielmehr an den Kontakten der deutschen Stiftungen zu russischen NGOs interessiert und daran, "ob sie durch Finanzmittel unterstützt worden sind". Medienberichten zufolge sollen bei der FES in Moskau russische Behördenvertreter stundenlang Unterlagen gesichtet haben.

Auch die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) ist betroffen. Am Dienstag erhielt die KAS-Vertretung in Sankt Petersburg zum zweiten Mal Besuch von der Staatsanwaltschaft. Während beim ersten Mal nur ein Fragenkatalog übergeben wurde, sollen nun Computer beschlagnahmt worden sein. Der KAS-Vorsitzende Hans-Gert Pöttering kritisierte das Vorgehen der russischen Behörden scharf. Es sei "besorgniserregend und in keiner Weise zu akzeptieren".

Bundesaußenminister Guido Westerwelle ließ den russischen Gesandten Oleg Krasnitzki ins Auswärtige Amt laden. Dem russischen Diplomaten sei die Besorgnis der Bundesregierung über das konzertierte Vorgehen der russischen Behörden gegen zahlreiche NGOs übermittelt worden, hieß es aus dem Auswärtigen Amt in Berlin. Nun herrscht Verstimmung zwischen Berlin und Moskau, nur zwei Wochen vor dem geplanten Besuch der russischen Präsidenten in Deutschland. Wladimir Putin kommt zu der Eröffnung der Hannover Messe am 7. April, wo er auch die Bundeskanzlerin treffen wird. "Ich gehe davon aus, dass bei Putins Besuch die Dinge auch zur Sprache kommen", sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz, der DW.

Der Eingangsbereich des Auswärtigen Amtes in Berlin Foto: Tim Brakemeier (dpa)
Auswärtiges Amt in Berlin: Warnung an Russland wegen Vorgehen gegen NGOsBild: picture-alliance/dpa

Kreml extrem verunsichert

Noch ist unklar, welche Konsequenzen die laufenden Prüfungen für NGOs in Russland haben werden. Laut Gesetz drohen denjenigen, die sich weigern, sich bei den Behörden als "ausländische Agenten" führen zu lassen, Strafen von umgerechnet bis zu 10.000 Euro oder Lizenzentzug. Der ehemalige Leiter der Friedrich-Ebert-Stiftung, Peter Schulze, rät russischen NGOs, sich in jedem Fall registrieren zu lassen. Sollte deren Arbeit behindert werden, sollte man protestieren, so seine Botschaft.

Schulze sieht politische Gründe für das verschärfte NGO-Gesetz in Russland: "Man will präventiv sich wappnen". Der Kreml sei nach den Protesten gegen die Ergebnisse der Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im Jahr 2012 "extrem verunsichert". Die russische Führung glaube, die Proteste seien aus dem Ausland gesteuert worden, so Schulze. Die NGOs haben dies aber stets bestritten.