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Nächster Halt: deutscher Arbeitsmarkt

Sandra Butz11. März 2014

Halyna und Carmen wollen endlich arbeiten – doch der Weg hin zu einem festen Job und einer beruflichen Integration ist nicht leicht. Berufsbezogene Sprachkurse bereiten auf den Berufsalltag in Deutschland vor.

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Berufsbezogene Sprachkurse Vesbe e.V.
Halyna Ostertag (1.v.li.) und Carmen Lidia Herrera de Kast (6.v.li.) in ihrer KlasseBild: DW/S. Butz

Noch eine halbe Stunde, dann ist der Unterricht für den heutigen Tag vorbei. Seit morgens um halb neun sitzen die zwölf Frauen und Männer in dem hellen Klassenraum und büffeln über ihren Büchern. Die Stimmung ist auch nach vier Stunden Unterricht noch immer gut, es wird gelacht und gescherzt. Aus den Teilnehmern aus den unterschiedlichsten Ländern sind längst Freunde geworden, die Atmosphäre im Sprachkurs ist leicht und locker, trotz der schweren deutschen Grammatik-Kost. Beim Gebrauch der konditionalen Satzverbindung "wenn“ herrscht kurze Ratlosigkeit, doch Carmen Lidia Herrera de Kast erinnert schnell wieder. Auf eine Bedingungssatz mit "wenn“ folgt immer auch eine Folge mit "dann“, erklärt die temperamentvolle Mutter von fünf Kindern ihren Mitschülern.

Vor zehn Jahren kam Carmen Lidia Herrera de Kast auf Einladung ihrer Geschwister zum ersten Mal nach Deutschland. Sie lernte ihren jetzigen Ehemann kennen, den sie später in ihrer Heimat, der Dominikanischen Republik, heiratete. Sie entschieden sich für ein Leben in der Bundesrepublik, doch das Deutschlernen erwies sich für Carmen Herrera de Kast am Anfang als schwierig - mit kleinen Kindern gab es kaum geeignete Möglichkeiten. 2012 begann sie an der Volkshochschule Deutsch zu lernen und stieß anschließend über das Jobcenter auf die Angebote von Vesbe e.V., dem Verein für Europäische Sozialarbeit, Bildung und Erziehung.

Gezielte Vorbereitung auf den eigenen Wunschjob

Die berufsbezogenen Sprachkurse bietet Vesbe e.V. als Kooperationspartner der Euro-Schulen vom Bildungsanbieter Primus Rheinland GmbH an. Zuvor können Integrationskurse belegt werden, in denen hauptsächlich Deutsch gelernt wird; am Ende gibt es zusätzlich einen Orientierungskurs, bei dem politische, landeskundliche und interkulturelle Themen angeschnitten werden. Ziel der berufsbezogenen Sprachkurse ist es, die Teilnehmer für den Berufsalltag sprachlich fit zu machen. Die sogenannten ESF-BAMF Kurse werden vom Europäischen Sozialfond (ESF) und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) finanziert. Der gesamte Kurs ist für die Teilnehmer kostenlos; auch die Kosten für Lehrbücher und sonstige Materialien werden übernommen.

Zusammen mit einem Lehrer erweitert die Klasse ihr Vokabular und lernt zu diskutieren, zu verhandeln und sich bei Vorstellungsgesprächen zu präsentieren. Auch die Gepflogenheiten in Deutschland werden thematisiert. "Das sind Dinge, die in den Integrationskursen auf dem niedrigeren Niveau nur so angetippt werden“, erklärt Katja Schöneborn, eine der Sprachkurslehrerinnen in Siegburg. Die gelernte Bildungswissenschaftlerin unterrichtet schon seit 15 Jahren Deutsch als Fremdsprache und leitet bei Vesbe e.V. Integrations- und berufsbezogene Sprachkurse. Die berufsbezogenen Sprachkurse seien für sie immer eine ganz besondere Herausforderung. Es mache unheimlich Spaß zu sehen, was für ein Potenzial in den Teilnehmerinnen und Teilnehmer steckt und wie sie sich mit der Zeit entwickeln. Zu den Kursinhalten gehören ebenso ein dreiwöchiges Praktikum, EDV-Unterricht, Bewerbungstraining und mehrere Betriebsbesichtigungen mit der ganzen Klasse.

Berufsbezogene Sprachkurse Vesbe e.V.
Für eine Chance auf dem Arbeitsmarkt drücken die Teilnehmer nochmal die SchulbankBild: DW/S. Butz

Praktika als Einstiegshilfen

Inzwischen hat Carmen de Kast ihren Integrationskurs abgeschlossen und bereitet sich mit Hilfe des angeschlossenen berufsbezogenen Sprachkurses auf die Arbeit als Einzelhandelsverkäuferin vor. Einen Praktikumsplatz hat sie auch schon gefunden, bei Kaufhof, erzählt sie stolz und die Vorfreude steht ihr ins Gesicht geschrieben. "Als alles geklappt hat, dachte ich nur 'Jawohl!'“, berichtet sie lachend.

"Wir hatten schon Fälle, dass Teilnehmer direkt nach dem Praktikum von den Betrieben übernommen wurden“, berichtet Darya Wagner, Ansprechpartnerin und Maßnahmenleiterin der ESF-BAMF Kurse in Siegburg. Wie es mit den Teilnehmern nach den Kursen weiter geht, sei ganz unterschiedlich. Bei vielen deute es sich schon während des Kurses an, dass sie einen anschließenden Ausbildungsplatz bekommen, erzählt Sabina Marie, eine von zwei Sozialpädagoginnen am Standort Siegburg.

Berufsbezogene Sprachkurse Vesbe e.V. Darya Wagner
Darya Wagner, Leiterin der berufsbezogenen SprachkurseBild: DW/S. Butz

Mehr als nur Sprachunterricht

Schmunzelnd erzählt die Lehrerin Katja Schöneborn, dass sich einige ihrer Kursteilnehmer sogar überlegen, sich erst ein wenig später zu bewerben, weil sie den Kurs auf jeden Fall zu Ende machen wollen. "Das freut einen natürlich, dass sie da so einen Spaß dran haben.“ Ihre Befürchtungen, die Teilnehmer, die alle von den Jobcentern geschickt werden, hätten meist nicht wirklich Lust, haben sich nicht bewahrheitet. "Alle sind super motiviert“, schwärmt sie. Und das aus gutem Grund: die berufsbezogenen Sprachkurse sind für die Teilnehmer das Sprungbrett auf den deutschen Arbeitsmarkt.

Auch Halyna Ostertag fühlt sich in ihrer Gruppe richtig wohl. "Der Sprachkurs gefällt mir wirklich sehr und bringt mir viel.“ Sie habe auch viele Freundinnen kennen gelernt, meint die gebürtige Ukrainerin mit einem Lächeln. Zielstrebig verfolgt sie ihr Ziel, in Deutschland als Erzieherin zu arbeiten. In ihrer Heimat war sie Lehrerin von Beruf, doch ihr Diplom wurde hier in Deutschland nicht anerkannt und sie musste sich umorientieren – der Sprachkurs ist ihr dabei eine große Hilfe.

Zusätzlich zum Sprachunterricht stehen den Teilnehmern auch Sozialpädagogen zur Seite, die ganz individuelle Förderung und Beratungen anbieten können. Sie unterstützen, wo es ihnen möglich ist, ob beim Schriftverkehr mit den Behörden, bei der Suche einer Kinderbetreuung oder aber bei persönlichen Problemen. "Viele sind in einer beruflichen Schwebesituation; sie wissen nicht, was nach dem Kurs kommt“, sagt Sabina Marie. Für jedes Problem versuchen die Sozialpädagogen eine Lösung zu finden und leiten sie an zuständige Behörden weiter.

Berufsbezogene Sprachkurse Vesbe e.V. Darya Wagner
Sozialpädagogin Sabina Marie in einem BeratungsgesprächBild: DW/S. Butz

Für Lehrerin Katja Schöneborn ist es besonders wichtig, dass die Teilnehmer nach den Integrationskursen nicht alleine gelassen werden, sondern die Möglichkeit haben, ihre Kompetenzen weiter auszubauen. Für sie ist es eine der Hauptaufgaben der berufsbezogenen Sprachkurse, den Teilnehmern weitere Perspektiven aufzuzeigen. "Viele haben wirklich sehr viel Hoffnung geschöpft durch diese Kurse.“

Alle Teilnehmer und Angestellte scheinen sich dem gleichen Ziel verschrieben zu haben: eine echte Chance auf ein erfolgreiches Berufsleben in Deutschland. Halyna Ostertag und Carmen Lidia Herrera de Kast glauben fest daran, doch nun müssen sie schnell nach Hause: Die Familie und die Hausaufgaben für den nächsten Tag warten schon.