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Neuer Rettungsversuch

Bernd Riegert 27. November 2012

Die Euro-Finanzminister sollen mit der Rettung des überschuldeten Griechenland "zu Potte kommen", sagt der Chef der Euro-Gruppe Jean-Claude Juncker. In Brüssel wird wieder getagt. Ergebnis erwünscht, aber nicht sicher.

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Eine EU-Fahne weht über der Akropolis in Athen (Archivfoto: picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Nach dem verpatzten EU-Gipfel zur Finanzplanung hat ein Teil der Europäischen Union, die 17 Staaten der Euro-Gruppe, am Montag (26.11.2012) die Chance, Handlungsfähigkeit zu demonstrieren. Zum dritten Mal wollen die Finanzminister unter Leitung von Luxemburgs Ministerpräsident Jean-Claude Juncker versuchen, die Auszahlung der nächsten Tranche des Hilfspakets für das fast zahlungsunfähige Griechenland zu beschließen. Juncker machte vor dem Treffen in Brüssel klar, dass seine Geduld endlich ist. "Ich bin der Meinung, dass wir am Montag zu Potte kommen müssen. Denn die Lage ist so, dass wir jetzt wirklich abschließend beraten müssen." Am Freitag sagte er, die Probleme seien bei weitem noch nicht ausgeräumt.

Am Samstag hielt Juncker eine Telefonkonferenz mit den Finanzministern der Euro-Gruppe ab, um das eigentliche Treffen am Montag vorzubereiten. Über die Ergebnisse der Telefonkonferenz wurde offiziell nichts mitgeteilt. Während des EU-Gipfels hatte der Vorsitzende der Euro-Gruppe bereits einzelne Staats- und Regierungschefs ins Gebet genommen, um ihnen klar zu machen, wie dringlich eine Lösung für Griechenland ist. "Ich hatte eine gute Arbeitssitzung mit meinem guten Freund Antonis Samaras, und noch länger habe ich mit Bundeskanzlerin Merkel und anderen Regierungschefs über Griechenland gesprochen", sagte Jean-Claude Juncker nach Ende des Gipfeltreffens in Brüssel.

Luxemburgs Premierminister Juncker umarmt beim Finanzministertreffen den griechischen Finanzminister Stounaras REUTERS/Yves Herman (BELGIUM - Tags: POLITICS BUSINESS)
Herzliche Athmosphäre, aber harte Verhandlungen: Euro-Gruppen-Chef Juncker (M.)Bild: Reuters

Euro-Gruppe sucht 14 zusätzliche Milliarden

Am vergangenen Montag war es den 17 Euro-Staaten und der Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, nicht gelungen, die Finanzierung des erforderlichen Griechenland-Pakets auszuhandeln. Das Problem: Griechenland braucht als nächste Tranche nicht nur die geplanten 31 Milliarden Euro, sondern 45 Milliarden Euro, um über die Runden zu kommen. Den Griechen soll wegen der schweren Rezession eine zusätzliche Frist von zwei Jahren eingeräumt werden, um auf ein erträgliches Schuldenniveau zu kommen. Diese Streckung kostet etwa 14 Milliarden an zusätzlichen Mitteln. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble lehnt es ab, ein zusätzliches Hilfsprogramm für Griechenland aufzulegen und vom Bundestag in Berlin genehmigen zu lassen. Deshalb haben sich die Experten der Euro-Gruppe daran gemacht, andere Finanzierungsquellen zu prüfen. Der Instrumentenkasten reicht von Zinserleichterungen für laufende Kredite über Zinsverzicht durch die Europäische Zentralbank bis zum Rückkauf von alten griechischen Schulden auf den Finanzmärkten. Ob mit diesen Maßnahmen tatsächlich 14 Milliarden Euro zusammenkommen, ist fraglich, heißt es aus Kreisen der Euro-Gruppe. Eventuell soll die neue Tranche für Griechenland in kleinere Summen aufgespalten werden, um die Finanzierung nach und nach zu regeln. Die Euro-Gruppe würde die Hilfszahlungen sozusagen in Raten abstottern.

Der erwogene Rückkauf von griechischen Schulden zu einem geringen Wert auf den Finanzmärkten droht zu scheitern, da die Kurse für diese Titel bereits anziehen, hieß es aus Kreisen der Euro-Gruppe. Große Hegdefonds sollen sich nach Angaben von Finanzmarkt-Händlern mit den Schuldentiteln eindecken, um vom Rückkauf zu profitieren.

"Griechenland hat geliefert" - allerdings zu spät

Das Zögern der Euro-Gruppe bringt den griechischen Ministerpräsident Antonis Samaras in Rage. Am Rande des EU-Gipfels sagte er Reportern mit ernster, fast schon ärgerlicher Mine: "Wir haben unsere Pflicht erfüllt. Jetzt sind unsere europäischen Partner und der Internationale Währungsfonds an der Reihe, ihren Teil zu liefern." In der Tat hatte die Prüfer-Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds Griechenland bescheinigt, dass die notwendigen rigiden Sparprogramme und Reformen beschlossen worden sind. Mit der Umsetzung solcher Beschlüsse hinkt Griechenland aber hinter dem Zeitplan hinterher. Auch deshalb sind zwei weitere zusätzliche Jahre notwendig, bis die Schuldenlast auf das anvisierte Maß von 120 Prozent gedrückt werden kann, so der Troika-Bericht. Außerdem falle die Rezession schwerer aus als angenommen.

Archivbild. Luxemburgs Premier Juncker besucht seinen Amtskollegen Samaras in Athen EPA/ALKIS KONSTANTINIDIS
Griechenlands Premier Samaras (re.) wird ungeduldigBild: picture-alliance/dpa

IWF könnte einlenken

Nach unbestätigten Angaben aus Kreisen der Euro-Gruppe hat IWF-Chefin Lagarde ihren Widerstand gegen eine Streckung des Zeitplans inzwischen aufgegeben. Der IWF soll bereit sein, im Jahr 2020 einen Schuldenstand in Griechenland von 124 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung (BNE) hinzunehmen. Geplant waren 120 Prozent. Derzeit machen die Schulden rund 170 Prozent des BNE aus. Wegen der anhaltenden Rezession werden sie auch im nächsten Jahr noch weiter steigen.

Ex-Chef der Deutschen Bank für zweiten SchuldenschnittDer ehemalige Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, sagte im Südwestrundfunk, ein zweiter Schuldenschnitt für Griechenland sei nötig. "Ist es jetzt der richtige Zeitpunkt oder erst am Ende des Prozesses? Das ist eigentlich wirtschaftlich nicht relevant, sondern eher eine politische Frage", sagte Ackermann in dem Hörfunk-Interview. Viele Mitgliedstaaten der Euro-Gruppe und die Europäische Zentralbank lehnen einen solchen Schuldenerlass ab, weil sie selbst die Gläubiger Griechenlands sind und hohe Verluste machen würden. Im März 2012 hatten private Gläubiger wie Banken, Großanleger und Versicherungen auf einen Teil ihrer Ansprüche gegen Griechenland verzichtet. Finanzexperte Josef Ackermann rechnet ganz fest mit einem Schuldenschnitt für die öffentlichen Gläubiger. "Irgendwann wird er kommen müssen, ich kann mir nicht vorstellen, dass Griechenland selbstständig aus dieser Misere herauskommt, weil einfach die Wachstumsimpulse zu schwach sind", sagte Ackermann. Griechenland müsse mehr tun und besser mit der Wirtschaft zusammen arbeiten. "Es muss natürlich auch attraktiver werden in Griechenland zu investieren", so Ackermann. "Dazu gehören auch Reformen struktureller Art, aber auf der anderen Seite kann man keine Wunder dort erwarten."

Spitzen-Bankier Ackermann will Schuldenerlass Foto: Mario Vedder/dapd
Spitzen-Bankier Ackermann: Staaten sollten Griechen Schulden erlassenBild: dapd

Schuldenstand bleibt zu hoch

Der ehemalige Chef der Deutschen Bank plädiert dafür Griechenland in der Euro-Zone zu halten. Ein Austritt sei noch teurer als eine Rettung, so Josef Ackermann. Der Finanzexperte Max Otte sieht das anders. Er sagte im Bayrischen Rundfunk, Griechenland brauche einen Schuldenschnitt, müsse aus der Euro-Zone austreten und dann mit eigener, abgewerteter Währung einen neuen Start wagen. Einig sind sich Ackermann und Otte also in Sachen Schuldenschnitt, denn die Schulden werde Griechenland auf keinen Fall abbauen können. "Der Schuldenstand bleibt mehr oder weniger bestehen, wird eher noch tendenziell größer. Deshalb wird es am Schluss zu einer Bereinigung kommen, was meines Erachtens auch nicht so dramatisch ist", gab Josef Ackermann der am Montag erneut tagenden Euro-Gruppe mit auf den Weg. Finanzexperte Max Otte sagte, dass die Milliardenkredite hauptsächlich den Gläubigern, aber nicht den Menschen in Griechenland direkt zu gute kämen. "Die Zinsen werden gezahlt und die Schulden bedient. Es werden Banken gerettet und nicht Griechenland." Von "Griechenland-Rettung" zu sprechen sei  falsch, so Otte.

Griechenland hält sich derzeit mit kurzfristigen Anleihen, die indirekt von der Europäischen Zentralbank finanziert werden, über Wasser. Eigentlich wäre das Land bereits vergangenen Freitag zahlungsunfähig gewesen.