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NSU-Prozess: Nazi-Demo für Wohlleben

Marcel Fürstenau3. März 2015

Es ist eine Solidaritätsaktion für den inhaftierten Rechtsextremisten, dem Beihilfe zum Mord vorgeworfen wird. Der Verhandlungstag fällt aber aus - wegen der Hauptangeklagten Beate Zschäpe. Marcel Fürstenau aus München.

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Plakat 'München ist bunt' vor Polizisten und Demonstranten mit dem Plakat 'Die Rechte' (Foto: Peter Kneffel/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/P. Kneffel

"Nazis raus! Nazis raus!" Rund 100 Menschen demonstrieren am Dienstag vor dem Münchener Oberlandesgericht (OLG) gegen den Aufmarsch der Anhänger der Partei "Die Rechte". Die zehn überwiegend jungen Männer und eine Frau machen keinen Hehl aus ihrer Gesinnung. Der Prozess gegen den "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) ist in ihren Augen und Köpfen eine "NSU-Show". Dass sie ihren provozierenden Aufmarsch gerade für diesen sonnigen Tag angemeldet haben, ist kein Zufall. Am vergangenen Freitag feierte Ralf Wohlleben seinen 40. Geburtstag - im Gefängnis. Der Rechtsextremist aus Jena sitzt - abgesehen von der mutmaßlichen Rechtsterroristin Beate Zschäpe, der Hauptangeklagten - als Einziger hinter Gittern. Drei weitere wegen Beihilfe im NSU-Prozess Angeklagte sind auf freiem Fuß.

Als die Wohlleben-Sympathisanten am Morgen das Gerichtsgebäude in der Nymphenburger Straße erreichen, werden sie von der Polizei und Gegendemonstranten empfangen. Sie verschanzen sich hinter rot-weißen Absperrgittern und entrollen ihre Transparente. "Freiheit für die politischen Gefangenen in der BRD" steht auf einem. Wohlleben ist in ihrem Weltbild ein Opfer der Justiz und für sie ein "Held". Wortführer der Kundgebung ist der stadtbekannte Rechtsextremist Philipp Hasselbach. Der Kreisvorsitzende der Neonazi-Partei "Die Rechte" dringt aber kaum durch. Die Gegendemonstranten übertönen Hasselbach und seine Kameraden 90 Minuten lang mit Trillerpfeifen und Trommeln. "Es gibt kein Recht auf Nazi-Propaganda", skandieren sie unentwegt. Ein älterer Mann ruft: "Ihr seid die Sympathisanten von Mördern!"

Rechtsextreme Demonstranten mit dem Plakat 'Die Rechte' (Foto: Marcel Fürstenau)
Den Anhängern der Partei 'Die Rechte' stellten sich zahlreiche Gegendemonstranten entgegenBild: DW/M. Fürstenau

Nebenkläger-Anwalt Scharmer: "Unerträglich!"

Am Rande des Geschehens stehen auch Anwälte von Nebenklägern im NSU-Prozess. Sebastian Scharmer, der die Tochter des 2006 in Dortmund ermordeten Mehmet Kubasik vertritt, findet die Nazi-Demo "unerträglich". Es sei eine Provokation für die Hinterbliebenen der NSU-Opfer und die Verletzten. Der Berliner Jurist hält die Aktion aber auch für einen weiteren Beleg nicht nur seiner These, der NSU sei von einem weitverzweigten "Netzwerk" unterstützt worden. Die Staatsanwaltschaft hingegen hält auch 22 Monate nach Prozess-Beginn, nach 188 Verhandlungstagen an ihrer Überzeugung fest, die zehn rassistischen Morde des NSU gingen allein auf das Konto von Beate Zschäpe und ihrer ums Leben gekommenen Komplizen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos.

"Freiheit für die politischen Gefangenen in der BRD" steht auf dem Transparent der NSU-Sympathisanten.
Rechte Demonstranten stilisieren die Angeklagten im NSU-Prozess zu MärtyrernBild: DW/M. Fürstenau

Als sich draußen die Nazi-Demo samt Begleiterscheinungen langsam auflöst, warten im Gerichtssaal A 101 alle auf die Fortsetzung des NSU-Prozesses. Auf der Zuschauer-Tribüne haben in der ersten und zweiten Reihe fünf uniform gekleidete Männer und Frauen Platz genommen. Alle tragen ein blaues T-Shirt, auf dem unübersehbar groß eine weiße "40" prangt. Damit wollen sie vier Tage nach dessen Geburtstag ihrem rechtsextremen Kampfgefährten Ralf Wohlleben gratulieren. Doch die Nazi-Delegation wartet vergeblich auf den Mann, der laut Anklage entscheidend an der Beschaffung der Mordwaffe vom Typ "Ceska" beteiligt gewesen sein soll. Weder Wohlleben noch Zschäpe lassen sich sehen, obwohl ihre Strafverteidiger schon lange im Saal sind. Von den Angeklagten hat nur André Eminger Platz genommen. Oben auf der Tribüne sitzt sein Zwillingsbruder Maik. Auch er trägt ein blaues T-Shirt.

Eigentlich hätte die Verhandlung schon vor gut einer Stunde beginnen müssen. Doch dazu kommt es an diesem Tag überhaupt nicht mehr. Eine Justizbeamtin teilt über Lautsprecher kurz und knapp mit, der Prozesstag falle aus. Der Grund: Beate Zschäpe sei krank. Es ist schon das dritte Mal in diesem noch jungen Jahr. Erst in der vergangenen Woche wurde die Verhandlung deswegen nach wenigen Stunden unterbrochen. Über die Absage des 189. Verhandlungstages werden sich am meisten jene ärgern, die extra wegen ihres Nazi-Idols Ralf Wohlleben zum NSU-Prozess nach München gekommen sind. Ihre geschmacklosen Geburtstagsgrüße bekommt der Angeklagte nicht zu sehen.