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Was wusste Merkel?

Carla Bleiker20. Juli 2013

Das Parlamentarische Kontrollgremium möchte herausfinden, welche Informationen die Bundesregierung wirklich über NSA-Aktivitäten in Deutschland hatte. Doch die Möglichkeiten des Bundestagsgremiums sind begrenzt.

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Türschild NSA (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Waren die deutschen Geheimdienste über die Abhöraktivitäten der US-Amerikaner informiert? Und wie viele Anschläge wurden in Deutschland durch Informationen des US-Geheimdienstes NSA verhindert? Das waren zwei der zentralen Fragen, um die es im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) ging, vor dem Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) am Dienstag (16.07.2013) erschien, um Auskunft über seine jüngste USA-Reise zu geben. Friedrich war nach Washington geflogen, um dort Informationen über die Internetüberwachung von Bundesbürgern durch die NSA zu verlangen.

Aufgaben des Kontrollgremiums

Was genau Friedrich dem PKGr jetzt sagte, ist nicht bekannt, denn der sogenannte "Geheimdienstausschuss" des Bundestages kommt unter Ausschluss der Öffentlichkeit zusammen. Seine Aufgabe ist die Kontrolle der deutschen Geheimdienste: des Bundesnachrichtendienstes (BND), des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) und des Verfassungsschutzes. Die elf Mitglieder aus allen im Parlament vertretenen Parteien sollen als gewählte Volksvertreter die Aktivitäten der Geheimdienste und deren Beziehungen zur Regierung im Auge behalten. Die Abgeordneten dürfen aber nichts von dem, was sie in den Sitzungen hören, an Fraktionskollegen oder die Öffentlichkeit weitergeben.

"Wir können innerhalb des Gremiums weitere Informationen fordern, wir können Akteneinsicht fordern, wir können auch Personen aus der Bundesregierung zur Berichterstattung heran bitten", erläutert Gremiumsmitglied Hans-Christian Ströbele die Arbeit des PKGr. "Wir können da schon einiges bewegen, allerdings nur, wenn die Bundesregierung uns auch Auskunft gibt", so der Grünen-Abgeordnete im DW-Interview.

Christian Ströbele (Foto: dpa)
Abgeordneter Ströbele: "Das Kontrollgremium ist nur effektiv, wenn die Regierung kooperiert"Bild: picture-alliance/dpa

Wolfgang Nešković, ehemaliges Mitglied des Geheimdienstausschusses, kritisiert die Hilflosigkeit des Gremiums. Die Mitglieder könnten Regierung und Geheimdienste nicht zwingen, Informationen preiszugeben. Die Kontrollfunktion sei damit praktisch ausgehebelt. "Das wäre vergleichbar mit einer Fahrscheinkontrolle bei der Deutschen Bahn, bei der sich der Kontrolleur nicht die Fahrscheine der Fahrgäste zeigen lässt, sondern sich nur mit deren Zusicherung begnügt, sie besäßen einen gültigen Fahrausweis", beschreibt Nešković die Arbeit des PKGr.

Merkel soll aussagen

Hans-Christian Ströbele ist mit der Informationspolitik der Regierung gegenüber dem Gremium ebenfalls nicht zufrieden. Er verlangt, dass die Kanzlerin persönlich vor dem PKGr aussagt. "Sie soll selber mal dem Parlament gegenüber äußern, was sie wusste und was sie weiß. Das müssen wir bisher immer ihre Minister fragen", sagt Ströbele. "Sie ist nun mal Chefin des Kanzleramtes und das Kanzleramt ist Chef des Bundesnachrichtendienstes." Also müsse Merkel mehr über die NSA-Überwachung von deutschen Bürgern wissen, als sie bisher zugegeben hat, so Ströbele.

Angela Merkel (Foto: AFP)
Regierungschefin Merkel: Kritiker sagen, die Kanzlerin wisse mehr über die NSA-Aktivitäten, als sie zugibtBild: AFP/Getty Images

Laut Medienberichten hat der Bundesnachrichtendienst bei Geiselnahmen in den vergangenen Jahren immer wieder die NSA um gespeicherte Kommunikationsdaten von entführten Deutschen gebeten. Da liegt die Frage natürlich nahe: Woher wusste der BND, dass es diese Daten gab, und muss dann die Regierung nicht auch davon gewusst haben?

"Frau Merkel wird so tun, als ob sie nichts wusste", sagte Steffen Bockhahn, der für die Linke im PKGr sitzt, dem Norddeutschen Rundfunk. "Dass wir sehr viele Daten von den Amerikanern und Briten bekommen haben, das weiß das Bundeskanzleramt und das sollte dann auch die Kanzlerin selbst wissen", ist sich Bockhahn sicher.

Friedrich sitzt mit US Vizepräsident Joe Biden und anderen Diskussionspartnern an einem Tisch im Weißen Haus (Foto: Weißes Haus)
Innenminister Friedrich bei US-Vizepräsident Biden: "Zu wenig Informationen"Bild: picture-alliance/dpa

Bundesinnenminister Friedrich hatte nach seiner USA-Reise versucht, die Überwachung durch die NSA mit dem Anti-Terror-Kampf zu rechtfertigen. Er behauptete, fünf Attentate in Deutschland seien durch Hinweise von US-Geheimdiensten vereitelt worden. Konkrete Angaben kann das Bundesinnenministerium aber nur zu zwei Fällen machen. Hierbei handelt es sich um Anschlagspläne der sogenannten "Sauerlandgruppe" und der "Düsseldorfer Zelle".

Die Oppositionsvertreter im PKGr sind skeptisch: "Wenn der Innenminister ins Weiße Haus fährt und ihm dort gesagt wird, fünf Anschläge seien verhindert worden, und er nur zwei kennt, dann wäre es eigentlich naheliegend zu fragen, welches sind die anderen drei", sagte der Vorsitzende des PKGr, Thomas Oppermann (SPD), dem Deutschlandfunk. Auch er wolle, dass Terroranschläge verhindert werden, "aber das rechtfertigt natürlich nicht die Totalausspähung der gesamten Bevölkerung durch einen fremden Nachrichtendienst."