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NPD-Verbot? Nein danke!

Marcel Fürstenau30. April 2015

Warum Politiker wie Volker Beck (Grüne) das Verfahren gegen die rechtsextreme Partei ablehnen und den Gang vor das Verfassungsgericht für "Staatstheater" halten.

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"NPD-Verbot jetzt" fordern Demonstranten auf einer Kundgebung 2014 in Cottbus.
Bild: picture-alliance/dpa/A. Franke

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Am 23. März dürfte Volker Becks Skepsis noch ein bisschen größer geworden sein, dass die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) verboten werden wird. An diesem Tag sorgte die Nachricht für Aufsehen, dass der Bundesrat für seinen bereits Ende 2013 beim Bundesverfassungsgericht eingereichten Verbotsantrag nachbessern muss. Dem innenpolitischen Sprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis 90 / Die Grünen wäre es ohnehin lieber gewesen, wenn die Politik auf den zweiten Versuch verzichtet hätte.

Der erste war 2003 gescheitert, weil das Gericht die von Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat vorgelegten Beweise für die vermeintliche Verfassungswidrigkeit der NPD anzweifelte. Es hatte sich nämlich herausgestellt, dass ein Großteil des vorgelegten Materials von V-Leuten des Verfassungsschutzes stammte, die der NPD-Führungsspitze angehörten. Dieser peinliche Fehler sollte kein zweites Mal passieren. Also vermeldete der Bundesrat als alleiniger Antragsteller für das zweite Verbotsverfahren, sämtliche V-Leute seien bereits 2012 abgezogen worden. Im Geheimdienst-Jargon heißt es dann, die menschlichen Quellen (V-Leute) seien "abgeschaltet".

Es geht mal wieder um den Einfluss der V-Leute

Dem zweiten Senat unter Vorsitz des Gerichtspräsidenten Andreas Voßkuhle ist diese pauschale Behauptung jedoch zu wenig. Der Bundesrat hat nun noch bis Mitte Mai Zeit, die geforderten Beweise nachzuliefern, "insbesondere hinsichtlich der Zahl und des Ablaufs der Abschaltungen". Sollte das Verfassungsgericht dann überzeugt sein, würde es die Verhandlung wahrscheinlich im Herbst eröffnen. Dann wäre man immerhin schon einen Schritt weiter als 2003. Damals scheiterten die Antragsteller schon an der ersten Hürde. Über die Frage, ob die NPD gemäß Artikel 21 Grundgesetz verfassungswidrig ist, wurde erst gar nicht verhandelt.

Reihenweise Akten lieferte das Bundesinnenministerium (BMI) für den ersten NPD-Verbotsantrag.
Reihenweise Akten lieferte das Bundesinnenministerium (BMI) für den ersten NPD-Verbotsantrag. Dieses Mal ist der Bundesrat auf sich allein gestellt.Bild: picture-alliance/dpa

Parteien können auf der Basis dieses Artikels verboten werden, wenn sie "nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden". Grünen-Politiker Beck spricht der NPD dieses Potenzial im DW-Interview schlichtweg ab. Man tue der rechtsextremen Partei zu viel der Ehre an, wenn man behaupte, "sie könne tatsächlich Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in Deutschland womöglich beseitigen".

Auch NSU-Experte Binninger zweifelt am Erfolg

Mit seiner ablehnenden Haltung befindet sich Beck in guter Gesellschaft. Skeptiker finden sich quer durch die im Bundestag vertretenen Parteien. CDU-Innenpolitiker Clemens Binninger ist gespannt, "wie die Länder jetzt nachweisen wollen, dass sie keine V-Leute mehr einsetzen". Mit dem Thema kennt sich der Christdemokrat bestens aus, er war Obmann im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Nationalsozialistischen Untergrund (NSU). Das Auffliegen der rechten Terrorgruppe, die für zehn rassistisch motivierte Morde verantwortlich sein soll, war der entscheidende Impuls für den zweiten NPD-Verbotsantrag.

Sollte das Verfassungsgericht Einblick in Akten von V-Leuten verlangen, "könnte es für die Länder schwierig werden", befürchtet Binninger. Wie wichtig der sogenannte Quellenschutz dem deutschen Inlandsgeheimdienst ist, zeigt sich beim NSU-Prozess in München. In dem spektakulären Strafprozess gegen Beate Zschäpe und vier weitere Angeklagte haben etliche V-Leute und ihre staatlichen Lenker als Zeugen ausgesagt. Akten aus den Verfassungsschutzämtern des Bundes und der Länder blieben jedoch unter Verschluss. Lückenlose Aufklärung ist damit garantiert ausgeschlossen.

NPD-Demonstranten im April 2014 auf einer Kundgebung in Berlin
NPD-Demonstranten im April 2014 auf einer Kundgebung in BerlinBild: picture-alliance/dpa

Die offenkundige Verknüpfung des NSU-Komplexes mit dem angestrebten NPD-Verbot ist aus Sicht der Gegner ein weiterer Beleg für die Hilflosigkeit der Politik mit dem Rechtsextremismus. Zahlreiche Skeptiker begründen ihre ablehnende Haltung nun in einem Buch mit dem vielsagenden Titel "Verbot der NPD - ein deutsches Staatstheater in zwei Akten". Unter den Autoren und Interviewten sind kritische Geister aus den verschiedensten Bereichen. Die Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger und Bernhard Schlink gehören ebenso dazu wie der Kulturwissenschaftler Claus Leggewie und der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichtes Hans-Jürgen Papier.

Herausgeber Horst Meier ist promovierter Jurist und Publizist. In seiner Doktorarbeit befasste er sich mit den erfolgreichen Verbotsverfahren gegen die neonazistische Sozialistische Reichspartei (SRP) und die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD). Die Urteile ergingen 1952 und 1956, also in der frühen Phase der Bundesrepublik. Die Demokratie war damals, wenige Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, längst nicht so gefestigt wie heute. Die erst 1964 gegründete NPD sei auf dem "absteigenden Ast", meint Meier. Den neuerlichen Verbotsantrag hält er für ein "Ablenkungsmanöver" der Politik. Grünen-Politiker Beck warnt vor einem verengten Blick. Wer glaube, die Gefahr von rechts gehe allein von der NPD aus, "der täuscht sich".

Grünen-Politiker Volker Beck
Grünen-Politiker Volker BeckBild: picture-alliance/dpa/Karlheinz Schindler

Ist die NPD "aggressiv-kämpferisch"?

Manche Befürworter des Verbotsantrages gaben sich vielleicht sogar der Hoffnung hin, eine direkte Verbindung der Partei zum NSU nachweisen zu können. Immerhin sitzt mit Ralf Wohlleben ein früherer NPD-Funktionär auf der Anklagebank. Zwei Jahre nach Prozess-Beginn am 6. Mai 2013 ist jedoch klar, dass der NSU nicht so etwas wie der bewaffnete Arm der rechtsextremen Partei war. Der NPD müsste aber schon eine "aggressiv-kämpferische Haltung" nachgewiesen werden, um sie zu verbieten. Warum das nach dem Auffliegen des NSU plötzlich gelingen soll, ist die entscheidende Frage. Und offenbar hat das Bundesverfassungsgericht nach wie vor große Zweifel. Sonst hätte es den Bundesrat nicht aufgefordert, seinen Verbotsantrag nachzubessern.