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Musik als Türöffner

Katharina Bueß25. April 2013

Neonazis haben ihre Strategie verändert: Werbung richtet die NPD heute oft an Schüler. Musik kommt dabei eine wichtige Rolle zu. Doch Hinweise auf rechtsradikales Gedankengut sind nur schwer zu erkennen.

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Musik-CD's der rechten Partei NPD, die auf Schulhöfen verteilt werden, aufgenommen am Donnerstag (21.09.2006) in Berlin auf dem Hof der NPD-Parteizentrale. Foto: Peer Grimm dpa/lbn +++(c) dpa - Report+++
Bild: picture-alliance/dpa

Slogans wie "Abenteuer suchen", "Außergewöhnliches erleben", dazu Fotos von Wanderern in Gebirgswelten - was wie eine Werbung für Tourismus in den Alpen anmutet, findet sich auf dem Beiheft einer umstrittenen CD. Herausgegeben haben die "Schulhof-CD: Die Jugend für Deutschland, die Zukunft im Blick" die Jungen National­demo­kraten, die Jugendorganisation der NPD. Junge Menschen sind eine besondere Zielgruppe der Nationaldemokratischen Partei, kurz NPD, die am äußersten rechten Rand des deutschen Parteienspektrums angesiedelt ist. Die NPD vertritt rechtsextreme Parolen und völkisches Gedankengut, sodass regelmäßig über ein Verbot durch das Bundesverfassungsgericht diskutiert wird. Im kommenden Juni wollen die Bundesländer einen Verbotsantrag in Karlsruhe einreichen.

Seit 2004 verschenkt die NPD immer wieder Tonträger an meist minderjährige Schüler. Die "Schulhof-CD" wurde seit November 2012 im Internet vertrieben und vor einigen Schulen in Deutschland verteilt. Darauf befinden sich Lieder mit Titeln wie "National und Sozial", "Aufruf zur Revolte" oder "Schland (Anm. d. Red.: vom Wort "Deutschland" abgeleitetes Kunstwort) ist abgebrannt" und eine Videoansprache des Bundesvorsitzenden Andreas Knape: "Lasst euch diese CD nicht von irgendwelchen politisch-korrekten Lehrern wegnehmen!" Die NPD gibt sich cool, jugendlich und netzaffin: "Nimm einfach mit uns Kontakt auf über Facebook."NPD kommt gerade bei den Jungen an

Auf einem Computermonitor in Hannover sind die Internetseiten der NPD und des sozialen Netzwerks Facebook zu sehen (Foto: dpa)
NPD im Internet: "Nimm einfach mit uns Kontakt auf über Facebook"Bild: picture alliance/dpa

Bei den 18- bis 25-Jährigen hat die Partei ihre höchsten Wahlergebnisse. Bei der letzten Wahl zum Abgeordnetenhaus in Berlin im Jahr 2011 erhielt sie in dieser Altersgruppe 3,5 Prozent der Zweitstimmen, bei den über 60-Jährigen waren es nur 1,2 Prozent. Möglicherweise haben derartige Musik-Kampagnen also eine gewisse Wirkung.

"Wir versuchen, junge Menschen für Politik zu sensibilisieren und auf unsere Seite zu ziehen", erklärt Julian Monaco von der NPD. Dabei sei Musik besonders geeignet, politische Botschaften zu transportieren, weil sie mit Emotionen verbunden sei, sagt er. Doch ist das überhaupt erlaubt? Generell gilt an Schulen ein Werbeverbot für politische Parteien. "Deshalb haben wir die CD im Umfeld von Schulen und auf deren Zugangswegen verteilt", sagt Monaco. Denn im öffentlichen Raum, also auf der Straße, endet die Zuständigkeit der Schulen.

CD ist seit März verboten

Beworben oder verteilt werden darf die letzte "Schulhof-CD" inzwischen auch dort nicht mehr. Ihr Verbot wurde am 13. März von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien bekannt gegeben. Die Begründung: Sie wirke "sozialethisch desorientierend", und in den Liedern werde der Nationalsozialismus verherrlicht.

Der Staatssekretär für Bildung in Berlin, Mark Rackles, hält die Gefahr von solchen CDs für überschaubar. Die Schulen seien für das Thema sensibilisiert worden, das Präventionssystem in Berlin hält er für wirksam. Schülern und Lehrern empfiehlt er, die Polizei zu verständigen, sollten sie von derartigen Verteilaktionen erfahren. Auf Anfrage bei den Schulen, vor denen die CD in den letzten Monaten laut NPD verteilt worden war, lautet die Auskunft übereinstimmend, wenn das der Fall wäre, hätte man etwas davon mitbekommen.

Musik kann Türen öffnen

Bis zu 40.000 Stück der letzten Schulhof-CD seien vor ihrem Verbot bereits verteilt und an interessierte Gruppen verkauft worden, behauptet NPD-Politiker Monaco. Nach NPD-Angaben waren es rund 1000 Stück allein an Berliner Schulen. Diese Zahlen hält Isabelle Kalbitzer vom Berliner Verfassungsschutz für sehr unwahrscheinlich: "Das ist vielleicht die Wunschvorstellung der NPD, aber darauf haben wir überhaupt keine Hinweise. Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen." Nur vereinzelt seien CDs in Berlin und Brandenburg verteilt worden. Dennoch warnt sie vor dem Phänomen. "Musik interessiert junge Leute, das nutzt die NPD, um sie gezielt anzusprechen." Sie sei zwar nicht das einzige Mittel, um Jugendliche in die rechte Szene zu ziehen. "Aber sie kann ein Türöffner sein", so Kalbitzer.

Dennis Mader von der Landesschülervertretung Berlin (Foto: DW/Bueß).
Dennis Mader: "Schockiert von der Hinterhältigkeit"Bild: DW/K. Bueß

Als besonders durchtrieben beurteilt Dennis Mader von der Landesschülervertretung Berlin die Taktik der NPD bei solchen Aktionen. Schüler würden auf den Schulwegen einzeln abgefangen und fühlten sich dabei regelrecht gefangen genommen. Es brauche Selbstbewusstsein, um sich spontan dagegen zu wehren. "Die Schüler, mit denen wir gesprochen haben, waren schockiert von dieser Hinterhältigkeit, dieser Listigkeit", beschreibt er die Reaktionen. In den Schulen werde zu wenig über das Thema aufgeklärt: "Die staatlichen Institutionen legen unserer Meinung nach keinen allzu großen Wert darauf, die faschistische Gefahr so darzustellen, wie sie eigentlich ist."

Neonazis verstecken sich heute geschickt

Die Landesschülervertretung bietet Infotouren an Schulen an, bei denen in Vorträgen über die Neonaziszene aufgeklärt und mit Jugendlichen über rechten Lifestyle diskutiert werde. "Die Schüler haben meist noch das Bild vom Springerstiefel tragenden Glatzkopf im Kopf", so Mader. Doch das sei schon seit zehn Jahren nicht mehr aktuell. Es sei heute sehr schwer, Neonazis auf Anhieb zu erkennen. Die Codes auf der Kleidung seien sehr dezent geworden, etwa ein sehr kleines Thor-Steinar-Label an der Hose, eine Marke, die bekannt dafür ist, in rechten Kreisen beliebt zu sein. Die Szene habe sich generell anderen Jugendkulturen geöffnet. Lange Haare seien kein Tabu mehr und auch die Musik sei offen für viele Stile geworden. Neben üblichem Rechtsrock werde heute auch Hip-Hop und elektronische Musik gehört. Die Texte, so Mader, seien zum Teil dezent. "Die Schüler haben immer mehr Probleme, zu erkennen, dass es sich um krasse Neonazi-Musik handelt."

NPD-Abgeordnete provozieren am Mittwoch (13.06.2012) im Sächsischen Landtag mit der bei Neonazis beliebten Modemarke Thor Steinar. Sie wurden daraufhin für diese und drei weitere Sitzungen ausgeschlossen. (Foto: Giersch/dpa)
Mit Thor-Steinar-Shirts im Landtag: NPD-Abgeordnete in SachsenBild: picture-alliance/dpa

Die Schülervertretung hält Aufklärung für das wirksamste Mittel. Eine andere Initiative bindet unter dem Titel "Kein Bock auf Nazis" populäre Bands wie die Ärzte oder Fettes Brot bei Konzerten ein und verschenkt CDs mit ihrer Musik und Videoclips. Gerade weil die NPD sich inzwischen cool und angepasst gebe, erklärt Christoph Schulze von "Kein Bock auf Nazis", sei die Botschaft ihrer Initiative an junge Menschen: "Wir sind Pop, bei uns ist die Party."

Dass die digital-jugendliche Strategie der NPD nicht gerade breiten Zuspruch findet, zeigen zum Beispiel die Zahlen beim sozialen Netzwerk Facebook. Die Jungen Nationaldemokraten "gefallen" hier rund 6000 Fans, "Kein Bock auf Nazis" bringt es auf über 120.000 mehr. Wichtig bleibt die Aufklärungsarbeit dennoch: Zur Bundestagswahl im September ist laut NPD wieder eine große CD-Aktion geplant.