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Noglik: Gutes Gefühl

Silke Wünsch28. Oktober 2014

Das Jazzfest Berlin wird 50. Zum Jubiläum verabschiedet sich Festivalchef Bert Noglik, der das Festival seit 2012 geleitet hat. Dieses Jahr gibt es ein spannendes Wechselspiel zwischen Tradition und Avantgarde.

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Bert Noglik
Bild: Patrick Hinely

DW: Herr Noglik, können Sie diesen ganz besonderen Spirit erklären, der über dem Berliner Jazzfest liegt? Was ist hier anders als bei anderen Festivals?

Es ist ein großes Festival, das sich nicht spezialisiert hat, weder auf Avantgarde noch auf Mainstream, weder auf große Stars noch auf Newcomer. Sondern es versucht, den Jazz in seiner Gesamtheit abzubilden. Das ist natürlich ein mutiges Unterfangen, bei der Vielzahl von Richtungen, die es inzwischen gibt. Aber Berlin will bestimmte Akzente setzen, auch mit Eigenproduktionen, die ich in den letzten Jahren angeregt habe. Und mit Bands, Musikern und Persönlichkeiten, von denen wir glauben, dass sie richtungsweisend sind.

Was wird in diesem Jubiläumsjahr das herausragende Thema sein?

Das Wechselspiel zwischen Tradition und Avantgarde, das uns im Jazz ja ständig begleitet und eine ständige Kraftquelle für neue Entwicklungen ist. Und damit eng verbunden ist das Thema Freiheit, weil es ja im Jazz auch immer darum ging, die Freiräume zu erweitern und zugleich auch gesellschaftliche Prozesse zu spiegeln und zu befördern. Und wir beziehen uns ja in diesem Jahr auch auf das Grußwort von Martin Luther King zur Eröffnung des ersten Festivals 1964, in dem er den Jazz als eine Musik des Triumphes, des Trostes und des Protestes charakterisiert hat.

Es gab ja ganz viele von den ganz Großen, die in den vergangenen 50 Jahren in Berlin aufgetreten sind, unter Ihrer Leitung spielen große Namen gar nicht so eine bedeutende Rolle – was bezwecken Sie damit?

Ich denke, dass man große Namen bei vielen Festivals hören und erleben kann. Mir geht es mehr darum, eine interessante, eine spannungsreiche Gesamtkonstruktion zu präsentieren. Bei den großen Namen ist es ja auch so, dass es mitunter an Budgetgrenzen stößt. Aber das ist nicht der wichtigste Grund. Eher möchte ich auch weniger bekannten Bands, die es gleichermaßen wert sind, gehört und entdeckt zu werden, eine Chance geben.

Auf wen freuen Sie sich besonders in diesem Jahr?

Silke Eberhard
Die Saxophonistin Silke Eberhard schlägt mit dem Projekt Potsa Lotsa eine Brücke zwischen früher und heute.Bild: Oliver Potratz

Die Frage wird mir immer wieder gestellt. Aber ich muss sagen: Ich freu mich auf das gesamte Festival, weil ich es nicht aus einzelnen Punkten zusammengesetzt habe. Ich habe es vielmehr auf eine Gesamtheit hin konstruiert. Eine Gesamtheit, von der ich glaube und hoffe, dass sie sich auch auf eine Gesamtstimmung überträgt. Eine Atmosphäre, die sich auch aus dem Zusammenspiel der einzelnen Acts ergeben kann. Mir ist es wichtig, dass die Dinge direkt oder auch sehr subtil zueinander in Korrespondenz stehen.

Eine Frage zum Publikum – wer kommt da eigentlich? Die Mitwipper, die alten Jazzer, Musikfans, die auch an der Avantgarde viel Freude haben, oder kommt auch das sogenannte Mainstreampublikum?

Unser Publikum ist breit aufgestellt. Wir haben ein treues Festivalpublikum, das das Festival über viele Jahre begleitet hat, das natürlich auch mit dem Festival älter geworden ist. Aber wir haben auch ein junges Publikum nachgezogen, gerade in den letzten Jahren, durch Veranstaltungen in der Akademie, die stärker ins Experimentelle gehen, und durch die Seitenbühne, die in diesem Jahr ganz stark Richtungen gewidmet sein wird, die sich zwischen jazz, Rock, Heavy Metal und anderen experimentellen Spielrichtungen der populären Musik bewegen werden.

Was hat es mit dieser Jubiläumsplatte auf sich? Da sind ja keine Best Ofs drauf, sondern zwei ganz ausgesuchte Musikereignisse, können Sie in kurzen Sätzen beschreiben, was wir da hören können?

Ich habe lange überlegt. Man kann keinen repräsentativen Querschnitt auf zwei Plattenseiten abbilden. So haben wir zwei ganz herausragende Ereignisse aus der Festivalgeschichte aufgegriffen. Einmal 1966 das Globe Unity Orchestra, zum ersten Mal auf einer großen Festivalbühne eine Band mit frei improvisierenden Musikern, im Schnittbereich von Jazz und neuer Musik. Das hat damals polarisiert. Es gab Begeisterung und Buh-Rufe, und daran schließt das Konzert von Carla Bley 1979 an, die das Buhen des Berliner Publikums gewissermaßen zum Thema gemacht hat – sie hat das Buh zurück gegeben. "Boo to you too" hat sie für das Berliner Publikum komponiert. Aber zu dem Zeitpunkt war das Publikum gar nicht mehr so auf Provokation ausgerichtet, sondern George Gruntz, der damalige Festivalleiter hat diese Buhs provozieren lassen von Leuten, die er extra ins Publikum bestellt hat.

Es ist ihr drittes und gleichzeitig auch schon letztes Festival, Ihnen wird nachgesagt, Sie haben dem Jazzfest neue Impulse gegeben, da steckte doch sicher auch eine Menge Herzblut mit drin - mit welchen Gefühlen gehen Sie?

Eigentlich mit einem sehr guten Gefühl, weil ich in den drei Jahren die Freiheit, die dieses Festival bietet, genießen und auf meine Weise gestalten konnte. Ich habe sicherlich einen Akzent gesetzt in der Festivalgeschichte. Wie mir das nun gelungen ist, das sollen Kritiker, Journalisten und Publikum beurteilen. Aber ich gehe mit einem sehr guten Gefühl.