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Nigerias Präsident will trotz Boko-Haram-Terror weitermachen

Max Borowski11. November 2014

Goodluck Jonathan hat versagt im Kampf gegen Boko Haram. Obwohl der die Kontrolle über weite Teile des Landes verloren hat, möchte er sich 2015 zur Wiederwahl stellen. Das stößt vor allem in Nordnigeria auf Widerspruch.

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Nigerianischer Präsident Goodluck Jonathan 11.11.2014
Bild: picture-alliance/AP

Eine Überraschung war es nicht, was der nigerianische Präsident Goodluck Jonathan am Dienstag (11.11.2014) vor Tausenden jubelnden Anhängern auf dem "Adlerplatz" in der Hauptstadt Abuja verkündete. Nachdem er den "Ruf der Nigerianer" gehört habe, "habe ich zugestimmt, für eine zweite Amtszeit zu kandidieren", rief Jonathan der Menge zu. Doch obwohl diese Entscheidung erwartet worden war, ist sie umstritten. Nur einen Tag zuvor hatte die Terrorgruppe Boko Haram mit einem Selbstmordattentat wieder einmal demonstriert, dass Jonathan und seine Regierung die Kontrolle über große Teile des Landes verloren haben.

Umstritten ist Jonathans Kandidatur unter anderem, da im religiös gespaltenen Nigeria bislang eine ungeschriebene Regel galt: Der mehrheitlich christliche Süden und der muslimisch geprägte Norden des Landes dürfen je abwechselnd den Staatschef stellen. Jonathans muslimischer Vorgänger hatte jedoch keine volle Amtszeit regiert, so dass sich einige Muslime nun benachteiligt fühlen, sollte der Christ Jonathan noch einmal antreten. Als damaliger Vizepräsident hatte Jonathan 2010 das Amt zunächst übergangsweise übernommen, nachdem sein Vorgänger Umaru Yar'Adua gestorben war. 2011 gewann Jonathan selbst die Präsidentschaftswahl. Dank steigender Öl- und Rohstoffpreise stieg Nigeria unter ihm als bevölkerungsreichstes Lands Afrikas auch zur größten Volkswirtschaft des Kontinents auf. Allerdings gab es fortlaufend schwere Korruptionsvorwürfe gegen Jonathan's Regierung im Zusammenhang mit den Öleinnahmen.

Wahlplakat von Goodluck Jonathan mit der Aufschrift: "Having performed well, Nigerians demand..." Foto DW/Katrin Gänsler
Wahlplakate preisen die "gute Bilanz" des Präsidenten Goodluck JonathanBild: DW/K. Gänsler
Menschen vor zerstörtem Gebäude in Potiskum, Nigeria Foto: AP Photo/Adamu Adamu
Bei dem Selbstmordattentat in der Schule von Potiskum in Nordnigeria starben 48 MenschenBild: picture alliance/AP Photo

Kein Vertrauen im Norden

Schwerer noch wiegt für viele Landsleute aber Jonathans desaströse Bilanz im Kampf gegen die islamistische Terrormiliz Boko Haram im Nordosten. Als Vertreter des boomenden Südens kümmere sich der Präsident nicht um die Probleme des unterentwickelten Nordens, klagen viele der Einwohner dort. Nur einen Tag vor der Inszenierung der Kandidatur in der Hauptstadt hatte ein Selbstmordattentäter in der Stadt Potiskum in Nordnigeria in einer Schule fast 50 Menschen mit in den Tod gerissen. Das Versprechen, "den Terror zu besiegen", das Jonathan auch anlässlich seiner Nominierung in Abuja wiederholte, klingt in den Ohren vieler Nordnigerianer hohl. "Die Regierung will dieses Problem gar nicht anpacken", sagte der Lehrer Aminu Idris der DW. "Wenn sie es wollte, hätte sie es längst tun können." Statt die Schüler zu schützen, schließe die Regierung die Schulen in seiner Heimat im Nordosten Nigerias und verhelfe damit Boko Haram zum Erfolg, so Idris. Eines der Ziele der Islamisten ist es, die als unislamisch empfundene Schulbildung zu unterbinden.

Trotz eines massiven Militäreinsatzes und der Verhängung des Ausnahmezustands in drei besonders betroffenen Bundesstaaten vor mehr als einem Jahr, hat Boko Haram inzwischen Dutzende Städte und Dörfer unter seine Kontrolle gebracht und ein islamisches Kalifat ausgerufen. Allein in diesem Jahr kamen 5000 Menschen durch den Terror ums Leben.

Angesichts des blutigen Anschlags am Vortag seiner Kandidatur empfinden viele Nigerianer nicht nur eine mögliche Wiederwahl Jonathans als unangebracht, sondern insbesondere den Zeitpunkt, an dem er seine Kandidatur verkündete, als pietätlos. "Man hätte die Zeremonie in eine Trauerveranstaltung umfunktionieren sollen", sagte ein Bewohner aus dem Bundesstaat Bauchi. In seiner Heimat hatte gerade letzte Woche ein Boko-Haram-Attentäter zehn Menschen getötet.

Eine Million können nicht wählen

Im Zuge der Wahl im kommenden Jahr könnte sich die Sicherheitskrise in Nigeria noch weiter verschärfen, befürchten Beobachter. Wahlen in Nigeria seien auch in der Vergangenheit von Gewalt zwischen den politischen Parteien begleitet gewesen, sagte Elizabeth Donnelly vom britischen Thinktank Chatham House. Diesmal komme die Gewalt von Boko Haram dazu. "Die andere Sorge ist, dass die notwendigen Entscheidungen, um Boko Haram zu bekämpfen, weiter erschwert werden", sagte Donnelly, denn die Angelegenheit werde "immer stärker politisiert, je mehr wir uns der Wahl nähern".

Ryan Cummings, südafrikanischer Experte des "Sicherheitsnetzwerks Nigeria", befürchtet, dass die Sicherheitskrise eine ordentliche Wahl unmöglich macht. Rund eine Million Wähler könnten voraussichtlich nicht abstimmen, da sie entweder durch die Gewalt vertrieben worden seien oder in von Boko Haram kontrollierten Gebieten wohnten. "Eine Million scheint in einem so bevölkerungsreichen Land wie Nigeria keine große Zahl zu sein", sagte Cummings der DW. Aber es handle sich um Einwohner der Oppositionshochburgen. Wenn die Regierungspartei mit ihrem Kandidaten Jonathan die Wahl gewinnen sollte, habe die Opposition gute Argumente, das Wahlergebnis nicht anzuerkennen, warnte Cummings. Gewalt und anhaltende Instabilität in weiten Teilen Nigerias könnten die Folge sein.

Luftaufnahme des Ölterminals Bonny Island im Niger-Delta in Nigeria Foto: PIUS UTOMI EKPEI/AFP/Getty Images
Der Ölexport hat Nigerias Regierung Milliardeneinnahmen gebracht - und KorruptionsvorwürfeBild: Getty Images