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Nigerianer protestieren gegen Kinderehe

Adrian Kriesch12. August 2013

Den Führerschein machen oder wählen gehen dürfen Nigerianer erst ab 18. Doch laut Verfassung gilt ein Mädchen als erwachsen, sobald es heiratet. Ein Senator blockierte Versuche, das zu ändern - und löste Proteste aus.

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Proteste gegen Kinderehe (Foto: AP)
Bild: picture alliance/AP Photo

"Child not bride" rufen die Demonstranten auf den Straßen der nigerianischen Wirtschaftsmetropole Lagos - "Kind und keine Braut". Im Land ist eine emotionale Debatte ausgebrochen, seit ein Senator sich dafür einsetzt, dass Minderjährige weiterhin verheiratet werden dürfen. Nigerias Verfassung wird im Moment überarbeitet, um Verbesserungen einzubringen. Unter anderem sollte eine Passage aus dem Gesetzestext gestrichen werden, in der es heißt, dass Mädchen nach der Hochzeit Erwachsene sind.

Zunächst stimmten mehr als zwei Drittel des Senats für die Änderung. Aber dann konnte Senator Ahmed Yerima weitere Senatoren überzeugen, ihre Position zu revidieren und die Abschaffung der Kinderehe wieder zu stoppen. Besonders brisant: Der 53-jährige Yerima hat angeblich selbst ein 13-jähriges Mädchen aus Ägypten geheiratet - und dafür einen stattlichen Brautpreis an die Eltern gezahlt. Yerima bestreitet, dass das Mädchen 13 Jahre jung sei. "Das islamische Gesetz sagt, dass eine verheiratete Frau erwachsen ist", sagte Yerima vor dem Senat. "Wenn man also sagt, dass sie nicht erwachsen ist, heißt das, dass man gegen das islamische Gesetz ist."

"Religionsmissbrauch, um die Gesellschaft zu spalten"

Nigerias Zentralregierung hat bereits eine Kinderschutzverordnung eingeführt, in der jede Person unter 18 als Kind bezeichnet und geschützt wird. Die Heirat ist demnach erst ab 18 Jahren legal. Doch einige Bundesstaaten haben das Gesetz noch nicht umgesetzt. In den nordnigerianischen Staaten gilt außerdem die Scharia - auf die sich Senator Yerima ebenfalls beruft.

Slum in der Metropole Lagos (Foto: picture-alliance)
Arm trotz Öl - ein Slum in der Metropole LagosBild: picture-alliance/Ton Koene

Joe Okei-Odumakin macht diese Argumentation wütend. "Wir müssen solchen Leute klar widersprechen, die die Religion dazu missbrauchen, um uns zu spalten", so die Menschenrechtlerin. In nigerianischen Internetforen ist eine Diskussion über das Thema entbrannt, die zum Teil in religiöse Beleidigungen umschlägt. Nigerias Norden ist mehrheitlich muslimisch, der Süden christlich.

Einige Internet-User sehen eine frühzeitige Hochzeit als eine Möglichkeit, die zunehmende Prostitution im Land einzudämmen. Die Jugendarbeitslosigkeit im gesamten Land ist hoch - und treibt immer mehr junge Mädchen auf die Straße. Der Ölreichtum Nigerias spült zwar viel Geld in die Kassen des Landes, schafft aber nur wenige Arbeitskräfte. Hochrangige Minister schätzen die Arbeitslosigkeit auf über 50 Prozent, die Dunkelziffer dürfte wesentlich höher sein.

Recht auf ein selbstbestimmtes Leben

Joe Okei-Odumakin hält das Prostitutions-Argument für falsch: "Ich bin mir sicher, dass diejenigen, die sich für eine frühe Hochzeit einsetzen, ihre eigenen Töchter nicht in einem solchen zarten Alter weggeben würden." Ene Ede stimmt dem zu. Sie setzt sich in verschiedenen Organisationen für die Rechte von Frauen ein und ist der Meinung, dass ein junges Mädchen in den Händen eines älteren Mannes besonders schutzlos sei. Die Aktivistin wirft Männern wie Senator Yerima Vergewaltigung vor, weil sie gegen den Willen der Kinder mit ihnen schlafen. "Wenn ein Mädchen weder psychologisch, emotional und noch biologisch reif ist, wie kann es sich dann den Verantwortungen einer Ehe stellen?", fragt Ede. Falls ein Mädchen im Kindesalter Mutter wird, könne es sich nicht um ein eigenes Kind kümmern.

Junger Mann mit nacktem Oberkörper und sitzende junge Frau (Foto: picture-alliance)
Arbeits- und Perspektivlosigkeit treibt Mädchen in die ProstitutionBild: picture-alliance/Ton Koene

Ede weiß, wovon sie spricht, denn sie wurde selbst vor ihrem elften Geburtstag verheiratet - mit einem Mann, der fast dreimal so alt war wie sie selbst. Eine so frühe Hochzeit raube einem Mädchen das Recht auf ein eigenes, selbstbestimmtes Leben. "Senator Yerima will den Frauen im Norden Nigerias ihre Möglichkeit nehmen, ihre Potenziale zu entwickeln", sagt Ede. Der Senat will die Änderung des Verfassungstextes und damit die Abschaffung der Kinderehe nach den Protesten nun noch einmal auf die Agenda setzen.