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Niebels Weißbuch-Premiere

Marcel Fürstenau17. April 2013

Alle vier Jahre präsentiert die Bundesregierung einen entwicklungspolitischen Bericht. Erstmals lag die Federführung bei Dirk Niebel, dem seit 2009 amtierenden Minister. Seine Zufriedenheit teilen nicht alle.

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Entwicklungsminister Dirk Niebel von der FDP (Foto: Steffi Loos / dapd)
Bild: dapd

"Das Ausgeben von viel Geld ist noch lange keine gute Entwicklungspolitik", sagte Dirk Niebel bei der Vorstellung des Berichts zur Entwicklungspolitik am Mittwoch (17.04.2013) in Berlin. Der Bericht wird seit einigen Jahren als Weißbuch bezeichnet. Den Satz vom vielen Geld wiederholt der Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung seit Jahren aus Überzeugung. Knapp vier Jahre nach seinem Amtsantritt klingt er aber auch wie eine Rechtfertigung dafür, dass Deutschland seine Entwicklungshilfe gekürzt hat. Nach mehreren Jahren steigender Etats sinkt das Volumen 2013 nämlich um 87 Millionen auf rund 6,3 Milliarden Euro.

Trotz der Kürzungen sieht der liberale Politiker keinen Grund, Abstriche an der - aus seiner Sicht - positiven Bilanz seiner Arbeit zu machen. Deutschland sei mit der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) "Marktführer der Entwicklung in der Welt". Gut zwei Milliarden Euro beträgt das finanzielle Volumen der zentralen staatlichen Organisation, etwa drei Viertel davon steuert Niebels Ministerium bei. Den Rest erwirtschaftet die GIZ zu großen Teilen durch Aufträge von anderen Geberländern in der Entwicklungszusammenarbeit.

Keine bedingungslose Budgethilfe mehr

Die GIZ ist auf Betreiben Niebels aus der Zusammenlegung mehrerer staatlicher Organisationen mit bestimmten Aufgabenbereichen entstanden. Sie soll die deutsche Entwicklungspolitik übersichtlicher und vor allem "wirksamer" machen, betont Niebel immer wieder. Dieses Ziel will er auch durch eine andere Form der sogenannten Budgethilfe erreichen. Damit sind Gelder gemeint, die unmittelbar in die Haushalte von Nehmerländern fließen. In der Vergangenheit haben auch Länder solche Gelder bekommen, die weit von guter Regierungsführung nach westlichen Vorstellungen entfernt waren.

Das rote Logo der GIZ auf dem Dach der Zentrale (Foto: Frank Rumpenhorst / dpa)
Hoch hinaus will Entwicklungsminister Niebel mit der von ihm geschaffenen GIZBild: picture-alliance/dpa

Deutschland achtet bei der Budgethilfe inzwischen stärker als früher darauf, dass Menschenrechte eingehalten werden. In Uganda beispielsweise wurde diese Art der Hilfe eingefroren, als das Land Homosexualität unter Todesstrafe stellen wollte. Am deutschen Vorbild orientiere sich bei der Budgethilfe inzwischen auch die Europäische Union, freut sich Niebel.

Früher sei es möglich gewesen, dass ein Land im Rahmen der europäischen Budgethilfe deutsche Steuergelder erhalten hat, "auch wenn es regelmäßig Oppositionspolitiker einsperrt oder Journalisten in ihrer Arbeit einschränkt", sagte Niebel bei der Vorstellung seines Weißbuches zur Entwicklungspolitik. Heute sei es ausgeschlossen, dass ein solches Land aus Europa Budgethilfe erhält, "weil die Werte und Voraussetzungen für die Vergabe der Budgethilfe deutlich angehoben worden sind und strenge Kriterien angelegt werden", sagte Niebel.

Opposition hält Bilanz für "beschämend"

Die parlamentarische Opposition kritisierte Niebels Bilanz. Sascha Raabe, entwicklungspolitischer Sprecher der Sozialdemokraten, attackierte den Minister wegen der sinkenden staatlichen Entwicklungshilfe. Vom Ziel, 0,7 Prozent der nationalen Wirtschaftsleistung für Entwicklungshilfe zur Verfügung zu stellen, ist Deutschland mit einem Wert von 0,38 Prozent nach wie vor weit entfernt. Raabe bezeichnete diese Quote als "beschämend" und bezichtigte Niebel der "Lüge und Täuschung", weil er im Weißbuch trotz rückläufiger Zahlen am 0,7-Prozent-Ziel festhalte. Dafür würden weitere Milliarden Euro zusätzlich benötigt, rechnete der SPD-Politiker im Bundestag vor.

Die entwicklungspolitische Sprecherin der Grünen, Ute Koczy. (Foto: Michael Reichel)
Lässt kein gutes Haar am Weißbuch: Ute KoczyBild: picture-alliance/dpa

Die entwicklungspolitische Sprecherin der Grünen, Ute Koczy, kritisierte das von Niebel vorgelegte Weißbuch als Protokoll der "Verfehlungen und
Irrwege der Entwicklungspolitik". Es trage die Handschrift der FDP, der liberalen Partei von Niebel. Damit meint sie insbesondere die unter Niebel verstärkte Kooperation mit der Privatwirtschaft. Als Brückenbauer für mehr globale Gerechtigkeit sei Niebel "krachend gescheitert", erklärte Koczy. "Statt als Anwalt der Armen aufzutreten, versuchte er sich als verlängerter Arm der deutschen Wirtschaft."

Niebel setzt auf vernetzte Sicherheit

Der Entwicklungsminister verteidigte auch das Prinzip der vernetzten Sicherheit. Damit ist die punktuelle Zusammenarbeit zwischen Hilfsorganisationen und dem Militär gemeint. Die meisten Nichtregierungsorganisationen lehnen das ab, weil sie um ihre Neutralität und Sicherheit fürchten. Der deutsche Entwicklungsminister hält die Grenzen bei der vernetzten Sicherheit hingegen für fließend und rechtfertigte zugleich, dass die humanitäre Hilfe der Bundesregierung im Außenministerium angesiedelt ist. Die von ihm forcierte engere Zusammenarbeit mit diesem Ressort hält Niebel für sinnvoll und naheliegend. Entwicklungszusammenarbeit sei ein Teil der Außenpolitik. "Das heißt, sie ist nicht neutral, sondern von Interessen geleitet."

Wenngleich das Weißbuch zur Entwicklungspolitik in erster Linie ein ausführlicher Tätigkeitsbericht ist, machte Niebel auch ein paar Bemerkungen zu möglichen Schwerpunkten in der Zukunft. So könne er sich vorstellen, auch mit China trilaterale Projekte zu verwirklichen, also das gemeinsame Engagement von zwei Gebern in ausgesuchten Partnerländern. Solche Kooperationen betreibt Deutschland unter anderem mit Südafrika, Brasilien, Mexiko und Chile.

Bislang beurteilt Deutschland die chinesische Entwicklungspolitik überwiegend skeptisch. Niebel lobte zwar das Engagement im Bereich des Straßenbaus und anderer Infrastrukturmaßnahmen, bemängelte aber auch die "nach unseren Vorstellungen fehlenden Umwelt- und Sozialstandards". Und vor allem würden in den Nehmerländern zu wenige Arbeitsplätze für die einheimische Bevölkerung geschaffen, kritisierte Niebel.