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Nie mehr "too big to fail"?

Gernot Heller, rtr10. November 2014

Die G20 wollen systemrelevante Banken noch stärker in die Pflicht nehmen. Sie sollen einen zweiten Risikopuffer von bis zu 20 Prozent ihrer Bilanzrisiken bilden, schlägt der Financial Stability Board vor.

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Banken Stresstest Frankfurt am Main
Bild: picture-alliance/dpa

Mehr als sechs Jahre nach dem Höhepunkt der Finanzkrise wollen die 20 führenden Industrie- und Schwellenländer eines ihrer großen Versprechen einlösen. Beim Gipfel der Staats- und Regierungschefs im australischen Brisbane Ende der Woche soll die Schlussrunde eingeläutet werden, um das von den global bestimmenden Banken ausgehende Gefahrenpotenzial für das Welt-Finanzsystem zu begrenzen.

Das Thema ist bekannt unter dem Begriff "too big to fail". Der Anspruch lautet: Keine Bank soll mehr so groß und vernetzt sein, dass sie bei einer Schieflage automatisch zum Fall für die Staaten und deren Steuerzahler wird - und das allein, um Schlimmeres zu verhindern.

Es geht um den letzten großen Baustein - nach schärferen Aufsichts- und Haftungsregeln sowie Restrukturierungsgesetzen und Eigenkapitalanforderungen - für mehr Sicherheit. Der Finanzstabilitätsrat FSB - in dem hochrangige Vertreter von Finanzministerien, Notenbanken und Bankenaufsehern sitzen – hat am Montag seinen Vorschlag präsentiert, den der G20-Gipfel Ende der Woche beschließen dürfte. Er firmiert unter dem Kürzel und TLAC (total loss absorbing capacity).

Zweiter Haftungstopf

Die Top-Banken der Welt sollen über schärfere Eigenkapitalvorgaben hinaus ein weiteres Risikopolster anlegen. Damit sollen Verluste aus einer Schieflage noch weiter weg vom Steuerzahler gehalten und außerdem dramatische Folgen, wie beim Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers 2008, verhindert werden.

Geplant ist ein zweiter Haftungstopf für den Fall, dass bei einer Bank nach einer Schieflage die Verluste das Eigenkapital übersteigen. Diese Mittel sollen rasch verfügbar sein und damit die Abwicklung und/oder Restrukturierung eines Pleite-Instituts ermöglichen. Konkret sollen die Institute Anleihen vorhalten, die so gestrickt sind, dass sie problemlos zur Haftung herangezogen werden können.

Besonders geeignet dafür sind die sogenannten "CoCo-Bonds". Diese Wertpapiere werden automatisch in Haftungsmasse gewandelt, sobald ein bestimmter Eigenkapital-Wert unterschritten wird. "Es muss um etwas gehen, auf das man einfach und schnell zugreifen kann", sagte ein Regierungsexperte. Für die Bank könnten solche Anleihen mit erhöhtem Haftungsrisiko allerdings relativ teuer werden.

Strenger als Basel III

Die FSB-Vorschläge lehnen sich an die bereits strenger gefassten Eigenkapitalregeln für Banken (Basel III) an. Sie beinhalten einen zweiten noch etwas höheren Puffer, der aus haftungsfähigem Fremdkapital bestehen kann. Damit wird das gesamte Polster (TLAC), mit dem Verluste aufgefangen werden können, massiv vergrößert.

Eine Mindestquote für dieses Polster von 16 bis 20 Prozent der risikogewichteten Vermögenspositionen hat der FSB nun vorgeschlagen. Die sollen die Super-Banken der Welt künftig nachweisen. Parallel sollen sie sich noch einem zweiten Anforderungswert stellen, der nicht risikogewichtet ist. Der gesamte Risikopuffer soll nämlich mindestens sechs Prozent der Bilanzsumme abdecken. Hat ein Institut mehr Eigenkapital als von den Aufsehern gefordert, soll es das mit den geforderten Anleihebeständen verrechnen können.

"In jedem Falle sollte der Standard eine Mindestquantität und -qualität beinhalten, damit die Bank ihre für die Wirtschaft wichtigen Funktionen weiter erfüllen kann, während das Kreditinstitut abgewickelt wird und seine nicht systemrelevanten Funktionen nach und nach reorganisiert oder aufgelöst werden", formulierten die Notenbanker Andreas Dombret und Jon Cunliffe schon vor Wochen in einem Zeitungsbeitrag.

30 Banken im Visier

Im Visier für die neuen Regeln sind 30 Banken-Multis, darunter die Deutsche Bank. Weitere prominente Adressen sind die US-Institute Citigroup, Goldman Sachs und Bank of Amerika, aber auch die Schweizer Institute Credit Suisse und UBS sowie die Bank of China sind dabei. Die FSB-Regulierer haben all jene Institute herausgefiltert, die das Potenzial haben, das Welt-Finanzsysteme zu erschüttern.

Bislang profitieren die Mega-Banken davon, dass sie quasi eine Staatsgarantie genießen, weil es sich keiner im Interesse des Gesamtsystems leisten kann, ein solches Geldhaus einfach pleite gehen zu lassen. Dies zu ändern, hält IWF-Kapitalmarktchef Jose Vinals für ganz entscheidend. Durch die "immanente Staatsgarantie", so sagte er unlängst in Berlin, genießen die Bankenriesen große Finanzierungsvorteile. Bei den großen Eurobanken mache das rund 300 Milliarden Euro im Jahr aus.

Einigen sich die G20-Staatenlenker auf das neue Modell, steht eine Folgeabschätzung an, bevor das Modell im nächsten Jahr endgültig beschlossen wird. Bis die neuen Regeln dann vollständig gelten, dürfte es bis Ende des Jahrzehnts dauern.

Für einzelne Institute könnte das neue Regelwerk nach Einschätzung von Fachleuten größere Konsequenzen haben. Gerade die traditionell stark auf Einlagen fixierten europäischen Banken könnten unter Druck geraten, mehr haftungsfähige, teure Anleihen auszugeben. "Das könnte das eine oder andere Geschäftsmodell ändern", sagt ein Experte voraus.