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Neuer Impfstoff stoppt Malaria-Parasiten

Brigitte Osterath / mk23. Mai 2014

Die meisten Versuchsimpfstoffe gegen Malaria wollen die Parasiten am Eindringen in die roten Blutkörperchen hindern. Ein jetzt entdeckter Antikörper ermöglicht einen überraschenden anderen Ansatz.

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Malaria in Afghanistan (Foto: Paula Bronstein/Getty Images)
Bild: Paula Bronstein/Getty Images

"Wenn du ihn nicht aussperren kannst, sperr ihn ein!" Damit meinen die Malaria-Forscher vom Rhode Island Hospital in Providence, USA, einen Antikörper, der sich gegen ein Protein mit Namen PfSEA-1 richtet.

Denn Malaria-Parasiten brauchen ein Protein, um aus den roten Blutkörperchen herauszukommen, nachdem sie sich dort vermehrt haben. Dieses Ausbrechen führt bei Patienten oft zu Fieberattacken, weil immer mehr infektiöse Parasiten ins Blut gelangen.

Während sie das Gen PfSEA-1 und sein korrespondierendes Protein im tödlichsten aller Malaria-Erreger, dem Plasmodium falciparum, identifizierten, gelang den Forschern aus Rhode Island eine überraschende Entdeckung: Wenn das Protein durch einen Antikörper blockiert wird, stoppt der Lebenszyklus des Parasiten mitten in seiner Entwicklung. "In gewisser Weise sperren wir den Malaria-Parasiten in einem brennenden Haus ein", sagt der Leiter der Studie, Jonathan Kurtis. "Er kann nirgends hin entkommen und keinen weiteren Schaden anrichten."

Den Lebenszyklus unterbrechen

Malaria-Parasiten durchlaufen einen komplizierten Entwicklungszyklus im menschlichen Körper. Durch den Stich einer Mücke gelangt der Erreger ins Blut und reproduziert sich dann in der Leber. Anschließend vervielfacht er sich in den roten Blutkörperchen, bis aus einem Parasiten acht, manchmal sogar bis zu 24 geworden sind.

Infografik: Der Lebenszyklus des Malariaerregers (Grafik: DW)
Der Lebenszyklus des Malariaerregers

In diesem Zustand - kurz bevor die roten Blutkörperchen bersten - spricht man von einem "Schizont". Wie die Forscher um Jonathan Kurtis im Wissenschaftsmagazin "Science" berichten, produziert jeder Schizont das Protein PfSEA-1, das mit ganzem Namen Plasmodium falciparum schizont egress Antigen-1 heißt.

Bedeutung für den Menschen

Im Labor können Antikörper gegen PfSEA-1 die Malaria-Parasiten an der Vermehrung hindern, wie Kurtis und seine Kollegen zeigten. Darüber hinaus verlängerten die Antikörper, als Impfstoff gespritzt, die Lebensdauer von Labormäusen, die mit einer besonders gefährlichen Form einer bei Nagetieren auftretenden Malaria infiziert waren. Diese ähnelt wiederum der Malaria, die für Kleinkinder üblicherweise tödlich verläuft.

Noch nie sei es vorgekommen, dass ein Versuchsimpfstoff Mäuse vor der tödlichen Krankheit schützen konnte, so Kurtis. Und manche Menschen tragen die vielversprechende Substanz sogar schon von Natur aus in sich. "Anders als sonst üblich haben wir direkt am Menschen begonnen. Zwar wurde ein Teil der Experimente mit Mäusen durchgeführt, doch die tatsächliche Entdeckung des Impfstoffes gelang mit Hilfe menschlicher Proben - deshalb rechnen wir damit, dass sich die Ergebnisse gut auf den Menschen übertragen lassen."

Rotes Blutkörperchen mit Malariaerreger (Foto: J. Kurtis)
Elektronenmikroskop-Aufnahme eines Malaria-Parasiten, der in einem roten Blutkörperchen eingeschlossen istBild: J. Kurtis

Kinder malariaresistent dank Antikörpern

Die Wissenschaftler untersuchten 785 Kinder in Tansania, die alle in einer Region mit hohem Malaria-Risiko leben. Einige hatten im Alter von zwei Jahren eine Resistenz gegen Malaria entwickelt: Sie tragen den Parasiten in sich, werden aber nicht krank.

"Dann haben wir etwas 'DNA-Gymnastik' betrieben, wie ich es nenne", erzählt Kurtis. "Mit Hilfe hochentwickelter Molekularbiologie identifizierten wir Gene und Proteine der Parasiten, die nur von Antikörpern in den resistenten Kindern erkannt wurden, nicht aber von Antikörpern in erkrankten Kindern."

So entdeckten sie PfSEA-1.

Nach weiteren Experimenten führten die Forscher weitere Feldstudien in Tansania durch. Das Ergebnis bezeichnet Kurtis im besten Sinne "schockierend": "Kein einziges Kind, bei dem Antikörper zu diesem Antigen oder Protein nachgewiesen wurde, erkrankte schwer an Malaria."

In einer anderen Studie mit einer Gruppe von Jungen und Männern in Kenia fanden die Wissenschaftler heraus, dass Menschen mit diesen Antikörpern weniger Malaria-Parasiten im Blut hatten. "Unser nächstes Ziel ist eine Studie, bei der wir Affen impfen, gefolgt von einer Phase-I-Studie mit Menschen", sagt Kurtis. Diese Erkenntnisse könnten ein entscheidender Schritt auf dem Weg zu einem leistungsfähigen Impfstoff sein.

Gabun Albert-Schweitzer Klinik Ärztin im Labor (Foto: Gaia Manco)
Wie hier in der Albert-Schweitzer-Klinik in Gabun suchen Forscher weltweit nach Malaria-ImpfstoffenBild: DW/G. Manco

Ist ein Impfstoff genug?

Der Malaria-Forscher Thomas Jacobs vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg bezeichnet die Ergebnisse als "hochspannend" und "hochspektakulär". "Es wirkt sehr überzeugend", meint Jacobs. Aber natürlich müsse man noch herausfinden, ob die Methode als Impfstoff für die Menschen vor Ort funktionieren kann.

Rund um die Welt untersuchen Forscher derzeit rund 100 verschiedene Versuchsimpfstoffe gegen Malaria. Das am weitesten vorangeschrittene Präparat ist "RTS,S". Es wurde vom Pharmahersteller GlaxoSmithKline zusammen mit Universitäten und Forschungsinstituten entwickelt. Auch die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung hat das Projekt unterstützt.

RTS,S setzt an den Leberzellen an und verhindert, dass die Malaria-Parasiten sich dort vermehren. Eine Phase-III-Studie wurde vor Kurzem abgeschlossen. Damit könnte RTS,S auf den Markt kommen, sobald es von den zuständigen Gesundheitsbehörden anerkannt wurde. Allerdings hat der Impfstoff lediglich einen Wirkungsgrad von 50 Prozent - die Hälfte aller geimpften Kinder wird trotzdem erkranken und möglicherweise sterben. Laut einer aktuellen Studie sinkt die Wirksamkeit der Impfung nach vier Jahren sogar noch weiter.

Deshalb, so Thomas Jacobs, brauche es sicher mehr als nur einen Malaria-Impfstoff. Vielleicht müsse man sogar mehrere Wirkstoffe kombinieren, um unterschiedliche Stadien des Lebenszyklus der Parasiten angreifen zu können. "Dann bekommt man einen Schutz, der nicht durch eine einzige Mutation verloren geht", so Jacobs. Dann gebe es nämlich immer noch einen zweiten Wirkstoff, der sicherstellt, dass der mutierte Parasit nicht überlebt und sich nicht weiter vermehrt, erklärt der Wissenschaftler.