1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Kein Geld vom Kreml - aber Kooperation

8. April 2015

In Brüssel hatte der Tsipras-Besuch in Moskau vorab für reichlich Wirbel gesorgt. Das Ergebnis: intensivierte Wirtschaftsbeziehungen, keine konkreten Finanzhilfen und deutliche Worte an die EU.

https://p.dw.com/p/1F4H4
Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras bei Kremlchef Wladimir Putin in Moskau (foto: dpa/PA)
Bild: picture-alliance/dpa/Zemlianichenko

"Die griechische Seite hat uns nicht um Hilfe gebeten", teilte Kremlchef Wladimir Putin auf der Pressekonferenz in Moskau mit, unmittelbar nach seinem ausführlichen Treffen mit dem griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras. Er stellte dem schuldengeplagten Griechenland aber Kredite für konkrete Infrastrukturprojekte in Aussicht.

Russland werde darüber hinaus "alles dafür tun, dass der Handel in die richtige Spur zurückkehrt“, versprach Putin. Zuvor hatte er der russischen Nachrichtenagentur Interfax erläutert, der Handel zwischen den beiden Ländern sei im vergangenen Jahr um 40 Prozent eingebrochen. Tsipras und Putin unterzeichneten einen "Gemeinsamen Aktionsplan für 2015 und 2016" und eine Handelvereinbarung. Der Aktionsplan sei ein "Kompass für unsere Zusammenarbeit in den kommenden zwei Jahren“ teilte Tsipras auf der Pressekonferenz mit. Und weiter: "Ich wünsche mir, dass diese Gespräche den Beginn eines neuen Frühlings in den Beziehungen zwischen unseren Ländern“ bilden.

Investitionen seien insbesondere im Energiesektor geplant. Eine Beteiligung der Griechen an der neuen Gas-Pipeline Turkish Stream, die durch das Schwarze Meer und die Türkei verlegt werden soll, sei derzeit im Gespräch. Diese "neue Route wird den Bedarf der Europäer an Gas decken“, erklärte Putin. Griechenland würde gar der Hauptverteiler russischen Gases innerhalb der EU werden. Der Kremlchef stellte den Griechen hunderte Millionen Euro an Einnahmen aus dem Gastransit in Aussicht sowie viele neue Arbeitsplätze.

Auch im Bereich der Industrie plane Russland, sich stärker in Griechenland zu engagieren, erklärte der Kremlchef. Im Hinblick auf die Privatisierungsprozesse sei Russland bereit an entsprechenden Ausschreibungen teilzunehmen. Er verlangte gleichzeitig aber eine Gleichberechtigung russischer Firmen im Auswahlprozess.

Wieder griechische Agrarprodukte in Russland?

Die russische Wirtschaft ist derzeit empfindlich durch die EU-Sanktionen geschwächt, mit denen die Union auf die Ukraine-Krise reagiert hatte. Im Gegenzug hat Moskau einen Importstop für Lebensmittel aus der EU verhängt. Für Griechenland, dessen Wirtschaft besonders von der Agrarproduktion abhängt, war dieser Schritt besonders schmerzhaft. Nun könnte Russland Agrarprodukte wie Pfirsiche, Erdbeeren, aber auch Fisch und Milchwaren wieder auf seinem Markt zulassen. "Die Regierungschefs beider Länder werden am Donnerstag dahingehende russische Vorschläge erörtern", gab Wirtschaftsminister Alexej Uljukajew der Agentur Tass zufolge bekannt.

"Teufelskreis der Sanktionen"

Tsipras bezeichnete die aktuelle Situation als "Teufelskreis der Sanktionen“, der durchbrochen werden müsse. "Wir verstehen sehr gut, dass Gegensanktionen eine Antwort sind auf Sanktionen, mit deren Logik wir nicht einverstanden sind“ betonte er. Diesen Standpunkt vertrete er auch gegenüber seinen EU-Kollegen. In Europa herrsche eine "Mentalität, die an den Kalten Krieg erinnert und uns auseinander bringt“. Es sei daher nun notwendig, alle wieder an einen Tisch zu bringen - auch Russland. Im Hinblick auf die Ukraine-Krise ließ Putin lediglich verlauten: „Die Russische Seite hat die griechischen Freunde informiert, wie die Situation im Osten der Ukraine aussieht“.

"Ein autarkes Land"

Auf die Kritik an dem Moskau-Besuch des griechischen Ministerpräsident reagierte Tsipras deutlich: "Griechenland ist ein autarkes Land und wir lassen uns nicht das Recht nehmen, eine multinationale und vielschichtige Außenpolitik zu betrieben.“ Im Vorfeld des Treffens äußerten in Brüssel viele Bedenken, dass Athen aus der europäischen Sanktionspolitik gegen Russland ausscheren könnte, um sich dadurch wirtschaftliche oder finanzielle Vorteile zu sichern.

Umgekehrt hat Putin Befürchtungen zurückgewiesen, Moskau könne mit guten Beziehungen zu Griechenland die EU spalten wollen. Russland habe nicht vor, ein einzelnes Mitglied der EU auszunutzen, erklärte Putin. Vielmehr sei die russische Regierung für eine offene und vertrauliche Zusammenarbeit mit der ganzen EU.

Tsipras bleibt linientreu

Bei aller vorangegangenen Kritik bescheinigte EU-Parlamentspräsident Martin Schulz Tsipras nun, bei dem Treffen nicht von der gemeinsamen EU-Linie gegenüber Moskau abgewichen zu sein. "Bei allem Frohsinn zwischen Herrn Putin und Herrn Tsipras: Die Linie, die wir von ihm erwarten, hat er nicht verlassen", sagte Schulz im Interview des ZDF-'heute-journals'. Das beruhige ihn. Tsipras müsse schließlich zwei Öffentlichkeiten bedienen: die in seinem eigenen Land, und die in der EU.

Stichtag 24. April

Eine Einigung über weitere Finanzhilfen für Griechenland steht indes noch aus. Entscheidungen der Eurogruppe über eine mögliche Auszahlung von neuen Milliardenhilfen würden für den 24. April angepeilt, hieß es übereinstimmend aus Brüssel und Athen. Zu diesem Termin werden die Euro-Finanzminister im lettischen Riga zusammenkommen.

Die deutsche Bundesregierung hat nach eigenen Angaben keine Erkenntnisse darüber, dass Athen seine Reformvorschläge präzisiert hat. Es gebe keinen neuen Stand, sagte eine Sprecherin des Finanzministeriums in Berlin. "Wir warten weiterhin darauf, dass Griechenland mit den drei Institutionen diese Reformliste abstimmt." Seit Wochen ringt die griechische Regierung mit den Vertretern der EU-Kommission, des Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Zentralbank um die Bedingungen für weitere Finanzhilfen. Die drei Institutionen müssen grünes Licht für einen Reformplan aus Athen geben, der Basis für die Auszahlung von 7,2 Milliarden Euro aus dem verlängerten Rettungsprogramm werden soll.

nin/sc (afp, rtr, dpa, phoenix)