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Neue Welle der Gewalt in Kiew befürchtet

Roman Goncharenko, z.Zt. in Kiew 24. Januar 2014

Nach den gescheiterten Verhandlungen zwischen der Opposition und dem ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch droht die Lage in Kiew weiter zu eskalieren. In den Straßen brennen wieder Barrikaden.

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Mann mit Helm und Atemschutzmaske trägt Autoreifen über eine Straße in Kiew, im Hintergrund brennen Barrikaden (Foto: REUTERS/Valentyn Ogirenko)
Bild: Reuters

Nach einem Tag der Ruhe brennen in der ukrainischen Hauptstadt Kiew wieder Autoreifen in der Hruschewskoho-Straße, die zum Regierungsviertel führt. Seit Tagen stehen sich dort Regierungsgegner und Einsatzkräfte der Polizei gegenüber. In der Nacht zündeten Demonstranten erneut die Reifen auf den Barrikaden an, um sich vor einem möglichen Angriff der staatlichen Sicherheitskräfte zu schützen.

Erfolgloses Treffen mit Janukowitsch

Anders als in den Tagen zuvor, warfen die Aktivisten jedoch zunächst keine Molotowcocktails. Auch die Polizei hielt sich zurück. Die Oppositionsführer hatten die Demonstranten zuvor aufgerufen, während der für Donnerstagabend (23.01.2014) angesetzten Verhandlungen mit Präsident Viktor Janukowitsch auf Gewalt zu verzichten.

Es war bereits nach Mitternacht, als die drei Führer der Opposition nach einem fast fünfstündigen Treffen mit Janukowitsch auf dem Maidan, dem Unabhängigkeitsplatz im Zentrum von Kiew eintrafen. Zehntausende hatten dort trotz eisiger Temperaturen auf sie gewartet. Doch Vitali Klitschko von der prowestlichen Partei UDAR (Schlag), Oleg Tiagnibok von den Nationalisten und der ehemalige Außenminister Arsenij Jazenjuk, hatten wenig Positives zu berichten. Die Kernforderungen der Demonstranten wolle Janukowitsch nicht erfüllen. "Rücktritt des Präsidenten und Neuwahlen? Nein, er will nicht", teilte Klitschko den Demonstranten mit. Aus seiner Stimme klang tiefe Enttäuschung.

Vitali Klitschko und die beiden anderen Oppositionsführer Oleg Tiagnibok (r.) und Arsenij Jazenjuk (l.) auf dem Maidan in Kiew (Foto: REUTERS/Stringer)
Vitali Klitschko und die beiden anderen Oppositionsführer Oleg Tiagnibok (r.) und Arsenij Jazenjuk (l.) auf dem MaidanBild: Reuters

Klitschko von Demonstranten ausgepfiffen

"Der Präsident zeigte sich lediglich bereit, alle festgenommenen Demonstranten freizulassen, falls es keine weitere Gewalt gibt", sagte Klitschko. Rund 30 Aktivisten sind in den letzten Tagen in Kiew wegen Beteiligung an den Protesten festgenommen worden. Ihnen drohen jahrelange Haftstrafen.

Tags zuvor hatten die Oppositionsführer dem Präsidenten ein Ultimatum gestellt und mit dem Marsch auf das abgesperrte Regierungsviertel gedroht. Dazu soll es vorerst jedoch nicht kommen. "Ich habe Angst um Menschenleben", begründete Klitschko den Rückzieher. Er rief erneut zu einem landesweiten Streik auf und forderte, die Proteste Schritt für Schritt auszuweiten: "Wir können nicht sofort gewinnen", warb der ehemalige Box-Weltmeister um Geduld. Seine Rede wurde von Pfiffen und "Schande"-Rufen begleitet.

Keine weiteren Verhandlungen

Die auf dem Unabhängigkeitsplatz versammelten Aktivisten stimmten mit großer Mehrheit dafür, keine weiteren Verhandlungen mit dem Präsidenten zu führen. "Man kann sich nicht an einen Tisch mit jemanden setzen, der dich von vornherein betrügen will", sagte Klitschko. Ebenso wurde beschlossen, die Barrikaden in der Stadtmitte auszubauen.

Straßenschlacht zwischen Regierungsgegnern und ukrainischen Sicherheitskräften in Kiew (Foto: REUTERS/David Mdzinarishvili)
Die Regierungsgegner in Kiew wollen ihren Kampf fortsetzenBild: Reuters

Erfreut zeigten sich Demonstranten auf dem Maidan darüber, dass sich die Proteste auf andere Städte der Ukraine ausweiten. Vor allem aus dem Westen und dem Zentrum des Landes erreichen die Hauptstadt Berichte, dass Regierungsgegner mehrere Verwaltungsgebäude besetzt haben.

Gewaltspirale dreht sich weiter

Die Regierung zeigte sich ebenfalls enttäuscht über Verhandlungen mit der Opposition. Justizministerin Olena Lukasch bedauerte, dass die Oppositionsführer die Gewalt in Kiew nicht verurteilen wollten, kündigte jedoch weitere Gespräche an. Präsident Janukowitsch berief eine Sondersitzung des Parlaments ein, um über Auswege aus der politischen Krise zu diskutieren. Sie soll aber erst am Dienstag kommender Woche (28.01.2014) stattfinden. Die Opposition wird diese Sitzung jedoch möglicherweise boykottieren.

Beobachter in Kiew rechnen für die kommenden Tage mit einer weiteren Eskalation der Gewalt. Das Innenministerium drohte indirekt mit einer Räumung der Barrikaden in der Stadtmitte. Dies werde nicht geschehen, wenn die Demonstranten die Hruschewskoho-Straße verlassen, heißt es in einer Mittelung des Ministeriums. Danach sieht es im Moment nicht aus. Nach Ansicht von Experten in Kiew kann nur eine sofortige Vermittlermission aus dem Ausland die Gewaltspirale stoppen.