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Neue Jobs für Herkunftsforscher

Bianca Schröder16. Juni 2014

Nach dem spektakulären Kunstfund in München fließt mehr Geld in die Erforschung der Biografie von Kunstwerken. Die FU Berlin bietet die weltweit erste universitäre Ausbildung in Provenienzforschung an.

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Deutschland Nazi-Raubkunst in München gefunden Gurlitt Kunstfund
Bild: DW/E. Yorck von Wartenburg

Auch Bilder haben eine Biografie - und die zu erforschen, gehört seit jeher zu den Aufgaben von Museen. Um die Finanzierung der Provenienzforschung war es in den vergangenen Jahrzehnten allerdings schlecht bestellt. Das hat sich mit dem spektakulären Kunstfund bei Cornelius Gurlitt, Sohn eines Kunsthändlers mit Verbindungen zu den Nationalsozialisten, geändert. Nun soll mehr Geld in die Suche nach NS-Raubkunst fließen. Eine Entwicklung, mit der die Berliner Kunstgeschichtsstudentin Janna Stolte nicht gerechnet hatte, als sie sich vor drei Jahren für die Provenienzforschung zu interessieren begann.

"Es war das erste Mal in meinem Studium, dass so etwas Praktisches angeboten wurde", erzählt sie. "Dadurch, dass praktizierende Provenienzforscher von Museen und Archiven da waren, hat man einen guten Einblick in die Arbeitswelt bekommen." Die 24-jährige Studentin schrieb ihre erste Arbeit über den Kunstraub in Polen, andere Studierende beschäftigten sich mit einem konkreten Kunstwerk, dessen Geschichte sie in Archiven recherchierten.

Bislang waren Provenienzforscher Autodidakten

Die Freie Universität Berlin führte das Lehrangebot Provenienzforschung 2011 ein. Es ist nach Angaben der Hochschule die weltweit erste universitäre Ausbildung in dem Fach. Bislang hätten sich Provenienzforscher ihr Wissen zum großen Teil autodidaktisch angeeignet, sagt die Kunsthistorikerin Meike Hoffmann, die das Fach an der FU lehrt. Sie ist auch Mitglied der Taskforce "Schwabinger Kunstfund", die die Herkunft der bei Gurlitt beschlagnahmten Bilder aufklären soll.

Kunsthistorikerin Meike Hoffmann
Gefragte Provenienzforscherin und Dozentin: Meike HoffmannBild: picture-alliance/dpa

Hoffmann führt jedes Jahr rund 30 Studierende über zwei Semester in die Provenienzforschung ein. "Wichtig ist einmal die historische Kenntnis der damaligen Geschehnisse", betont die Wissenschaftlerin. Es sei aber genauso wichtig, dass man Kenntnisse über Kunstsammlungen habe, um Dokumente dann auch auswerten zu können. "Denn ein Dokument erklärt sich nie von selbst." Nach der Einführung gehen die Studierenden in die Berliner Archive. Dort recherchieren sie zum Beispiel die Tätigkeiten verschiedener Auktionshäuser. Obwohl die meisten von ihnen noch im Bachelor-Studium sind, leisten sie damit schon einen wichtigen Beitrag zur kunsthistorischen Forschung.

Sisyphusarbeit: Datensammlung "Entartete Kunst"

Tatsächlich haben Museen und Forschungseinrichtungen noch viel zu tun bei ihrer Suche nach Kunstwerken, die in der NS-Zeit Juden geraubt oder abgepresst wurden. Erst 1998 unterzeichnete Deutschland die Washingtoner Erklärung und verpflichtete sich damit zur Restitution von NS-Raubkunst. Viele geraubte Bilder lagern noch heute in öffentlichen Sammlungen. Bei anderen Kunstwerken ist der Verbleib unklar. Provenienzforscher können sie nur noch in Datenbanken zusammentragen, etwa in der Datenbank "Entartete Kunst", die unter Meike Hoffmanns Leitung an der Freien Universität entsteht.

Deutschland Nazi-Das Inventarbuch der Gurlitt-Kunstsammlung (Foto: Elisabeth Yorck)
Auf Provenienzforscher wartet viel Arbeit: Das Inventarbuch der Gurlitt-KunstsammlungBild: DW/E. Yorck von Wartenburg

Doch so spannend die Kunsthistorikerin die virtuellen Sammlungen auch findet: Wenn lange vermisste Werke plötzlich wieder auftauchen wie im Fall Gurlitt, ist das für sie ein ganz besonderes Erlebnis. "Wenn die Werke auch physisch erhalten geblieben sind und man mit ihnen wirklich arbeiten kann, ist das eine ganz andere Situation, als wenn man die Provenienz nicht vorhandener Werke nachzuvollziehen versucht." Bei welchen Bildern es sich um Raubkunst handelt, soll nun zügig geklärt werden, damit die Werke an ihre rechtmäßigen Eigentümer zurückgegeben werden können.

Bundesregierung plant "Deutsches Zentrum Kulturgutverluste"

Die Bundesregierung will im laufenden Haushaltsjahr nicht nur die Mittel für Provenienzforschung deutlich erhöhen, sondern sogar ein "Deutsches Zentrum Kulturgutverluste" gründen, das die Initiativen von Bund, Ländern und Kommunen zentral bündelt. Meike Hoffmann freut sich über die guten Berufschancen für ihre Studierenden: "Es werden neue Stellen generiert, das ganze Feld ist im Wachstum begriffen."

Die Studentin Janna Stolte hofft, dass sie nach ihrem Master-Abschluss eine Stelle in einem Museum oder an einer Hochschule findet: "Das wäre traumhaft - das Schönste, was passieren könnte!"