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Neue Hängepartie für Opel

5. November 2009

Der US-Autobauer General Motors hat den geplanten Verkauf von Opel an den österreichisch-kanadischen Zulieferer Magna überraschend abgeblasen. Eine nachvollziehbare Entscheidung, meint Henrik Böhme.

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Henrik Böhme, stellvertretender Leiter der DW-Wirtschaftsredaktion (Foto: DW)
Henrik Böhme, stellvertretender Leiter der DW-Wirtschaftsredaktion

Wie gelöst war doch die Stimmung noch vor sechs Wochen am Opel-Stand auf der großen Automesse in Frankfurt. Der Verkauf von Opel an Magna war kurz zuvor über die Bühne gegangen, Erleichterung war überall zu spüren. Endlich hatte man GM los, die gestrenge Mutter aus Amerika, die über Jahre mit falschen Modell-Entscheidungen das stolze Image von Opel heruntergewirtschaftet hatte. Jetzt sollte mit dem Zulieferer Magna aus Österreich und Geld aus Russland der Neustart gelingen in eine glänzende Zukunft mit modernen Autos. Nur das letzte Okay aus Detroit, das stand noch aus.

Aber in diese euphorische Stimmung hinein mischten sich schon seinerzeit warnende Töne. In Detroit, dem Stammsitz von General Motors, hatte sich nämlich einiges getan. Der einst größte Autobauer der Welt hatte in erstaunlich kurzer Zeit das Insolvenzverfahren verlassen und seinen gigantischen Schuldenberg dem amerikanischen Steuerzahler übergeben. US-Präsident Obama machte 70 Milliarden Dollar locker, um den einstigen Stolz der amerikanischen Industrie nicht untergehen zu lassen. Dafür setzte Obama aber auch den alten Verwaltungsrat von GM ab. Die neuen Aufseher machten sich ans Werk und sahen sogleich: Wir können doch Opel nicht verkaufen! Das wäre so, als würde man einem Herzinfarkt-Patienten den Herzschrittmacher entreißen. Denn Opel - vor allem das Entwicklungszentrum im deutschen Rüsselsheim - ist so etwas wie die Lebensversicherung des Konzerns. Hier werden die Technologien entwickelt, die GM zum Überleben braucht.

Zittern um Arbeitsplätze

Für die Mitarbeiter an den deutschen Opel-Standorten geht nun das große Zittern wieder los. Denn GM muss seine europäischen Werke restrukturieren - und das bedeutet tatsächlich: Es werden Tausende Jobs auf der Strecke bleiben. Der Wunschpartner für die deutschen Opelaner war Magna - dafür hatten sie noch am Tag der GM-Entscheidung einem Gehaltsverzicht zugestimmt. Dennoch wäre auch Magna um einen Stellenabbau nicht herum gekommen. Viel Sympathie freilich hat GM bei den Belegschaften nicht mehr - kein Wunder nach dieser monatelangen Hängepartie. Es dürfte keine leichte Aufgabe für das Management sein, die Mitarbeiter neu zu motivieren. Zumal nun wieder wertvolle Zeit verloren geht: Neue Restrukturierungspläne müssen erstellt werden, müssen geprüft werden, müssen finanziert werden. Neue Strukturen müssen aufgebaut werden, die alten hatte man gerade abgebaut.

Eine schwere Niederlage bedeutet die Entscheidung aus Detroit für die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die hatte - wohl noch mit Rücksicht auf den Erhalt der Großen Koalition - stets für Magna als Opel-Partner votiert. Die FDP, damals noch in der Opposition, war stets gegen diesen staatlichen Eingriff in unternehmerische Entscheidungen. Jetzt regiert die FDP mit - das dürfte zumindest die nun erneut anstehenden Verhandlungen mit GM erleichtern.

Eine endlose Geschichte

Neben der Kanzlerin gibt es noch einen weiteren Verlierer: Russland hatte gehofft, mit Magna und Opel einen Technologie-Schub für seine veraltete Auto-Industrie zu bekommen. Daher hatte man die staatliche Sberbank ins Rennen geschickt, um für das nötige Kleingeld zu sorgen. Allein schon diese Konstruktion war dem neuen GM-Verwaltungsrat von Anfang an ein Dorn im Auge. Jetzt stehen die Russen mit leeren Händen da. Die seltsame Industriepolitik des Wladimir Putin hat einen neuen Rückschlag erlitten.

Opel und GM - es ist eine endlose Geschichte. GM braucht Opel, und Opel braucht offenbar GM. Das ist seit acht Jahrzehnten so. Man kommt eben doch nicht voneinander los. Die Autobranche ist weltweit in einem dramatischen Umbruch. Das Gezerre um die Automarke mit dem Blitz auf der Kühlerhaube, es wird noch lange nicht zu Ende sein. Angesichts der vielen Zeit, die durch das zum Teil unwürdige Taktieren auf dem Rücken der Mitarbeiter verloren gegangen ist, muss man sich um den Fortbestand von Opel aber nun ganz ernsthafte Sorgen machen.

Autor: Henrik Böhme
Redaktion: Rolf Wenkel