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Neue Ukraine-Verhandlungen

Christoph Hasselbach22. August 2014

In die verfahrene Situation im Ukraine-Konflikt kommt Bewegung. Gleich zwei geplante Spitzentreffen nähren die Hoffnung auf Entspannung mit Moskau. Doch wie berechtigt sind sie?

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weiße Tauben Foto: picture alliance / Arco Images GmbH
Bild: picture alliance / Arco Images GmbH

Es sind zwei Initiativen kurz hintereinander und auf höchster Ebene: Am Samstag (23.08.2014) wird Bundeskanzlerin Merkel in Kiew erwartet, wo sie mit Präsident Poroschenko und Ministerpräsident Jazenjuk sprechen will. Es ist das erste Mal seit Beginn der Krise, dass die deutsche Kanzlerin in die Ukraine reist. Der Besuch fällt auf den 75. Jahrestag des Hitler-Stalin-Paktes. Nach Ansicht des deutschen CDU-Europaabgeordneten und Außenpolitikers Michael Gahler will Merkel mit ihrem Besuch gerade an diesem Tag auch zum Ausdruck bringen, "dass dieses Deutschland mit einem anderen Staat in Europa nie wieder einen Vertrag zulasten Dritter schließen wird".

Am Dienstag dann wollen in der weißrussischen Hauptstadt Minsk die Präsidenten der beiden Konfliktparteien Russland und Ukraine, Putin und Poroschenko, zusammenkommen. Sie haben zum letzten Mal Anfang Juni in Frankreich miteinander gesprochen. In Minsk wollen auch Vertreter der Eurasischen Zollunion teilnehmen, die aus Russland, Weißrussland und Kasachstan besteht, außerdem für die Europäische Union die Außenrepräsentantin Ashton, Handelskommissar De Gucht und Energiekommissar Oettinger.

Die Kämpfe gehen weiter

Dass die Minsker Konferenz überhaupt zustandekommt - wenn sie zustandekommt -, wäre an sich schon eine kleine Sensation. Denn seit der Begegnung zwischen Putin und Poroschenko im Frühsommer sind die Kämpfe in der Ostukraine deutlich eskaliert. Außerdem hat die EU inzwischen umfassende Wirtschaftssanktionen über Russland verhängt, das seinerseits mit einem Importstopp für EU-Lebensmittel reagiert hat. Die Situation hat sich also in mehrerer Hinsicht zugespitzt. Wer allerdings gehofft hatte, allein die Ankündigung des Spitzentreffens werde die Lage entspannen, sah sich getäuscht: Die Kämpfe gehen unvermindert weiter.

Supermarktauslage Foto: DW/C. Bolwin
Russen müssen inzwischen auf viele westliche Lebensmittel verzichten.Bild: DW/C. Bolwin

Amanda Paul, Osteuropaexpertin bei der Brüsseler Denkfabrik European Policy Centre, glaubt nicht, "dass irgendjemand einen massiven Durchbruch von den beiden Treffen erwartet, doch es ist wichtig, dass die Kommunikationskanäle offen bleiben." Zweifel an den Erfolgsaussichten sind auch darin begründet, dass beide Seiten offenbar unterschiedliche Vorstellungen darüber haben, worum es in Minsk überhaupt gehen soll: Poroschenko will nach eigenen Angaben vor allem über eine "Stabilisierung der Lage" im Osten der Ukraine reden, Putin geht es nach den Worten eines Sprechers um die sich verschlechternde humanitäre Situation dort. In Kiew und Brüssel haben viele allerdings den Verdacht, dass Putin das humanitäre Argument nur vorschiebt, um in der Ostukraine eingreifen und vielleicht sogar einmarschieren zu können.

Risse in Putins Zollunion

Die Rolle der EU in Minsk definiert sich nicht zuletzt durch die mitreisenden Kommissare: Energiekommissar Oettinger will versuchen, den Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine zu schlichten, der indirekt, weil die Ukraine Gastransitland ist, auch die EU betrifft. Handelskommissar De Gucht dürfte das Assoziationsabkommen mit der Ukraine erläutern, zu dem auch ein Freihandelsabkommen gehört. Er wird versuchen, den Russen zu erklären, dass das Abkommen nicht gegen Russland gerichtet ist, Russland im Gegenteil sogar davon profitieren könnte. Moskau hatte dagegen die Ukraine vergeblich unter Druck gesetzt, sich auch handelspolitisch für die Zollunion mit ehemaligen Sowjetrepubliken und gegen eine Hinwendung zur EU zu entscheiden.

Die Teilnahme der beiden anderen Länder der Eurasischen Zollunion, Kasachstan und Gastgeber Weißrussland, könnten einen Kompromiss erleichtern, findet Amanda Paul, weil sie "andere Vorstellungen" von der Zollunion hätten als die Führungsmacht Russland. Der Europaabgeordnete Michael Gahler hofft außerdem, dass Putin erkennt, dass er mit seinem Verhalten "nicht nur Russland, sondern auch den anderen Staaten in seiner Zollunion schadet." Der russische Präsident solle aber nicht denken, die EU werde angesichts von Sanktionen und Gegensanktionen irgendwann mürbe werden. Ashton werde ihm im Gegenteil sogar sagen, dass "zur Not Sanktionen erweitert werden müssen, um ihn zur Vernunft zu bringen".

Die Rolle Merkels

Doch viel dürfte von der "Vorarbeit" der Kanzlerin in Kiew abhängen. Merkel wird mit den ukrainischen Vertretern darüber sprechen, mit welcher Unterstützung der EU eine stabile Ukraine rechnen kann, aber auch, was die EU von der ukrainischen Führung erwartet. Was Merkel aber wird dämpfen müssen, das sind Wünsche nach einem EU-, geschweige denn einem NATO-Beitritt. Denn die EU sucht bei aller Härte gegenüber Moskau letztlich einen Ausweg aus der Konfrontation, und das ist mit einer engen Westintegration der Ukraine nicht zu machen. Die Gefahr des Merkel-Besuchs ist deshalb, dass die Ukrainer zu viel davon erwarten.

Merkel mit Putin und Poroschenko Foto: Saul Loeb/AFP/Getty Images
Steht Merkel näher bei Putin, näher bei Poroschenko oder genau in der Mitte?Bild: Saul Loeb/AFP/Getty Images

Kritisch sieht die Grünen-Europaabgeordnete Rebecca Harms Merkels Rolle. Harms, die zuletzt Ende Juli in der Ukraine war, hat den Eindruck, dass Merkel dort als eher russlandfreundlich wahrgenommen wird: "Die Fotos von Merkel und Putin zusammen bei der Fußballweltmeisterschaft in Brasilien haben einen großen Schaden angerichtet." Es sei dort auch der Eindruck entstanden, "dass Deutschland die Entscheidungen zu Sanktionen immer erst dann unterstützt hat, wenn es schon wieder zu spät war". Insgesamt unterstützt sie aber die deutschen Vermittlungsbemühungen. Harms wünscht sich zwar wie Gahlen, dass die EU als ganze eine stärkere Rolle spielt. Andererseits meint der CDU-Abgeordnete Gahlen: "Merkel reist nicht nur als deutsche Kanzlerin nach Kiew, sie reist im Namen aller anderer Europäer." Auch die Osteuropaexpertin Amanda Paul sieht Merkels Rolle durchweg positiv; die Kanzlerin sei "Hauptakteurin und Vermittlerin zwischen Russland und der Ukraine". Das geplante Treffen Putin-Poroschenko gehe wesentlich auf Merkel zurück.