1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Neue Hoffnung für Syrien

Kersten Knipp13. Dezember 2012

Rund 130 Länder haben die syrische Opposition als "legitime Vertreterin des syrischen Volks" anerkannt. Die fühlt sich inzwischen stark genug, Assad aus eigener Kraft zu stürzen - wünscht sich dafür aber mehr Waffen.

https://p.dw.com/p/170t1
Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP, r) unterhält sich am 12.12.2012 auf der Konferenz der "Freunde des syrischen Volkes" in Marrakesch (Marokko) mit seinem Amtskollegen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten Scheich Abdullah bin Zayid Al Nahyan. (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Das Treffen der "Freunde Syriens" in Marrakesch hatte noch nicht begonnen, da sorgte der Führer des Oppositionsbündnisses "Nationale Koalition", Muas al-Chatib, für Aufsehen: Die syrische Opposition, erklärte er, sei strikt gegen eine Intervention ausländischer Truppen in das Bürgerkriegsland. Die Syrer, so Al-Chatib, fragten sich, warum erst jetzt, wo der Sturz des Regimes bevorstehe, über eine Intervention gesprochen werde. Diese hätte man sich vor einigen Monaten gewünscht, als das Assad-Regime ganze Wohnviertel bombardierte.

Die Absage an eine Intervention unterstreicht die Zuversicht der syrischen Opposition, das Regime Baschar al-Assads aus eigener Kraft bald zu stürzen. Ein pensionierter syrischer General, der sich der Freien Syrischen Armee (FSA) angeschlossen hat, erklärte Agenturberichten zufolge, Assad könne sich auch ohne eine ausländische Intervention nur noch rund fünf Wochen an der Macht halten.

Ahmad Mouaz al-Chatib, Führer des Oppositionsbündnisses der Nationalen Koalition, gestikuliert mit dem Finger (Foto: EPA)
Gegen Friedenstruppen: der Führer der "Nationalen Koalition" Ahmad Mouaz al-ChatibBild: picture alliance / dpa

Anzeichen für Ende Assads mehren sich

Für viele Beobachter mehren sich die Zeichen, dass es mit dem Assad-Regime zu Ende gehen könnte. So wies die Zeitung "Al Sharq al Awsat" darauf hin, dass sich führende Repräsentanten des Regimes, wie etwa Außenminister Walid Mualem, in den letzten Wochen immer seltener zu Wort gemeldet hätten. "Das deutet darauf hin, dass Assads innerer Zirkel keine Einheit mehr bildet", schreibt "Al Sharq al Awsat".

Das Regime befinde sich auf dem Rückzug, behauptet auch Sadiq al-Mousllie, einer der Sprecher des Syrischen Nationalrats in Deutschland, im Gespräch mit der DW. Die Rebellen rückten immer weiter vor, inzwischen seien sie bis ins Zentrum von Damaskus vorgedrungen. Und auch am Flughafen der Hauptstadt würde gekämpft. "Der Flughafen ist weniger ein strategisches als ein symbolisches Ziel", so Al-Mousllie. Als solcher habe er für die Regierung Assad eine hohe Bedeutung. Zudem fänden sich bereits zahlreiche Stützpunkte in Händen der Rebellen. "All das zeigt, dass das Regime immer weiter zurückgedrängt wird."

Regime hält eigene Soldaten als Geiseln

Die Regierung Assad, vermutet Al-Mousllie, sei nach zwanzig Monaten Kampf an ihre Grenzen gekommen. Immer mehr Soldaten würden desertieren, während die Rebellen ihre Strategie in den letzten Monaten verbessert hätten: "Sie kämpfen jetzt viel organisierter und konzentrieren sich auf strategische Ziele." Von den Revolutionären gefangene Soldaten hätten zudem berichtet, dass sie nicht hätten desertieren können. "Sie wurden von den Schabiha-Milizen bewacht und praktisch als Geiseln gehalten", erklärt Al-Mousllie.

Auch Al-Mousllie lehnt den Einsatz von Friedenstruppen zum jetzigen Zeitpunkt ab. "Dieser Schritt wäre vielleicht vor einigen Monaten angemessen gewesen. Man hätte so das Regime unter Druck setzen und zudem viele Menschenleben retten können", sagt Al-Mousllie. "Jetzt aber verzeichnen wir Erfolge der Freien Syrischen Armee. Darum sind Friedenstruppen jetzt fehl am Platz."

Zerrissenes Plakat auf dem Bashar al-Assad zu sehen ist (Foto:AP/dapd)
Am Ende: Bashar al-AssadBild: AP

Diplomatischer Erfolg der "Nationalen Koalition"

Neben militärischen kann das Oppositionsbündnis der "Nationalen Koalition" auch diplomatische Erfolge verbuchen. Runde 130 Staaten und Organisationen erkannten das Bündnis bei der Konferenz in Marrakesch als "legitime Vertreterin des syrischen Volks" und als Dachorganisation der Opposition an. Ein starkes Signal, mit dem die "Freundesgruppe", zu der unter anderem Deutschland, die EU, die USA und viele arabische Staaten gehören, die "Nationale Koalition" weiter aufwertet. Offenbar hält man die Streitigkeiten innerhalb des Oppositionsbündnisses für überwunden. Zumindest erscheint den sogenannten "Freunden Syriens" die Koalition geschlossen genug, den weiteren Verlauf der Revolution politisch und militärisch zu steuern.

So lobte unter anderem der deutsche Außenminister Guido Westerwelle die Arbeit der Koalition. Sie habe eine "beeindruckende Leistung" gezeigt. "Trotzdem bleibt noch viel zu tun", mahnte Westerwelle. "Nur eine politische Lösung, die alle einschließt, wird die Gewalt beenden und einen dauerhaften Frieden bringen." Bereits am Tag zuvor hatte sich US-Präsident Barack Obama indirekt an die "Nationale Koalition" gewandt. "Die Anerkennung bedeutet natürlich auch Verantwortung", erklärte er im US-Fernsehen.

Koalition wünscht sich mehr Waffen

Angesichts des nahenden Winters stockt Deutschland seine Hilfe für die syrische Bevölkerung um weitere 22 Millionen Euro auf nun 90 Millionen Euro auf. Zum Beginn des kommenden Jahres werden nach UN-Angaben vier Millionen Syrer auf humanitäre Hilfe angewiesen sein.

Poträt Sadiq al Mousllie Foto: privat
Al-Mousllie ist Sprecher des Syrischen NationalratsBild: Sadiq al Mousllie

Die "Nationale Koalition" begrüßte die Hilfszusagen ausdrücklich, machte zugleich aber noch einmal darauf aufmerksam, dass die Rebellen mehr Waffen benötigten. Waffen würden helfen, die Kämpfe schneller zu beenden. "Die syrische Koalition erklärt, die Syrer könnten sich selbst helfen, wenn sie hinreichend und angemessen bewaffnet würden", sagte Al-Mousllie. "Das ist es auch, was die Syrer von der Weltgemeinschaft erwarten."

Gefahr des Extremismus

Tatkräftige Unterstützung der Opposition hält auch die Zeitung "Al Sharq al Awsat" für nötig. Die Existenz einer starken einheitlichen revolutionären Kraft würde auch den Terrorismus in Syrien zurückdrängen. "Sollten die brutalen Verbrechen des Assad-Regimes weitergehen, sollte niemand über Extremismus erstaunt sein, auch nicht bei moderaten Syrern", schreibt "Al Sharq al Awsat". "Der Tod von mehr als 40.000 Menschen kann auch die nüchternsten Syrer dazu bringen, den Verstand zu verlieren."