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Neue Datei im Kampf gegen Rechtsextremismus

Marcel Fürstenau19. September 2012

In Wiesbaden fließen alle Informationen zusammen. Zugriff haben 36 Behörden. Ziel ist eine bessere Kommunikation nach dem Desaster bei der NSU-Terrorzelle. Rechtliche Zweifel könnten die Sache zu Fall bringen.

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Innenminister Hans-Peter Friedrich (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hat am Mittwoch (19.09.2012) in Berlin die neue Rechtsextremismusdatei (RED) vorgestellt. In ihr werden ausschließlich Daten zur Bekämpfung des gewaltbezogenen Rechtsextremismus gespeichert. Mit Hilfe des neuen Instruments soll die Kommunikation zwischen den Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern verbessert werden. Hintergrund ist die Pannenserie im Zusammenhang mit der Mordserie des „Nationalsoziaistischen Untergrunds“ (NSU), auf dessen Konto mutmaßlich zehn Morde zwischen 2000 und 2007 gehen.

Verfassungsschutzchef: „Datei zwingend erforderlich“

Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Hans-Georg Maaßen, bezeichnete die Rechtsextremismusdatei als "zwingend erforderlich", um einen "umfassenden Informationsaustausch" zwischen den beteiligten 36 Behörden zu gewährleisten. Auf Seiten des Bundes sind neben dem Bundeskriminalamt (BKA) und dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) der Militärische Abschirmdienst (MAD) und die Bundespolizei beteiligt. Außerdem haben die jeweils 16 Verfassungsschutz- und Kriminalämter der Länder Zugriff auf die beim federführenden BKA in Wiesbaden angesiedelte Datei.

Nach den Worten des Bundesinnenministers wird es ab sofort möglich sein, „per Mausklick“ Informationen über rechtsextremistische Personen mit Gewaltbezug zu erhalten. So sei sofort zu erkennen, welche Behörde zu einem bestimmten Sachverhalt etwas weiß. Es werde möglich sein, Informationen über Personen und ihre geografische Zuordnung zu verknüpfen. Mit solchen Analysen, hofft Friedrich, könnten rechtsextremistische Strukturen und Netzwerke schneller erkannt werden.

Zentrale Datei gegen rechten Terror

Genau daran krankte es in der Vergangenheit, weil die isoliert arbeitenden Sicherheitsdienste brisante Informationen oft für sich behielten. Friedrich erinnerte in diesem Zusammenhang daran, dass man den Angehörigen der NSU-Opfer versprochen habe, die Taten aufzuklären und die Täter zur Verantwortung zu ziehen

Friedrich: „Keine Schnüffeldatei“

Der Präsident des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, betonte, jede Person aus dem rechtsextremistischen Spektrum könne abgefragt werden. Es reicht aber nicht aus, eine rechtsextreme Gesinnung zu haben oder Mitglied der rechtsextremen NPD zu sein. Den schon zuvor von Kritikern erhobenen Vorwurf, es handele um eine „Schnüffeldatei“, hält Innenminister Friedrich deshalb für abwegig. Auch einer möglichen Klage vor dem Bundesverfassungsgericht sieht der CSU-Politiker gelassen entgegen. Dass es dazu kommen könnte, ist keinesfalls auszuschließen. Anfang November wird das Gericht über eine Klage gegen die seit 2007 bestehende Antiterrordatei verhandeln. Diese Datei ist ein zentrales Instrument bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus. Minister Friedrich bezeichnete sie bei der Vorstellung der Rechtsextremismusdatei ausdrücklich als Vorbild.

Unterschiedlich fielen die Reaktionen auf die RED aus. Die innenpolitische Sprecherin der Freien Demokraten (FDP) im Deutschen Bundestag, Gisela Piltz, bezeichnete die als „offensichtlich notwendig“. Es habe sich herausgestellt, „dass trotz bestehender rechtlicher Möglichkeiten zur Zusammenarbeit nicht alle Sicherheitsbehörden an einem Strang gezogen“ hätten, kritisierte Piltz.

Anhänger der rechtsextremen Szene laufen am 14.08.2010 bei einer Kundgebung durch Bad Nenndorf (Foto: dpa)
Noch kein Grund für einen Eintrag: Junge Neonazis demonstrierenBild: picture-alliance/dpa

Die Obfrau der Linken im NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages, Petra Pau, sagte, die Datei „klingt besser“, als sie sei. Sie warf dem Verfassungsschutz vor, „gern im Trüben zu fischen und das Licht zu meiden“. Damit spielte Pau indirekt auf die erst vor wenigen Tagen bekannt gewordene Existenz eines Berliner V-Mannes an, der den Sicherheitsbehörden schon 2002 Hinweise auf den möglichen Aufenthaltsort des NSU-Terrortrios gegeben haben soll.