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NATO vertröstet Georgien

Bernd Riegert2. April 2014

Die Krise mit Russland will die NATO nicht verschärfen. Deshalb werden weder die Ukraine noch Georgien bald Mitglieder des Bündnisses. Georgien darf aber weiter hoffen. Nächste Chance: der Gipfel im Herbst.

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Flaggen wehen am Nato-Hauptquartier in Brüssel (Foto: JOHN THYS/AFP/Getty Images)
Bild: John Thys/AFP/Getty Images

Der amerikanische Präsident Barack Obama hat es bei seinem Besuch in Brüssel in der vergangenen Woche schon sehr deutlich gesagt: Die Ukraine und Georgien sehe er im Moment nicht auf dem Weg zu einer Mitgliedschaft in der NATO. Trotzdem haben sich die Außenminister der Allianz in Brüssel mit ihrer Amtskollegin aus Georgien, Maja Panjikidze, getroffen, um über die Beitrittsbemühungen der früheren Sowjetrepublik im Kaukasus zu sprechen.

Wie schon bei zahlreichen Treffen und Gipfeln zuvor erklärte NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen, dass Georgien NATO-Mitglied werden wird - irgendwann. "Wir bleiben fest in unserer Unterstützung der Souveränität und territorialen Integrität Georgiens in den international anerkannten Grenzen. Wir fördern weiterhin die transatlantischen Ziele Georgiens", so Rasmussen. Da Russland, wie bei der Ukraine, auch eine Mitgliedschaft Georgiens in der westlichen Allianz ablehnt, zögert man in Brüssel. Offiziell betont Rasmussen aber das Prinzip: Kein Land, auch Russland nicht, dürfe einem anderen vorschreiben, in welches Bündnis es eintrete.

Georgien will am Ball bleiben

Von NATO-Diplomaten hieß es, solange Russland zwei abtrünnige Provinzen Georgiens besetzt halte und dieser Streit nicht gelöst sei, wird die NATO sich kaum einen solchen Konflikt durch ein Beitrittsangebot an Georgien ins eigene Haus holen. Im Sommer 2008 hatte Russland nach einem kurzen Krieg mit Georgien Abchasien und Südossetien de facto besetzt. Beide Provinzen streben schon seit Anfang der 1990er-Jahre nach Unabhängigkeit bzw. Anschluss an Russland. Wenige Monate zuvor, im April 2008, hatte die NATO beim Gipfeltreffen in Bukarest beschlossen, sowohl Georgien als auch die Ukraine aufzunehmen. Schon damals lehnte das der russische Präsident Wladimir Putin strikt ab. Seinen Bedenken trugen - inoffiziell - einige europäische NATO-Mitglieder Rechnung. Die Allianz verzichtete damals darauf, einen Zeitplan zu nennen oder konkrete Vorbereitungen für einen Beitritt zu starten.

Georgiens Außenministerin Panjikidze (li.) bei NATO-Chef Rasmussen (Foto: JOHN THYS/AFP/Getty Images)
Georgiens Außenministerin Panjikidze (li.) bei NATO-Chef RasmussenBild: John Thys/AFP/Getty Images

Heute, sechs Jahre später, will die neue Regierung Georgiens immer noch Mitglied der nordatlantischen Allianz werden. "Dieses Streben wird von der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung Georgiens und den großen politischen Parteien befürwortet", sagte der neue georgische Premierminister Irakli Garibashivili bei seinem letzten Besuch im NATO-Hauptquartier Anfang Februar. "Die Regierung Georgiens unternimmt jede Anstrengung, um den Weg der Reformen fortzusetzen, die uns der NATO näher bringen", versprach Garibashivili. Die NATO erkenne die großen internen Fortschritte, die Georgien bei der Demokratisierung seiner Gesellschaft macht, durchaus an, so Rasmussen. Und fügt hinzu, das Land sei einer der wichtigsten Truppensteller in der Afghanistan-Mission. Georgien wird sich mit Truppen auch an der Nachfolge-Mission in Afghanistan nach 2014 beteiligen.

Eine Landkarte des Kaukasus
Im Kaukasus: kompliziertes VölkergemischBild: DW

NATO zögert wegen russischem Widerstand

Ob beim nächsten Gipfeltreffen der Allianz, das im September in Wales geplant ist, über Georgien und die Aufnahme von neuen Mitgliedern gesprochen wird, wollte der scheidende Generalsekretär nicht sagen. Im Juni, so berichten NATO-Diplomaten in vertraulichen Gesprächen, werde die Allianz die Mitgliedsanträge noch einmal prüfen. Es sei möglich, dass Georgien beim Gipfel dann ein vorbereitender Plan zur Mitgliedschaft angeboten wird. Erst einmal müsse die Ukraine-Krise mit Russland bewältigt werden. "Jetzt ist nicht gerade die Zeit, um sich wieder neuen Ärger einzuhandeln", so NATO-Diplomaten in Brüssel. Man wolle sich von Russland aber auch nicht erpressen lassen.

Der ukrainische Außenminister hat den Außenministern keinen Wunsch nach einem baldigen Beitritt vorgetragen. Wohl aber will die NATO die politische und nicht-militärische Zusammenarbeit mit der Ukraine verstärken. Eventuell kann es auch gemeinsame Manöver mit NATO-Truppen geben.

Diplomatische Eiszeit: Russland kritisiert NATO

Auf die Entscheidung der NATO, wegen der Besetzung der ukrainischen Halbinsel Krim ihre Kontakte mit Russland einzufrieren, hat die russische Seite inzwischen reagiert. Der stellvertretende Regierungschef Dmitri Rogosin, der früher selbst Botschafter bei der NATO war, machte sich über die Allianz lustig und nannte die Entscheidung einen Aprilscherz. Der russische Außenminister Lawrow zeigte sich in einem Telefongespräch mit seinem amerikanischen Kollegen Kerry verärgert über den Schritt, der bereits vor drei Wochen angekündigt worden war. Andererseits gab der russische Ministerpräsident Medwedew der Hoffnung Ausdruck, dass die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Russland und dem Westen stabil blieben.

Russische Truppen machen NATO-General Sorgen

Die NATO sah auch am zweiten Tag der Außenministertagung in Brüssel keine Anzeichen dafür, dass sich russische Truppen, wie angekündigt, aus dem Grenzgebiet zur Ukraine zurückziehen würden. Der US-General Philip Breedlove, Oberkommandierender der NATO in Europa, warnte, die russische Truppenstärke sei so groß, dass die Armee jeden Punkt in der Ukraine innerhalb weniger Tage erreichen könnte. Die Lage an der Grenze sei "unglaublich besorgniserregend", sagte der General der Zeitung "Wall Street Journal".

Nato-Oberkommandeur General Philip Breedlove (Foto: Marc Müller dpa)
General Breedlove: Kein Abzug zu erkennenBild: picture-alliance/dpa

Der frühere NATO-Generalsekretär Lord George Robertson mahnte anlässlich des 65. Gründungstages des Nordatlantik-Vertrages am Freitag (04.04.2014), die Allianz dürfe nicht alles der Krise mit Russland unterordnen und wieder zur Strategie der Territorial-Verteidigung wie im Kalten Krieg zurückkehren. Die neue NATO habe weiter gefasste globale Aufgaben, etwa in Afghanistan. Am Ende werde man die Russen mit ins Boot holen müssen, mahnte Lord Robertson in dem Internet-Videomagazin "NATO-Review": "Es kann in Europa keine Sicherheit geben, wenn es nicht eine Organisation gibt, die sagt: Wir treten für freiheitliche Werte ein. Und das muss Russland mit einschließen. Entweder unter der jetzigen Führung oder unter einer anderen Führung. Die erste Regierung unter Putin, als er das erste Mal Präsident war, hat genau an dieses Ziel geglaubt."