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Verhütung mit Nanofasern

Brigitte Osterath1. Januar 2013

Forscher haben ein netzartiges Gewebe hergestellt, das auch Medikamente freisetzen kann. Das Ziel: Gleichzeitiger Schutz vor Schwangerschaft und vor Geschlechtskrankheiten.

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Mann und Frau auf Bett, vor ihnen Kondome und die Pille (Foto: CTK Photo/Josef Horazny, Martin Sterba)
Verhütung GeburtenkontrolleBild: picture alliance / CTK

Ist das die Verhütungsmethode der Zukunft? Möglicherweise, sagen US-Wissenschaftler von der Universität Washington in Seattle. Sie haben ein dehnbares Gewebe aus nur nanometergroßen Fasern hergestellt. Es ist so feinporig, dass es selbst Spermien zurückhält.

Das Gewebe lässt sich außerdem so gestalten, dass es sich allmählich im Körper auflöst, berichten die Forscher im Fachmagazin "Plos One". Dabei kann es Medikamente freisetzen, zum Beispiel antivirale Substanzen, die eine HIV-Infektion verhindern sollen, oder Spermizide, die Spermien abtöten.

Wie schnell sich das Netz im Körper auflöst, hängt von dem verwendeten Kunststoff ab. "Wir stellen uns Materialien vor, die langsam über zwei Tage verschwinden", sagt Cameron Ball von der Universität Washington gegenüber der Deutschen Welle.

"Über diese Zeit hinweg könnten sie dann kontinuierlich Medikamente freisetzen, aber weiterhin als physikalisches Hindernis dienen." Die Spermien würden von den freigesetzten Substanzen abgetötet, bevor sich das Netz endgültig auflöst.

Nanofasern mit Spermien davor (Foto: Kim Woodrow, University of Washington)
Das Gewebe aus Nanofasern hält auch Spermien zurück (blau).Bild: Kimm Woodrow, University of Washington

Das Gewebe sei in der Lage, viele unterschiedliche Formen anzunehmen, sagt Ball: flache Blätter, hohle Röhren oder gebogene Oberflächen. "Eine Frau könnte beispielsweise ein kleines Quadrat, etwa fünf mal fünf Zentimeter groß, über dem Finger auf die Hälfte der Größe falten und in die Scheide einführen." Das Nanomaterial würde an Ort und Stelle anhaften. Sobald es sich auflöst, entstünde eine Art Gel.

Das Netz wird von außen nicht sichtbar sein, betont der Forscher. "Frauen können es also auch ohne Zustimmung ihres Partners benutzen."

Der Alleskönner

"Unser Traum war es, ein Produkt zu erschaffen, das Frauen gleichzeitig vor HIV und unbeabsichtigter Schwangerschaft schützt", sagt Kim Woodrow, Leiterin der Studie. Es ist das erste Mal, dass Nanofasern überhaupt als Verhütungsmethode in Betracht gezogen werden.

"Ein innovativer und spannender Ansatz", meint Michael Ludwig, Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe bei Amedes, einer Hamburger Klinik für Endokrinologie, Kinderwunsch und Pränatale Medizin, im Interview mit der DW. "Aber man muss erst mal abwarten, wie zuverlässig und praktikabel diese Methode im täglichen Gebrauch sein wird."

Auch die Privatstiftung von Bill und Melinda Gates hält die Idee offensichtlich für vielversprechend: Sie hat dem Projekt bereits knapp eine Million US-Dollar für weitere Forschungen zugebilligt.

bunte Kondome (Foto: Sergejs Rahunoks)
Kondome schützen perfekt vor Geschlechtskrankheiten.Bild: Fotolia/Sergejs Rahunoks

Kondome bisher ungeschlagen

Es gibt tatsächlich einen großen Bedarf nach einer neuen Verhütungsmethode, die sowohl eine Schwangerschaft als auch die Übertragung von Geschlechtskrankheiten verhindert, sagt Ludwig. Die einzige bisher Erhältliche ist das Kondom.

Die Pille hingegen ist zwar sehr sicher, wenn es um die Schwangerschaftverhütung geht, aber bietet überhaupt keinen Schutz gegen Krankheiten - nach wie vor ein großes Problem, sagt der Frauenarzt. "Wir reden hier nicht nur von HIV. Viele andere Geschlechtskrankheiten sind sogar viel leichter übertragbar, Hepatitis zum Beispiel."

Der Frauenarzt warnt auch vor humanen Papillomaviren (HPV), die Gebärmutterhalskrebs verursachen können, und vor Chlamydien, parasitären Bakterien, die unfruchtbar machen können.

Praktisch muss es sein

Kondome schützen zuverlässig vor Geschlechtskrankheiten. Aber sie haben einen großen Nachteil: Sie sind lästig. Denn sie müssen genau dann angewendet werden, wenn es im Bett wirklich spannend wird.

"Unter sexuellem Einfluss sind Menschen unberechenbar", sagt Luwig. Das hätten sogar psychologische Studien vielfach bewiesen. Die Verhütung werde dann ganz gerne mal vergessen. "Das Wichtigste ist daher, dass eine Verhütungsmethode einfach zu benutzen ist."

Die fehlende Praktikabilität ist vermutlich auch der Grund, warum chemische Verhütungsmittel wie Schäume und Cremes sich bisher nicht wirklich durchgesetzt haben. Frauen müssen sie zum genau richtigem Zeitpunkt vor dem Geschlechtsverkehr an eine bestimmte Stelle in der Scheide auftragen. Außerdem können diese Mittel brennen.

Eine Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) ergab im Jahr 2011, dass sich über die Hälfte aller Deutschen zwischen 18 und 49 Jahren für die Pille als Verhütungsmittel der Wahl entscheidet. Ein Drittel benutzt Kondome.

Anti-Baby-Pille (Foto: Fotolia/Kristina Rütten)
Die Pille ist das beliebteste Verhütungsmittel der Deutschen.Bild: Fotolia/Kristina Rütten

Ob die neuen Nanofasern ein Erfolg werden, hänge daher vor allem davon ab, wie und wann das Gewebe eingeführt werden muss, sagt Ludwig.

"Momentan haben wir noch keine endgültige Vorstellung, wie die Produkte in ihrer Anwendung aussehen werden", sagt US-Forscher Cameron Ball. "Auf jeden Fall müssten umfangreiche Studien zur Nutzerakzeptanz durchgeführt werden, bevor ein Verhütungsmittel auf den Markt kommt."