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EU-Parlament beschließt "Erasmus+"

Nina Treude / Svenja Üing20. November 2013

Jeder dritte deutsche Studierende verbringt ein Semester im Ausland. Mit dem erweiterten Förderprogramm "Erasmus+" sollen die Zahlen nun europaweit weiter steigen, auch bei Schülern und Auszubildenden.

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Tänzerinnen des Friedrichstadtpalastes tragen einen Berliner Stadtplan auf den Kostümen (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Neue Freunde, neue Kulturen und nicht zuletzt auch ein neues Studiensystem hat Bianca Lopez im Ausland kennen gelernt. "Ich hätte vorher nicht gedacht, dass ich so tolle Erfahrungen sammeln würde", erinnert sich die Bonner Psychologiestudentin. Mit Hilfe des Deutschen Akademischen Austauschdienstes war sie für ein Auslandssemester in Spanien. Sie ist selbst halbe Spanierin, aber nur mit Deutsch als Muttersprache aufgewachsen. Um endlich auch die spanische Kultur besser kennen zu lernen, machte sie 2009 ihren Traum wahr und ging mit dem europäischen Austauschprogramm ERASMUS an die Universidad Complutense in Madrid. "Ich kann nur jedem empfehlen, zu schauen, wo es am besten in den Studienablauf passt und diesen Austausch einfach zu machen", sagt Bianca.

Damit noch mehr junge Europäer wie Bianca einen Blick über ihren Tellerrand wagen können, hat das EU-Parlament am Dienstag in Straßburg eine Ausweitung des Erasmus-Förderprogramms gebilligt. Mehrere bereits existierende Insrumente werden zu diesem Zweck zu einem großen Programm "Erasmus+" zusammengelegt, dazu zählen die Programme Comenius, Erasmus, Erasmus Mundus, Leonardo da Vinci und Grundtvig.

Die neue Dachmarke Erasmus+ soll in den kommenden sieben Jahren mehr als vier Millionen jungen Menschen ermöglichen, einen Teil ihrer Ausbildung im Ausland zu verbringen – das sind fast doppelt so viele wie bisher. Auch junge Führungskräfte, ehrenamtliche Tätige und erstmals auch Nachwuchssportler sollen gefördert werden.

In den letzten 26 Jahren haben rund 2,5 Millionen Studenten mitgemacht

Seit dem Programmstart im Jahr 1987 sind rund 2,5 Millionen Studierende und mehr als 300.000 Lehrende mit Erasmus im Ausland gewesen. In Deutschland ist Bianca Lopez eine von mittlerweile etwa 30.000 Studentinnen und Studenten, die jährlich mit dem Programm in ein anderes Land gehen. Insgesamt vermittelt das EU-Programm Studierende und Dozenten an Universitäten in 33 Teilnahmeländer, neben den EU-Mitgliedsstaaten nehmen auch die Schweiz, Liechtenstein, Norwegen, Island und die Türkei teil. Das funktioniert durch Partneruniversitäten, die jede Hochschule im Ausland hat.

Reisepass mit Banknoten auf einer Reisekarte (Foto: Fotolia/UbjsP)
Üppige Fördermittel sollen mehr jungen Menschen einen Auslandsaufenthalt ermöglichenBild: UbjsP - Fotolia.com

Aber nicht nur Studierende und Lehrende, auch Schüler und Auszubildende können mit EU-Unterstützung neue Länder erkunden. Die darauf spezialisierten Programme "Comenius" und "Leonardo da Vinci" machen es möglich. Sie sind ganz ähnlich wie das Erasmus-Programm aufgebaut und arbeiten mit Partnerschulen und Partnerunternehmen im Ausland zusammen. Die Teilnehmer erhalten in allen Programmen den sogenannten Mobilitätszuschuss, der einen Teil der Reise- und Aufenthaltskosten decken soll.

Großzügige Reisekasse: 14,5 Milliarden Euro für junge Europäer

Möglich wird das mit Hilfe von 14,5 Milliarden Euro, die im Zeitraum von 2014 bis 2020 bereitgestellt werden. Die bisherigen Förderprogramme Erasmus, Comenius und Leonardo da Vinci bleiben in ihrer Grundform zwar bestehen, werden nun aber also im Rahmen von Erasmus+ unter einem Dach zusammengefasst. Das gilt auch für alle anderen internationalen EU-Hochschulprogramme, wie Erasmus Mundus, das Hochschulpartnerschaften mit Drittländern fördert. "Das neue Programm will nicht nur Maßnahmen in den Bildungsbereichen Schule, Studium und Ausbildung fördern, sondern auch bereichsübergreifende Projekte", erklärte Dr. Siegbert Wuttig, der Leiter der Nationalen Agentur für EU-Hochschulzusammenarbeit im Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD), im Sommer, als die Erasmus+-Pläne erstmals einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt wurden.

Mit Erasmus+ gegen die Jugendarbeitslosigkeit angehen

Erasmus+ wird drei große Aktionslinien haben: Mobilität, Partnerschaften und Politikunterstützung. Förderschwerpunkt ist der Bereich Mobilität, denn damit hofft die EU die steigende Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen, die momentan als eines der dringlichsten europäischen Probleme gilt. "Das neue Programm wird deshalb auch dazu beitragen, dass junge Europäer zusätzliche Kompetenzen und Qualifikationen im Ausland erwerben und damit ihre Beschäftigungschancen verbessern", so Siegbert Wuttig.

Junge Demonstranten sitzen auf einem Platz in Madrid (Foto: dpa)
Die steigende Jugendarbeitslosigkeit ist derzeit eines der dringlichsten Probleme EuropasBild: picture-alliance/dpa

Gerade die Erfahrungen auf einem anderen Arbeitsmarkt, die das Programm Auszubildenden, Studierenden und Hochschulabsolventen durch Unternehmenspraktika bietet, sind dabei eine große Hilfe. Aber neben erster Berufserfahrung und der akademischen Karriere steht vor allem die persönliche Erfahrung im Vordergrund, wie Bianca Lopez findet: "Auf jeden Fall bin ich noch selbständiger geworden, als ich schon durch das Studium in Deutschland war."

Neue Möglichkeiten für Studierende und Hochschulen

Auch für Studierende wird das Programm interessante Neuerungen anbieten. Sie können beispielsweise künftig ihr gesamtes Masterstudium europaweit über ein zinsgünstiges Darlehen finanzieren. Denn allein mit dem bisherigen Mobilitätszuschuss von rund 300 Euro lässt sich nur ein Teil der Kosten decken, daran erinnert sich auch Bianca Lopez noch gut.

Ein junger Mann steht vor der Kulisse mehrerer Metropolen (Foto: Fotolia/lassedesignen)
Mit Erasmus+ die Welt entdecken ...Bild: lassedesignen/Fotolia

Zudem soll das Programm künftig auch ein kleines Fenster zur Welt öffnen, also die Möglichkeit zum Austausch mit außereuropäischen Ländern geben. Für die Hochschulen wird mit der neuen Maßnahme "Strategische Partnerschaften" die Möglichkeit geschaffen, ihre Internationalisierungsstrategien auszubauen. Mit den "Internationalen Hochschulpartnerschaften" können Hochschulen mit europäischen Partnern beispielsweise Hochschulen in Entwicklungsländern helfen, ihre personellen und räumlichen Kapazitäten auszubauen.

Nicht nur Zuspruch für das neue Erasmusprogamm

Allerdings haben die Neuerungen nicht nur Zuspruch erhalten. Die Grünen im Europaparlament kritisierten, dass es sich bei dem angeblichen 40-Prozent-Zuwachs um "Augenwischerei" handele. Vergessen werde etwa, dass mit Kroatien ein neues EU-Land dazugekommen sei. Und auch das neue Kreditinstrument für den Auslandsaufenthalt ist nicht unumstritten. Darin sehen die Abgeordneten der europäischen Linkspartei ein "Verschuldungssystem à la USA".

Bianca Lopez, die sich seit ihrem Studienaufenthalt in Spanien im Erasmus-Student-Network an ihrer Heimatuni in Bonn engagiert, findet, dass jeder Studierende die Möglichkeit bekommen sollte, sich durch ein Auslandssemester weiterzuentwickeln. Mit der Zusammenfassung verschiedener Programme soll natürlich auch die Verwaltung vereinfacht werden. Inwieweit das tatsächlich der Fall sein wird, bleibt allerdings abzuwarten.