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Nachhaltig leben in Hyderabad

12. Dezember 2012

Wenn Megacities eine Zukunft haben sollen, dann müssen sie nachhaltig werden. Wie das funktionieren kann, wollen Berliner Forscher herausfinden - für die indische Metropole Hyderabad.

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An Indian Muslim boy sits on a cycle rickshaw transporting goods ahead of Eid al-Fitr, the festival that marks the end of the holy fasting month of Ramadan, in Hyderabad, India, Thursday, Sept. 9, 2010. (AP Photo/Mahesh Kumar A.)
Bild: AP

Deutsche Forscher entwickeln Ideen, wie wir noch vorhandene Ressourcen möglichst gewinnbringend nutzen können. Doch sie tun dies nicht nur für Deutschland. In dieser Serien zeigen wir, welche Nachhaltigkeitskonzepte deutsche Forscher für das Ausland entwickeln.

Folge 1: Von Berlin nach Hyderabad


Für deutsche Dimensionen ist Berlin schon riesig, aber auch wirkliche Megacities wie Manila, Bangkok, Istanbul oder Buenos Aires müssen auf Nachhaltigkeit setzen, um Zukunft zu haben, sagen Forscher. Deshalb entwickelt ein Team der HU Berlin ein Konzept für die indische Stadt Hyderabad, das aufzeigen soll, wie eine so riesige Stadt von sieben Millionen Einwohnern nachhaltig und klimafreundlich zur Megacity mit zehn Millionen Einwohnern wachsen kann.

Als die Wissenschaftler aus Deutschland 2008 die Menschen in Hyderabad nach dem Klimawandel fragten, bekamen sie keine Resonanz, es gab keine konkreten Projekte vor Ort. “Aber wenn wir die Frage anders formuliert haben, gefragt haben, ob die Wasservorräte weniger werden und die Temperaturen steigen - da haben wir plötzlich sehr viel Rückmeldung bekommen”, sagt Ramesh Chennamaneni, der gemeinsam mit Konrad Hagedorn die Forschungsgruppe “Sustainable Hyderabad” der HU Berlin leitet.

Denn bereits heute hat Hyderabad mit großen Temperaturschwankungen und unterschiedlichen Regenmengen zu kämpfen - für die Zukunft werden diese Schwankungen noch extremer. Schon die aktuelle Situation ist kaum zu verkraften für die Stadt - es gibt Gesundheitsprobleme, die Regenmassen zerstören viele Gebäude, legen die Infrastruktur lahm, unterbrechend die Energieversorgung und machen eine gesicherte Versorgung mit Trinkwasser unmöglich.

Um die Auswirkungen des Klimawandels auf die Stadt gering zu halten, sei eine bessere Planung in den fünf Bereichen Transport, Energie, Ernährung, Gesundheit und Wasserversorgung erforderlich, sagen die Forscher. Nur so können die Menschen Überflutungen und Hitzewellen mindern und überstehen.

Wie so eine “alternative Zukunft” aussehen kann, erproben die Wissenschaftler vor Ort in acht Pilotprojekten, die bis Oktober 2012 laufen.

Statt Regenwasser soll der Verkehr fließen
Noch hat Hyderabad die magische Grenze zur Megacity mit zehn Millionen Einwohnern nicht überschritten. Doch auch die knapp sieben Millionen Einwohner der Stadt sind in Bewegung - oder auch nicht, wenn das Verkehrschaos die Mobilität lahmlegt. Die Forscher wollen deswegen den Verkehr neu planen: Das neue Verkehrssystem soll weniger anfällig für die Auswirkungen des Klimawandels sein - aber sich auch weniger auf das Klima auswirken. Der Transportsektor verantwortet bislang 20 Prozent der Treibhausgasemissionen Hyderabads und verschmutzt die Luft. Zukünftige Straßennetze sollen weniger anfällig sein für Regenfluten und die Verbesserung des öffentlichen Verkehrsnetz soll die Treibhausgasemissionen senken.

Straßenverkauf von Lebensmitteln
Doch auf den Straßen sind nicht nur Autos unterwegs: auch Straßenverkäufer bieten hier ihre Snacks und Lebensmittel an. Mit Workshops, Street food Festen, Gruppendiskussionen und wissenschaftlichen Studien soll das Bewusstsein der Menschen und der Verkäufer für Lebensmittelsicherheit wachsen. Beispielsweise entwickelten Experten zusammen mit Verkäufern dazu ein Handbuch in Englisch und Telugu, das die wichtigsten Informationen zu gesunden Nahrungsmitteln, Energie-effizienter Nahrungszubereitung, sichere Handhabung und Müll-reduzierenden Maßnahmen zusammenfasst.

Neue Wege in der Energieversorgung
Neues Bewusstsein sollen auch Solaranlagen auf einigen Schuldächern schaffen. Der Computer- und Informatik-Unterricht entfällt dank des Sonnenstroms nicht mehr, auch wenn es in dem Stadtdistrikt gerade einen Stromausfall gibt. Überschüssigen Strom können die Schulen weiterverkaufen. “Die Schüler sehen und lernen so, dass es sich wirtschaftlich lohnt, auf grüne Energie zu setzen”, sagt Chennamaneni.

Auch außerhalb der Stadt, im periurbanen Raum, arbeiten die Wissenschaftler an Energie-effizienten Alternativen. Denn die dortige Landwirtschaft verbraucht 30 Prozent der gesamten Energie Hyderabads. Die ineffektiven Wasserpumpen der Landwirte sollen jedoch nicht durch neue, effektivere ersetzt werden, die teuer in der Anschaffung sind. Stattdessen lernen die Landwirte, wie sie für ein Zwanzigstel der Kosten ihre alten Motoren aufrüsten. Die arbeiten dann Energie-effizienter und gehen seltener kaputt. Davon profitieren alle Seiten: Die Landwirte werden unabhängiger und sparen Reparaturkosten, die Firmen den Reparaturaufwand und der Stadt steht mehr Energie zu Verfügung.

Vom Pilotprojekt zum Konzept für ganz Hyderabad
Nach Abschluss des Experiments “Nachhaltiges Hyderabad” analysieren die Wissenschaftler, was die Projekte bewirkt haben. “Danach entwickeln wir einen Aktionsplan, wie sich die Pilotprojekte flächendeckend auf die gesamte Stadt übertragen lassen.” Das zuständige indische Ministerium hat sich bereits verpflichtet, die Ergebnisse des Berliner Teams in ihren Masterplan für Hyderabad für das Jahr 2031 mit aufzunehmen.

“Unsere Forschungsergebnisse werden die Lebensgewohnheiten der Menschen nicht ändern können”, sagt Chennamaneni. “Unser Ziel ist vielmehr, Bewusstsein dafür zu schaffen, dass die Menschen tatsächlich dem Klimawandel entgegenwirken können, ihnen zu zeigen, wie sie das machen können und dass sich das tatsächlich lohnt."

Autorin: Gianna Grün
Redaktion: Klaus Esterluß