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Präsidentenwahl: Angst vor dem Patt

Gabriel Dominguez / mgr9. Juli 2014

Hauchdünn ist der Vorsprung von Joko "Jokowi" Widodo vor seinem Gegner Prabowo Subianto. Das besagt die erste Schnellzählung bei der indonesischen Präsidentschaftswahl. Ein Kopf-an-Kopf-Rennen - mit absehbaren Problemen.

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Die indonesischen Präsidentschaftskandidaten Subianto Prabowo und Joko Widodo (Foto: REUTERS/Stringer and Beawiharta)
Gegner beim Kampf ums Präsidentenamt: Subianto Prabowo und Joko WidodoBild: Reuters

Nur wenige Stunden nachdem die Wahllokale am Mittwoch (09.07.2014) geschlossen hatten, trat der Bürgermeister von Jakarta, Joko "Jokowi" Widodo, vor die Presse und präsentierte sich als Sieger. Unabhängigen Hochrechnungen ("quick counts") zufolge liegt der 53-jährige Politiker tatsächlich knapp fünf Prozentpunkte vor seinem Rivalen, Ex-General Prabowo Subianto.

Die Hochrechnungen basieren auf einer Stichprobe von etwa einem Prozent der abgegebenen Stimmen in ausgewählten Wahllokalen. Bei vergangenen Wahlen haben sich diese Hochrechnungen als korrekt erwiesen. Aber Praobowo - der von vielen als die Verkörperung der autokratischen Ära Indonesiens gesehen wird - legte schnell andere Hochrechnungen vor, die von seinem eigenen Wahlkampfteam stammen. Denen zufolge gewannen er und sein Mitstreiter Hatta Rajasa "die Unterstütung und das Mandat der indonesischen Bürger".

Dafür müsse Prabowo aber erst Beweise vorlegen, sagt Gregory Poling vom Zentrum für Strategische und Internationale Studien (CSIS) in Washington. Denn in allen Hochrechnungen der drei größten unabhängigen Institute führt Jokowi: mal mit 3,5 Prozent, mal mit etwas mehr als fünf - und damit außerhalb der Fehlermarge von plus/minus einem Prozent.

Der Weg vors Gericht

Die offiziellen Ergebnisse werden erst am 22 Juli bekannt gegeben. Schließlich müssen die Stimmen auf allen mehr als 17.000 Inseln des indonesischen Archipels ausgezählt und zusammengetragen werden. Dass beide Kandidaten sich dennoch jetzt schon jeweils zum Sieger erklären, führt zu einer beispiellosen Pattsituation im Land. Die beiden letzten - und bislang einzigen direkten - Präsidentschaftswahlen wurden deutlich vom bisherigen Präsidenten Susilo Bambang Yudhoyono gewonnen. Er durfte nach zwei Amtszeiten nicht mehr kandidieren und soll im Oktober abgelöst werden.

Joko Jokowi Widodo jubelt bei einer Kundgebung am Wahltag (Foto: REUTERS/Darren Whiteside )
Zu früh gejubelt? Jokowi liegt vorn, doch sein Gegner Prabowo beansprucht den Sieg für sichBild: Reuters

"Es wäre nichts falsch daran, wenn Prabowo die offiziellen Ergebnisse abwarten würde, um seine Niederlage einzugestehen", sagt Poling. "Aber dass er jetzt darauf besteht, gewonnen zu haben, ist doch recht rätselhaft." Sobald die offiziellen Ergebnisse bekannt sind, kann Beschwerde vor dem Verfassungsgericht eingelegt werden - was derzeit mehr als wahrscheinlich ist.

Aber es wäre auch möglich, dass Prabowo weiterhin auf seinem Erfolg besteht und gegen Jokowis Sieg wettert, so Poling: "Das könnte die Lage für seine Koalition und für die Wählerschaft sehr unangenehm machen, denn es könnte in den kommenden Wochen einen polarisierenden Effekt geben." Letzten Endes stünde Prabowo dann unter immensem Druck, die Niederlage anzuerkennen, unabhängig davon, wie schmerzhaft das für ihn sein würde.

Die Indonesier sind enttäuscht

Indonesien ist nicht nur das größte muslimische Land der Welt, sondern auch die weltweit drittgrößte Demokratie: Rund 190 Millionen Menschen durften hier ihre Stimme abgeben. Viele Beobachter bescheinigen dem Land beachtliche demokratische Fortschritte nach dem Ende der Suharto-Diktatur. Aber in den vergangenen Jahren ist die Enttäuschung gewachsen: die Wirtschaft wächst nur noch langsam, der radikale Islam breitet sich weiter aus, es gibt große Armut und wuchernde Korruption.

"Korruption war einer der großen Schwerpunkte im Wahlkampf. Beide Kandidaten versprachen, das System aufzuräumen. Das motiviert speziell junge Indonesier, die jetzt zum ersten Mal abstimmen durften und die unzufrieden waren mit den Fortschritten der bisherigen Regierung im Kampf gegen Bestechung", sagte Poling. Für die meisten Wähler seien aber vermutlich Wirtschaftsthemen oder Fragen wie der Zugang zu Sozialleistungen entscheidend gewesen.

Schon jetzt sind sich die Beobachter einig, dass das Ergebnis der Wahl und der Umgang damit entscheidend sind dafür, ob sich die Demokratie in dem 240-Millionen-Einwohner-Land tatsächlich gefestigt hat. Nach Ansicht von Poling hat sich eine Demokratie erst dann konsolidiert, wenn der friedliche Machtwechsel von einer gewählten Partei auf die andere glückt. "Präsident Yudhoyono war der erste direkt gewählte Präsident; jetzt tritt er ab und ein neues Staatsoberhaupt von einer anderen Partei übernimmt. Das ist eine große Sache."

Was erwartet den nächsten Präsidenten?

Unabhängig davon, wer letztlich offiziell zum Sieger erklärt wird, erwarten den nächsten indonesischen Präsidenten immense Herausforderungen: vom Kampf gegen die Korruption bis hin zur Wiederbelebung der Wirtschaft. "Der neue Präsident steht direkt vor der Herausforderung, eine Koalition zu lenken - und das fängt bereits mit der Bildung seines Kabinetts an. Das war Yudhoyono immer ein Dorn im Auge, denn er musste mit einer sperrigen und oft destruktiven Koalition auskommen", sagt Poling.

Ein Indonesier bei der Stimmabgabe (Foto: Anhari Lubis/Getty Images)
Votum gegen Korruption: Rund 190 Millionen Indonesier durften abstimmenBild: Getty Images

Mit Blick auf die Wirtschaft müsse sich der nächste Präsident entscheiden, ob er eher auf internationale Integration der heimichen Wirtschaft oder auf Protektionismus setzt, sagt Rajiv Biswas, Asien-Experte vom Analyse-Unternehmen IHS: "Indonesiens mittelfristige Aussichten werden von dieser Politik geprägt sein. In den vergangenen zwei Jahren gab es einen eher nationalistischen Ansatz, vor allem im Rohstoff-Sektor", so Biswas. "Kernfrage für internationale Investoren wird sein, ob dies auch auf andere Bereiche angewendet werden wird."