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"Als Märtyrer sterben"

Jens Thurau, z. Zt. in Frankfurt 30. Oktober 2014

Kreshnik B. ist der erste islamistische Syrien-Kämpfer, der in Deutschland vor Gericht steht. Er will aussagen und hofft auf eine milde Strafe. Vor den Richtern in Frankfurt (Main) redete er sich um Kopf und Kragen.

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Terrorprozess gegen Syrien-Rückkehrer Kreshnik B. in Frankfurt am Main - Foto: Ralph Orlowski (Reuters)
Bild: Reuters/Ralph Orlowski

"Ist Ihnen kalt? Ziehen Sie sich ruhig aus, wir tun Ihnen nichts", empfängt der Vorsitzende Richter am Oberlandesgericht, Thomas Sagebiel, den Angeklagten. Kreshnik B., 20 Jahre alt, geboren in Bad Homburg, ist mit Jogginghose im Gericht erschienen - und mit dicker, knallroter Winterjacke. Jetzt zieht er sie aus - und beginnt mit leiser Stimme und kurzen Sätzen zu sprechen. Wie er im Juli 2013 nach Syrien ging, um sich der IS-Terrormiliz anzuschließen, dort nicht gut zurechtkam und schon im Dezember nach Deutschland zurückkehrte. Ohne einen Schuss abgegeben zu haben, wie er betont.

Anwalt Mutlu Günal und Angeklagter Kreshnik B. - Foto: Thomas Kienzle (AFP)
Anwalt Günal und Angeklagter Kreshnik B.: "Die wollten gar nicht, dass ich mitkämpfe"Bild: Getty Images/AFP/T. Kienzle

Noch am Frankfurter Flughafen wurde er verhaftet. Mitgliedschaft in einer ausländischen Terrorgruppe lautet jetzt der Vorwurf, dafür kann man bis zu zehn Jahre Gefängnis bekommen. Richter und Staatsanwaltschaft haben aber eine milde Strafe in Aussicht gestellt, wenn Kreshnik erzählt, warum er zum Dschihadisten wurde. Aber mitten im Verhör fällt der fatale Satz: "Eigentlich möchte ich immer noch als Märtyrer sterben."

Da steht auch seinem Anwalt Mutlu Günal das Entsetzen im Gesicht. Der hat seinen Mandaten in dem seit Oktober laufenden Verfahren überreden können, doch auszusagen, was Kreshnik B. zunächst nicht wollte. Eine schriftliche Erklärung, die Günal an einem der vergangenen Verhandlungstage verlesen hat, reicht dem Gericht nicht. Deshalb antwortet der Angeklagte nun auf Fragen.

"Brüder und Schwestern" verteidigen

So richtig Licht ins Dunkel bringt er aber damit nicht. Wer hat ihn in Deutschland radikalisiert? Namen will Kreshnik nicht nennen. Wie kam er nach Syrien? Über Istanbul, dann mit dem Bus und sechs Gleichgesinnten. An der Waffe sei er ausgebildet worden, aber bei allen Kämpfen habe er nur in der letzten Reihe gestanden. "Die wollten gar nicht, dass ich mitkämpfe", sagt er. Klingt fast ein wenig beleidigt. Verschiedene islamistische Gruppen hätten einander bekämpft: "Das finde ich sehr traurig." Ihm sei es darum gegangen, seine "Brüder und Schwestern" gegen das syrische Assad-Regime zu verteidigen. Und das finde er immer noch richtig. Dann fällt der fatale Satz mit dem Märtyrer.

Das nährt nicht nur bei Richter Sagebiel die Zweifel, ob die Reue des Angeklagten ("Ich will jetzt ein normales Leben führen") echt ist. Geheimdienste haben Telefonate und Chats mit seiner Schwester abgehört und aufgezeichnet. Darin zeigt sich Kreshnik durchaus als williger Krieger, den die Familie mühsam überreden muss, das Abenteuer beim IS abzubrechen. Und dem Gericht liegt ein Video als Beweismittel vor. Kreshnik ist im Kreise schwer bewaffneter Kämpfer zu sehen. "Weiß nicht mehr, wo das was", so seine dürre Auskunft.

Langweilig sei es dort gewesen - so viel immerhin lässt Kreshnik das Gericht wissen. An drei Kampfeinsätzen habe er schließlich teilgenommen, aber "nur ganz hinten, bei den Sanitätsdiensten". Die arabischen und tschetschenischen IS-Kämpfer hätten das Sagen gehabt und den Europäern nur wenig zugetraut. Wer sein Anführer gewesen sei, will Richter Sagebiel wissen. "Keine Ahnung."

"Das ist mir alles zu wenig hier, sie müssen schon mehr Butter bei die Fische geben", fährt der Richter den Angeklagten da an. Der schweigt und schaut seinen Anwalt an. Mit drei, vielleicht vier Jahren Gefängnis könnte er davonkommen - wenn denn seine Aussagen das Gericht zufrieden stellen. Am Donnerstag sah es nicht danach aus. Und deshalb hat das Gericht den Verhandlungstag unterbrochen. Am Freitag soll nun die Schwester vernommen werden.