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Männer müssen ein bisschen zurückstehen

Sabine Kinkartz, Berlin6. März 2015

Ab 2016 sollen mehr Frauen in den Führungsetagen großer Unternehmen sitzen. Der Bundestag hat eine Quote von 30 Prozent beschlossen. Der Opposition geht das Gesetz nicht weit genug, die Wirtschaft hat weiter Bedenken.

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Frauenquote/ Koalition/
Bild: picture-alliance

Ist es eine "Quote mit Augenmaß", eine "Quote light", ein "Quötchen" gar, wie die Linke kritisiert? Oder ist die Einführung einer Frauenquote in Vorständen und Aufsichtsräten von Großunternehmen tatsächlich ein entscheidender Fortschritt für die Gleichberechtigung, wie Familienministerin Manuela Schwesig feststellt? In der abschließenden Bundestagsdebatte über das "Gesetz zur gleichberechtigten Teilhabe an Führungspositionen" wurde jedenfalls noch einmal deutlich, dass in Deutschland eine Frauenquote weit davon entfernt ist, selbstverständlich zu sein.

Ab 2016 sollen in den Aufsichtsräten von börsennotierten und mitbestimmungspflichtigen Unternehmen mindestens 30 Prozent Frauen sitzen. Wird keine geeignete Kandidatin gefunden, muss der Platz unbesetzt bleiben. Das betrifft derzeit 108 Großunternehmen. Zudem müssen sich rund 3.500 mittlere, entweder börsennotierte oder mitbestimmte Unternehmen bis Ende September Zielgrößen zur Erhöhung des Frauenanteils setzen, die für die Vorstandsebene und zwei Führungsebenen darunter gelten. Das Ziel kann unterhalb der 30-Prozent-Quote liegen. Die Unternehmen dürfen aber nicht hinter den Anteil von Frauen zurückfallen, die sie heute schon in führender Funktion beschäftigen.

Eine Quote, die nervt

Mit dem Gesetz werden auch die entsprechenden Vorschriften für den Öffentlichen Dienst und für Unternehmen mit Bundesbeteiligung novelliert. Dort soll ab 2018 in Aufsichtsräten eine Frauenquote von 50 Prozent erreicht werden. Ähnliches gilt für wichtige Gremien des Bundes. Behörden und Gerichte des Bundes werden verpflichtet, sich Zielvorgaben zur Erhöhung des Frauenanteils zu setzen.

Der Opposition geht das Gesetz nicht weit genug. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt sprach zwar von einem "Meilenstein in der Debatte um die Gleichberechtigung von Frauen und Männern in Deutschland", frauenpolitisch gesehen sei aber mehr einzufordern. "Das ist nicht das Ende des Kampfes, das ist der Anfang für mehr." Das Gesetz sei nur "eine Quote light, und das nervt." Die Grüne Ulle Schauws bedankte sich trotzdem bei Ministerin Schwesig für ihren Einsatz. "Dass Sie trotz allem Gegenwind aus den Reihen der Union und der Wirtschaft so konstant und beharrlich waren, das war bemerkenswert."

Nach dem Wahlrecht die Quote

Mehr Kritik kam von der Linken. Deren Abgeordnete Caren Lay kritisierte das Gesetz als "Frauenquötchen". Den Verzicht auf eine feste Quote für die Mehrheit der Unternehmen zugunsten einer selbst festzulegenden Zielgröße sei nichts anderes als "die freiwillige Selbstverpflichtung im neuen Gewand und die ist schon einmal gescheitert". Eine wirkliche Frauenquote müsse für alle Unternehmen gelten. "50 Prozent ohne wenn und aber" sei das Ziel, so Lay.

Seit 2001 galt in Deutschland eine freiwillige Selbstverpflichtung der Wirtschaft. Doch die hat tatsächlich kaum etwas gebracht. In den 200 größten Unternehmen Deutschlands liegt der Frauenanteil in Aufsichtsräten derzeit bei 18,4 Prozent, in den Vorständen bei nur 5,4 Prozent. "Wir machen in Deutschland einen historischen Schritt", betonte Familienministerin Schwesig. Das Gesetz sei der Beginn eines tiefgreifenden Kulturwandels und werde nicht nur Veränderungen in den Führungsetagen bewirken, sondern für alle Frauen, die in den Unternehmen und im öffentlichen Dienst arbeiten. Frauen müssten dort vertreten sein, wo über Lohn und Arbeitsbedingungen entschieden werde.

Schwerer Tag für die Union

Im Bundestag bedankte sich die SPD-Politikerin auch bei denen, die Widerstand gegen die Quote geleistet hätten. Das war in erster Linie in der Wirtschaft der Fall. "Dieser Widerstand zeigt, welchen Widerstand Frauen in der Arbeitswelt aushalten müssen: Dass ihre Kompetenzen nicht honoriert werden, dass ihre Leistung nicht anerkannt wird, dass sie oft schlechter bezahlt werden, dass sie Nachteile haben, wenn sie Beruf und Familie vereinbaren wollen und dass sie trotz guter Qualifikation nicht in den Führungsetagen ankommen."

Widerstand kam bis zuletzt auch aus CDU und CSU. Die Union sorgte unter anderem dafür, dass die SPD von ihrer Vorstellung einer 40prozentigen Quote abrücken musste. "Man kann nicht mit der Brechstange vorgehen", sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Unions-Fraktion, Nadine Schön. Sie freue sich jetzt schon auf den Tag, an dem das Gesetz wieder abgeschafft werden könne. "Das wird der beste Tag für Frauen sein, denn das wird der Tag sein, an dem wir keine gesetzlichen Maßnahmen mehr brauchen, um Frauen in Führungspositionen zu bekommen."

Der erste Mann redet nach 48 Minuten

Es sei schade, dass überhaupt entsprechende Gesetze gebraucht würden. Nur fünf Prozent Frauen in den Vorständen sei aber eine "erschreckende" Zahl. "Und da kann mir wirklich niemand sagen, dass es nur eine Handvoll Frauen in ganz Deutschland gibt, die fähig und willig sind, in den Führungsetagen der deutschen Unternehmen ihre Arbeit zu verrichten." Im Gegensatz zu manchen anderen glaube sie noch nicht einmal, dass es der böse Wille der Männer sei, Frauen nicht nach oben zu lassen. "Es sind die Strukturen in den Unternehmen, die dazu führen, dass es offensichtlich schwierig ist, obwohl wir viele gut ausgebildete Frauen haben", so Schön.

Zwei Stunden dauerte die abschließende Debatte im Bundestag, die zunächst vor reichlich leeren Rängen stattfand. Auf der Regierungsbank fehlte die Bundeskanzlerin, sie kam erst später dazu. Auf der Zuschauertribüne verfolgten langjährige Befürworterinnen gesetzlicher Quoten die Debatte, darunter die frühere Bundestagspräsidentin und CDU-Politikerin Rita Süssmuth und die Präsidentin der Initiative Frauen in die Aufsichtsräte, Monika Schulz-Strelow.

Mit der Quote zur Freiheit

Zehn Frauen kamen in der Bundestagsdebatte zu Wort, aber nur fünf Männer, drei von der Union, zwei von der SPD. Der CDU-Abgeordnete Marcus Weinberg, familienpolitischer Sprecher der Unionsfraktion, erhielt nach einer dreiviertel Stunde als erster Mann das Wort. Mit Blick auf die Vorbehalte in seiner Partei versuchte er, die Wogen zu glätten. Er sei ein Verfechter der Freiheit, betonte Weinberg und die Quote sei eine Einschränkung dieser Freiheit.

Gleichzeitig sei die Quote aber auch ein Hilfsmittel auf dem Weg zur Chancengleichheit und die wiederum bedeute auch Freiheit. "Das Recht auf Selbstverwirklichung ist Kerngedanke der Freiheit", so Weinberg. Der Staat sei verpflichtet, die im Grundgesetz in Artikel drei vorgeschriebene Chancengleichheit umzusetzen. Gleichstellungspolitik müsse vom Recht auf Selbstbestimmung und dem gleichen Recht eines jeden Individuums ausgehen, nach seinem Leben zu streben. "Echte Gleichstellungspolitik ist daher eine Politik der Freiheit."

Bundesjustizminister Heiko Maas formulierte es einfacher: Die Frauenquote sei der "größte Beitrag zur Gleichberechtigung seit Einführung des Frauenwahlrechtes" im Jahr 1918. Nach der politischen Macht bekämen Frauen endlich auch einen fairen Anteil an der wirtschaftlichen Macht.