1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Musharraf weiter unter Druck

Shamil Shams19. November 2013

Ein beispielloser Vorgang beschäftigt Pakistan: Der Oberste Gerichtshof folgt der Regierung und wird gegen den ehemaligen Präsidenten wegen Hochverrats ermitteln. Das könnte das mächtige Militär erzürnen.

https://p.dw.com/p/1AKiX
Pakistans ehemaliger Präsident General Pervez Musharraf (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Niemals zuvor in der Geschichte Pakistans wurde ein ehemaliger Militärherrscher wegen Hochverrats angeklagt. Pervez Musharraf, der ehemalige Präsident und Armeechef, der das Land von 1999 bis 2008 regiert hat, könnte der erste sein. Ihm wird vorgeworfen, 2007 unrechtmäßig den Ausnahmezustand ausgerufen und die Verfassung außer Kraft gesetzt zu haben.

Am Montag (18.11.2013) reichte die Regierung beim Obersten Gericht eine Petition ein, die darum ersucht, den ehemaligen Präsidenten und seine untergebenen Generäle nach Artikel 6 der pakistanischen Verfassung anzuklagen. Bei einer Verurteilung drohen Musharraf die Todesstrafe oder lebenslange Haft. Der politische Aktivist Talat Bhat bewertet den Fall für die Deutsche Welle: "Er ist ein Test für die Demokratie und ein entscheidender Moment für Pakistan, seine Armee und das Rechtssystem." Der Oberste Gerichtshof hat dem Antrag am Dienstag (19.11.2013) stattgegeben.

Eingeholt von der Vergangenheit

Seit längerem sieht sich der ehemalige Präsident mit einer Reihe von Vorwürfen konfrontiert. 2007 soll er für den Überfall auf eine Moschee in Islamabad verantwortlich gewesen sein. Ihm wird außerdem vorgeworfen, an der Ermordung der ehemaligen Premierministerin Benazir Bhutto und am Tod des Rebellenführers Akbar Bugti beteiligt gewesen zu sein. Nicht zuletzt habe er die unrechtmäßige Verhaftung einiger Richter angeordnet. In all diesen letztgenannten Fällen haben verschiedene Gerichte dem 70-jährigen Musharraf gestattet, gegen Kaution auf freiem Fuß zu bleiben. Allerdings ist es ihm verboten, das Land zu verlassen.

Benazir Bhutto (Foto: John Moore/Getty Images)
Die ermordete Premierministerin Benazir BhuttoBild: Getty Images

Der General herrschte in Pakistan mit eiserner Hand. Er war einer der wichtigsten Verbündeten der US-Amerikaner im Kampf gegen die Taliban und Al-Kaida in Pakistan und Afghanistan. 1999 jagte Musharraf den damals und jetzt wieder amtierenden Premierminister Nawaz Sharif mit einem unblutigen Militärputsch aus dem Amt. Als 2008 die gewählte Regierung unter der Führung von Yousuf Raza Gilani an die Macht kam, wurde Musharraf seines Amtes enthoben. Er ging für fünf Jahre ins selbst gewählte Exil nach Dubai. Am 24. März 2013 kehrte er zurück - in der Hoffnung, an den Parlamentswahlen im Mai teilnehmen zu können. Die pakistanische Wahlkommission vereitelte diesen Plan, da die ausstehenden Prozesse seiner Kandidatur entgegenstünden.

Musharraf hat noch Unterstützer im Volk, die hier von Polizisten vom Gerichtsgebäude ferngehalten werden (Foto: REUTERS/Faisal Mahmood)
Musharraf hat noch Unterstützer im Volk, die hier von Polizisten vom Gerichtsgebäude ferngehalten werdenBild: Reuters

Unannehmlichkeiten für das Militär

Raza Bokhari, ein Sprecher Musharrafs, wettert gegen die Regierung. Der erneute Prozess gegen Musharraf sei ein Affront gegen das Militär: "Wir weisen die Anklage nicht nur in aller Deutlichkeit zurück, sondern halten sie auch für den hinterhältigen Versuch, das pakistanische Militär in Misskredit zu bringen. Die Regierung will die Aufmerksamkeit bloß von den wirklichen Problemen ablenken."

Der in Karachi ansässige Sicherheits- und Politikexperte Ali K. Chishti erklärte gegenüber der DW, dass die pakistanischen Generäle "unglücklich" über die neuesten Entwicklungen seien: "Das Militär ist unzufrieden und beobachtet die Entwicklungen sehr genau. Ich habe mit einigen aktiven Generälen gesprochen und sie haben gesagt, dass die Situation sehr unangenehm für Ihre Institution sei. Das pakistanische Militär will den ehemaligen Armeechef nicht hinter Gittern sehen."

Rache oder Recht?

Befürworter des Prozesses wiederum glauben, dass Musharraf sogar im Arrest eine Reihe von Privilegien genossen habe - eben wegen seines militärischen Hintergrunds. Wäre er ein ziviler Politiker gewesen, wäre er der Haft nicht mit Kautionszahlungen entkommen.

Nawaz Sharif (Foto: arifali/AFP/Getty Images)
Pakistans Premierminister Nawaz Sharif legt sich mit dem Militär anBild: arifali/AFP/Getty Images

Die zurzeit herrschende Partei der Muslimliga sagt, dass die neuesten Entwicklungen nichts mit einer persönlichen Rache des Premierministers Nawas Sharif zu tun hätte. Dennoch sind sich Experten einig, dass Sharif mit dem Militär auf Kollisionskurs gegangen ist. Für diejenigen in Pakistan, die eine zivilgesellschaftliche Herrschaft anstreben und die mehr als 30-jährige Militärherrschaft überwinden wollen, könnte Musharraf ein wichtiger Präzedenzfall werden. Ahsanuddin Sheikh, einer der Klageführer im Fall gegen Musharraf, sagte der Deutschen Welle im Interview, dass der Oberste Gerichtshof den ehemaligen Präsidenten bestrafen solle, "damit in Zukunft kein Diktator es wagt, die Verfassung zu brechen."

Rechtsexperten befürchten allerdings, dass der Prozess gegen Musharraf eine gefährliche Kettenreaktion auslösen könnte, da er zugleich eine Vielzahl passionierter und nach wie vor aktiver Militärs und Zivilbeamte betrifft. "Musharraf repräsentiert immer noch das Militär. Die Kommandanten werden es nicht zu einer Verurteilung kommen lassen", so fürchtet der politische Aktivist Talat Bhat.