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Kunst und Kampfgeist

Das Gespräch führte Vytenė Stašaitytė7. März 2013

Eine Feministin als keltische Göttin: Die Gründerin des weltweit ersten Frauenmuseums, Marianne Pitzen, kämpft seit Jahrzehnten für die Rechte der Frauen, auch in der Kunst. Es war nie ganz leicht, aber immer spannend.

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Marianne Pitzen vor Skulpturen Foto: Vytenė Stašaitytė
Die Gründerin und Leiterin des Frauenmuseums in Bonn Marianne PitzenBild: DW/Vytenė Stašaitytė

Fast ihr ganzes Leben lang schon trägt Marianne Pitzen (64) eine auffällige Frisur nach dem Vorbild einer keltischen Göttin. Mit 17 wollte sie mit ihren radähnlichen Kopfputz ihrem Traum folgen und aller Welt ihren Mut beweisen. "In der Schule konnte ich kaum an den Mitschülern vorbeigehen, ohne dass alle im Chor riefen: Wie sieht die denn aus!"erinnert sie sich heute lachend. Seitdem ermutigt sie andere Frauen, auch etwas Verrücktes zu tun und mit Symbolik zu spielen: "Meine Haare sind eine Doppelspirale, ein Zeichen für Energie."

Der steinige Weg in die Kunstszene

Beweisen musste sie sich ein Leben lang. In den 60er Jahren wollten ihre Eltern ihre Entscheidung, Kunst zu studieren, nicht akzeptieren. Sie verweigerten ihr finanzielle Unterstützung und brachen sogar den Kontakt zu ihr ab. "Damals war ich oft sehr verzweifelt. Ich dachte, ich gehöre zu den Pechvögeln." Erst nach der Geburt ihres Sohnes konnte sie sich mit ihren Eltern wieder versöhnen.

Die Hindernisse haben Marianne Pitzen aber nie von ihrem Weg abgebracht. Über all die Jahre waren ihr Ehemann Horst, ebenfalls Künstler, und ihr mittlerweile 42-jähriger Sohn ihr immer eine große Unterstützung. 

Ihr Weg in die Kunst begann zu einer Zeit, als Frauen in der Kunstszene nur eine bescheidene Rolle spielten. Dagegen wollte sie ein Zeichen setzen. 1981 gründete sie in Bonn das Frauenmuseum - das erste weltweit. Dies war für sie der erste Höhepunkt in ihrem kämpferischen Leben. Im Interview mit der Deutschen Welle spricht sie gutgelaunt über Frauen, Männer und ihren eigenen Kampf für Gleichberechtigung.  

Papierkunst von Marianne Pitzen, Foto: Vytenė Stašaitytė
Papierkunst von Marianne PitzenBild: DW/Vytenė Stašaitytė

DW: Sind die Frauen endlich gleichberechtigt, wenigstens in Deutschland?

Nein. Hier in Westeuropa haben wir zwar ganz gute Gesetze, aber im Alltag ist es immer noch schwierig, Beruf und Familie zu kombinieren. Natürlich hat sich das Bewusstsein der Frauen und das der Gesellschaft geändert. Männer versorgen heute auch Kinder. Aber wir gucken natürlich auch über unser Land hinaus - wie geht es den Frauen in Osteuropa, im Nahen und Fernen Osten? Wir laufen wieder Gefahr, dass vieles rückgängig gemacht wird! In sämtlichen Ländern rund um das Mittelmeer fasst der religiöse, radikale Wahn immer mehr Fuß. In Osteuropa gibt es irre Kontraste! Da gibt es einerseits sehr große, mächtige Frauen - sogar Präsidentinnen. Aber auf der anderen Seite gibt es auch eine massive Ausbeutung der Frauen.

Ihr großer Kampf für Frauenrechte hat aber mit der Kunst angefangen.

Für uns gehört Kunst zur Politik und Politik zur Kunst. Wir gingen damals in verschiedene Museen und haben keine Frauen gesehen, höchstens als passive Modelle. Und  das haben wir kritisiert. Wenn wir hörten, dass die Frauen nicht genial genug seien, haben wir gesagt: "Natürlich! Die Frauen sind sogar sehr genial!" Aber man muss sie auch machen lassen.

An die Räumlichkeiten für ihr Frauenmuseum gelangten Sie aber erst durch radikale Mittel - durch Besetzung eines leerstehenden Kaufhauses.

Marianne Pitzen sitzt neben einer großen Maske Foto: Vytenė Stašaitytė
Marianne Pitzen: Frauen sind genial!Bild: DW/Vytenė Stašaitytė

Wir haben das Haus für eine Ausstellung bekommen und dann entschieden, dass es uns hier gefällt und das wir bleiben wollen. So haben wir es besetzt. Wir waren aber sehr umgänglich. Wir haben immer mit der Stadtverwaltung geredet, doch die waren ratlos! Die hatten noch nie solche Frauen erlebt, die sich nicht einschüchtern ließen.

Die Feminismusbewegung in Deutschland war da bereits in Gange. Waren Sie von Anfang an dabei?

Ich habe selber seit 1969 Bilder mit dem Thema "Matriarchate" (Herrschaft der Frauen, d. Red.) gemalt. Das ist mehr als Gleichberechtigung, das ist die Veränderung der Weltgrundlagen. Das stellt die Werte auf den Kopf: Es gilt nicht mehr der Mann als Gott, als geniales Geschöpf, sondern die Frau. Matriarchate sind nicht männerfeindlich, aber der Mann hat dort nur noch eine nette, bescheidene Rolle.

Steckt dahinter nicht einfach die Idee der Unterdrückung der Männer?

Ich will nicht die Männer unterdrücken. Ich will zeigen, dass auch Männer zarte Wesen sein können. Sie müssen nicht immer die starke Rolle spielen, denn die Männer sind ja auch unterschiedlich. Wir brechen die andersdenkenden Männer aus der Front heraus. Und die sind immer unsere Unterstützer.

Ist auch ihr Ehemann Horst Pitzen unter ihnen?

Genau. Sehr gutes Beispiel. Man kann sagen, dass er ein überzeugter Feminist ist. Für ihn ist das alles total spannend.

Marianne Pitzen vor Papierskulptutrn, die wie Publikum auf Stühlen sitzen Foto: Vytenė Stašaitytė
Pitzen und ihr PapierpublikumBild: DW/Vytenė Stašaitytė

Und wie kommt er in den Männerkreisen an?

Klasse! Die bewundern ihn. Sie denken: "Wow, der schafft es - mit einer echten Feministin." Es ist interessant für ihn, deshalb macht er auch in diesem Haus mit - er bearbeitet die Archive.

Sie haben es leichter als viele andere Frauen: Sie haben keinen Macho zu Hause, als Künstlerin können Sie eine verrückte Frisur tragen, was im Büro problematisch sein könnte.

Es war ja nicht von Anfang an so. Auch den Mann muss man sich ein bisschen zurecht formen. Und noch davor musste ich aus dem Elternhaus ausbrechen. Es waren schon Kämpfe. Es war auch kein Geld da, als wir hier im Frauenmuseum angefangen haben. Erst Schritt für Schritt haben wir das erreicht, was wir jetzt haben.

Was ist wichtiger - das Denken in den männlichen oder in den weiblichen Köpfen zu ändern?

Bestimmt auch in den Frauenköpfen. Vielen mangelt es an Mut und sie vertrauen einander nicht. Viele Frauen mögen zum Beispiel ihre Chefinnen nicht. Sie denken, ein Mann wäre ihnen lieber. Aber auch die Frauen müssen vor allen Dingen das Zielbewusstsein entwickeln: Ich will an die Spitze, ich will die Gesellschaft gestalten.

Kommen denn jetzt viele Männer in das Frauenmuseum?.

Sie kommen einzeln und am Wochenende, während die Frauen gemeinsam in der Woche mit Bussen kommen. Aber auch generell gehen Frauen mehr in Kunstmuseen, während die Männer eher in Technikmuseen gehen.

Und haben Sie im Freundeskreis mehr männliche oder weibliche Freunde?

Wichtiger sind mir schon die Frauen, aber die Männer ziehen wir mit.