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Moskaus versteckte Hand in der Ukraine

Roman Goncharenko18. Februar 2014

Russland wirft dem Westen Einmischung in der Ukraine vor. Moskau selbst hält sich bei der Krise im Nachbarland zurück. Doch im Hintergrund wird offenbar immer stärker an den Fäden gezogen.

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Ukraine Kiew Kiev Proteste Zusammenstöße 18.2.14
Bild: Reuters

Moskau gibt dem Westen die Schuld an der jüngsten Eskalation der Gewalt in Kiew. Das sei eine "direkte Folge" der westlichen Politik gegenüber der ukrainischen Opposition, teilte das russische Außenministerium am Dienstag (18.02.2014) mit. Im Kiewer Regierungsviertel ist es zu den schwersten Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei seit Beginn der Proteste Ende November 2013 gekommen.

Moskau hielt sich bisher im Fall Ukraine zurück - zumindest offiziell. Führende russische Politiker reisten nicht nach Kiew. Präsident Wladimir Putin und sein Regierungschef Dmitri Medwedew riefen die Konfliktparteien in der Ukraine nicht jeden Tag zum Dialog auf. Mit anderen Worten, die Russen meiden das, was Vertreter der Europäischen Union und der Vereinigten Staaten tun.

In Moskau werden die Reisen westlicher Politiker nach Kiew kritisch beäugt. "Es scheint mir nicht ganz korrekt und höflich, wenn täglich Emissäre entsandt werden", sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow bei dem jüngsten Treffen mit seinem deutschen Amtskollegen Frank-Walter Steinmeier in Moskau. Präsident Putin sagte im Januar, Russland werde sich in der Ukraine "niemals einmischen". Er meinte in erster Linie Ratschläge aus dem Ausland.

Treffen auf russischem Boden

Treffen zwischen Viktor Janukowitsch und Wladimir Putin in Moskau Mitte Dezember 2013 (Foto: REUTERS/Michael Klimentyev/RIA Novosti/Kremlin)
Treffen zwischen Viktor Janukowitsch und Wladimir Putin in Moskau Mitte Dezember 2013Bild: Reuters

In Wahrheit sei Moskau in der Ukraine aktiv wie seit rund 20 Jahren nicht mehr, so sehen es Beobachter. Nur würden die Russen weniger öffentlich Einfluss nehmen als die Europäer.

Die russische Aktivität vollzieht sich auf mehreren Ebenen. Mit ukrainischen Politikern pflegen die Russen im eigenen Land zu sprechen. So traf sich der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch mit seinem russischen Amtskollegen Putin bei der Eröffnung der Olympischen Winterspiele Anfang Februar in Sotschi. Über die Ergebnisse ihres Gesprächs ist nichts bekannt. Im Januar besuchten einige ukrainische Minister Moskau. Ende Februar fliegt der ukrainische Außenminister nach Russland.

Putins Berater zu Besuch

Seit Ende Januar leitet Andrij Klujew das Präsidialamt in Kiew. Manche ukrainische Medien und westliche Experten glauben, damit sei der russische Einfluss auf die ukrainische Politik größer geworden. Dem schwedischen Ukraine-Experte Anders Aslund zufolge steht Klujew dem Kreml sehr nahe. Der ukrainische Präsidialamtschef arbeite direkt mit Wladislaw Surkow zusammen, sagte Aslund in einem Interview für die Kiewer Online-Zeitung "Ukrainska Prawda". Surkow ist Putins Berater für die Beziehungen zu den GUS-Staaten.

Auch ein anderer Berater des Kremlchefs, Sergej Glasjew, ist im Bezug auf die Ukraine seit Monaten aktiv. Glasjew ist für die Integration im postsowjetischen Raum zuständig. In einem Interview rief er die ukrainische Führung indirekt dazu auf, mit Gewalt gegen die oppositionellen Demonstranten vorzugehen.

Offiziell ist über Klujews Beziehungen zum Kreml nichts bekannt. Als sein Mitstreiter gilt jedoch Viktor Medwedtschuk, der unter Leonid Kutschma Leiter der Präsidialverwaltung war. Medwedtschuk ist ein enger persönlicher Freund des russischen Präsidenten Putin. In der Ukraine leitet Medwedtschuk die Bewegung "Ukrainische Wahl". Sie setzt sich für eine Annäherung der Ukraine an Russland ein. Auf Medwedschuk weist auch der in Kiew lebende deutsche Politologe Andreas Umland hin. "Sein Großprojekt gilt als mit dem Kreml abgestimmt und womöglich aus Russland finanziert", sagte Umland im Gespräch mit der Deutschen Welle.

"Georgisches Szenario" auf der Krim?

Karte der Ukraine und Russlands (Grafik: DW)
Auf der Halbinsel Krim im Süden der Ukraine ist der Einfluss Russlands am größtenBild: DW

Besonders deutlich wird der gestiegene russische Einfluss in der autonomen Republik Krim im Süden der Ukraine. Ethnische Russen stellen dort zwei Drittel der Bevölkerung. Zudem ist die russische Schwarzmeerflotte in Sewastopol stationiert. Die Nichtregierungsorganisation "Sewastopol-Koordinationskomitee" verabschiedete vor wenigen Tagen eine Erklärung über eine mögliche Abspaltung der Krim von der Ukraine, sollte es in Kiew "einen Staatsstreich" geben. Der russische Parlamentsabgeordnete und Vorsitzende der Vaterlandpartei Aleksej Schurawljow reiste auf die Krim, um dort eine "Slawische antifaschistische Front" zu gründen. Mit "Faschisten" sind die oppositionellen Demonstranten in Kiew gemeint.

Die Kiewer Wochenzeitung "Dserkalo Tyschnja" schreibt in ihrer jüngsten Ausgabe, Russland habe die "Krim-Front" geöffnet. Das Blatt befürchtet eine Eskalation des Konflikts wie 2008 in Georgien. Am Ende könnte sich die Krim von der Ukraine abspalten, warnt die Zeitung. Diese Gefahr sei so groß wie seit Jahren nicht mehr. Vor diesem Hintergrund reisen Politiker der Krim immer öfter zu Gesprächen nach Moskau. Am 20. Februar fliegt zum Beispiel der Vorsitzende des Krim-Parlaments, Wladimir Konstantinow, nach Russland.

Der deutsche Politikexperte Christian Wipperfürth, der unter anderem für die Deutsche Gesellschaft für auswärtige Politik (DGAP) in Berlin arbeitet, hält die Befürchtung einer möglichen Abspaltung der Krim für übertrieben. "Niemand stellt die territoriale Integrität der Ukraine in Frage", sagte er der DW. Russland sei nicht an einer Aufteilung der Ukraine interessiert, denn das könnte ein Beispiel für andere postsowjetische Länder werden.

Russland berichtet über die Ukraine so viel wie nie

Auch medial spielt Russland eine große Rolle in der Ukraine. Einer Umfrage zufolge schauen mehr als 22 Prozent der Ukrainer russisches Fernsehen, um sich über die Ereignisse im eigenen Land zu informieren. Die russischen Sender sprechen von einem vom Westen inspirierten "versuchten Staatsstreich" in der Ukraine. "Russland hat noch nie so viel Sendezeit der Ukraine gewidmet wie jetzt", sagte der DW Diana Duzyk von der Kiewer Medienfachzeitung "Telekrytyka". "Das zeigt, dass es für Russland strategisch wichtig ist, die Ukraine in seiner Interessensphäre zu halten", meint Duzyk.

In den kommenden Wochen dürfte der russische Einfluss auf die ukrainischen Medien weiter steigen. Ein UKW-Nachrichtenradio geht in Kiew und anderen Städten auf Sendung. Die Programmchefs kommen aus Russland.