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Russlands Syrien-Politik

Alexander Warkentin14. Dezember 2012

Der blutige Bürgerkrieg in Syrien dauert an. Präsident Baschar al-Assad steht mit dem Rücken zur Wand. Russland - zusammen mit China und Iran - ist der letzte Unterstützer des Regimes - aus unterschiedlichen Gründen.

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Assad-treue Demonstranten danken China und Russland für die Unterstützung (Foto: ddp)
Assad-treue Demonstranten danken China und Russland für die UnterstützungBild: AP

Es schien ein Durchbruch in der russischen Blockade-Politik in der Syrien-Frage: Am Donnerstag (13.12.2012) erklärte der stellvertretende russische Außenminister Michail Bogdanow, er könne einen Sieg der Opposition in Syrien nicht ausschließen. Viele werteten diese Äußerung als Kurswechsel. US-Außenamtssprecherin Victoria Nuland sprach davon, Russland sei endlich aufgewacht. Das Dementi folgte auf dem Fuße: Einen Tag später ließ der russische Außenamtssprecher Alexander Lukaschewitsch verlauten, die "russische Position bleibe unverändert."

Außenminister Sergej Lawrow traf sich unterdessen in Moskau mit Syriens Vize-Premier Kadri Jamil. Es ging um Geld und Treibstofflieferungen für das Regime. Das Außenministerium betonte jedoch, Jamil sei auch in seiner Eigenschaft als Führer einer oppositionellen "Volksfront für Veränderung und Befreiung" empfangen worden. Russland sei bereit, einen innersyrischen Dialog mit allen oppositionellen Kräften zu fördern, die an einem Dialog mit der Regierung interessiert seien.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow (Foto: ITAR-TASS)
Russlands Außenminister Sergej LawrowBild: picture-alliance/dpa

Verteidigt Russland nur das Völkerrecht?

Seit Beginn der Kämpfe in Syrien präsentierte sich immer das gleiche Bild: Russland blockiert im Sicherheitsrat der UNO alle Resolutionen gegen das Assad-Regime. Dabei gibt es auch in Moskau kaum noch jemanden, der ernsthaft an das Überleben des Assad-Regimes glaubt. Aber das geben nur wenige zu.

Alexej Borisow ist stellvertretender Leiter der "Russischen Gesellschaft für die Vereinten Nationen". Seine Erklärung für die Haltung Russlands in der Syrienfrage lautet: "Russland verteidigt nicht das Regime Assad, sondern das Völkerrecht." Moskau trete konsequent für die Einhaltung der völkerrechtlichen Prinzipien der Nichteinmischung und territorialen Integrität ein.

Alexej Borisow ist stellvertretender Leiter der "Russischen Gesellschaft für die Vereinten Nationen" (Foto: Privat)
Alexej Borisow von der "Russischen Gesellschaft für die Vereinten Nationen"Bild: Alexei Borisov

Gerhard Mangott lehrt politische Wissenschaften an der Universität Innsbruck. Im DW-Interview gibt er eine andere Erklärung für die russische Haltung: "Zunächst hat Russland den Konflikt unterschätzt. Als man dann eingestiegen ist in Vermittlungsbemühungen und an Assad festhalten wollte, war es für diese Strategie, nämlich einen Kompromiss zwischen Opposition und Assad zu vermitteln, schon zu spät. Russland hat trotzdem daran festgehalten, weil zu diesem Zeitpunkt schon klar war, dass es mit Assad gewinnen oder ohne Assad verlieren wird".

Waffenverkäufe an Syrien kaum lukrativ

Viele westliche Experten führen syrische Waffenkäufe in Russland als Erklärung für die Unterstützung Assads an. Professor Mangott hält dieses Argument für nicht stichhaltig. Er erinnert daran, dass Syrien die Waffenkäufe nicht bezahlt oder mit alten sowjetischen Schulden verrechnet. Finanziell habe sich das nicht gelohnt. Es ging allein darum, zu zeigen, dass die russische Waffentechnik immer noch sehr gut sei, um damit andere Waffenkunden zu überzeugen, die auch bezahlen.

Fjodor Lukjanow ist Chefredakteur der russischen Zeitschrift "Russland in der globalen Politik". In einem Artikel geht er auf die Waffenkäufe ein. Er schreibt: "Verträge über Milliarden Dollar - das klingt gut. Aber es ist nur Business und nichts weiter. Dafür ernste Risiken einzugehen, zum Beispiel eine neuerliche Konfrontation mit den USA und Europa, deren Zusammenarbeit man auf anderen Gebieten benötigt - das lohnt sich nicht."

Nach Syrien Iran, Russland und China?

Andere russische Experten warnen jedoch vor einer Ausbreitung der arabischen Revolutionen mit Unterstützung der USA. So zum Beispiel Oleg Iwannikow, Direktor des Forschungszentrums "Russland - Kaukasus". Er behauptet, schon morgen könne jedes Land der Welt in die Lage Syriens geraten. Sein Artikel für die russische Informationsagentur "Rex" trägt den Titel "Ägypten, Libyen, Syrien. Sind Iran, Russland und China die nächsten?"

Zu solchen Horrorszenarien russischer "Geopolitiker", die noch immer alte Feindbilder pflegen, sagt Gerhard Mangott: "Russland ist ein ganz anderes Kaliber als Libyen oder Syrien. Russland kann man nicht unter Druck setzen. Diese so genannte Kettenreaktion, dass am Ende Russland von außen militärisch bedroht würde, dass von außen etwa im Nordkaukasus militärisch interveniert würde unter der Losung "Schutz der Menschenrechte", das nehmen die Falken selber nicht ernst".

Politologe Gerhard Mangott von der Universität Innsbruck (Foto: Celia di Pauli)
Politikwissenschaftler Mangott: "Russland hat den Konflikt unterschätzt"Bild: Celia di Pauli

Evakuierungspläne für Russen

Auch Alexej Borisow hält die Verschwörungstheorien der russischen Falken für abstrus. Die Erklärung liefert er im Gespräch mit der DW: "Die überspannen den Bogen, diese so genannten Experten. Die wollen doch nur sich selbst und ihre Position ins Rampenlicht rücken. In Wahrheit ist es doch so, dass die USA und die Russische Föderation mehr gemeinsame Ziele als Differenzen haben".

Wie geht es weiter? Fjodor Lukjanow meint, Russland würde die syrische Schachpartie zu Ende spielen, allein schon deswegen, weil man international weiter mitmischen wolle. Inzwischen gab das russische Außenministerium allerdings bekannt, die Evakuierung des russischen Botschaftspersonals und anderer russischen Bürger würde, falls nötig, auf dem Luft- und Seewege erfolgen. Detaillierte Pläne dafür lägen vor. Offenbar weiß man in Moskau schon, wie das Spiel ausgeht.