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Mittal Steel übernimmt ukrainisches Stahlwerk Kryworischstal

27. Oktober 2005

Die Versteigerung von Kryworischstal ist erfolgreich beendet, sowohl für die Regierung in Kiew, als auch für das britisch-indische Unternehmen „Mittal Steel“, das der neue Besitzer der ukrainischen Stahlküche sein wird.

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Handelseinig: Verkauf der ukrainischen Stahlküche perfekt


Fast vier Milliarden Euro wird der weltgrößte Stahlkonzern „Mittal Steel“ für die Übernahme von 93 Prozent der Aktien von Kryworischstal auf den Tisch legen. Das ist mehr, als der europäische Konkurrent Arcelor bot und ein Vielfaches der Summe, für die Kryworistal bereits im vergangenen Jahr an ukrainische Geschäftsmänner verkauft worden war, die dem Ex-Präsidenten Leonid Kutschma nahe standen. Von Diebstahl und einem Insiderverkauf war seitdem die Rede. Dies war der Grund für die Wiederholung der Auktion.

Kryworischstal um jeden Preis

Bereits im Vorfeld hatte man den Eindruck, dass „Mittal Steel“ Kryworischstal um jeden Preis erwerben wollte. In einer Pressemitteilung des Unternehmens erklärt der Vorsitzende Lakshmi Mittala: Der Kauf von Kryworischstal stelle den strategisch wichtigsten Schlüssel für sein Unternehmen dar, weil er „große Kapazitäten zu günstigen Produktionskosten bedeutet auf einem großen, schnell wachsenden Markt“. Der Geschäftsmann betont, Kryworischstal sei ein qualitativ hochwertiges Unternehmen, und er freue sich über die Perspektive eines schnellen Wachstums. Der neue Eigentümer hofft, bis Ende 2006 einen Umsatz von 200 Mio. US-Dollar zu erzielen.

Mittal Steel plant weitere Expansion

Das Unternehmen Mittal Steel ging im vergangenen Jahr aus der Fusion zweier Holdings hervor, die beide von Lakshmi Mittala kontrolliert wurden. In letzter Zeit war er auf der Suche nach Investitionsmöglichkeiten in der Türkei und Osteuropa. Durch den Kauf von Kryworischstal legt er einen weiteren Grundstein für die Expansion seines Geschäftes in Osteuropa. Auf dem post-sowjetischen Territorium hat Mittal bereits Erfahrung. In Kasachstan gehört ihr das Unternehmen „Mittal Steel Temirtau“. In insgesamt 14 Ländern ist Mittal Steel tätig und bereitet sich auf weitere Expansionen vor, unter anderem wird auch der chinesische und indische Markt ins Visier genommen.

Gewerkschaften betonen Interessen der Arbeitnehmer

Für die Mitarbeiter von Kryworischstal ist dies bereits der zweite Besitzerwechsel. Während der Diskussion über die Re-Privatisierung waren die Gewerkschaften gegen einen erneuten Verkauf. „Die Gewerkschaften werden sich auch dieses Mal bei der Ausarbeitung von Sozialverträgen engagieren“, sagte der Vorsitzende des Gewerkschaftskomitees, Jurij Bobtschenko.

Die Forderungen werden die gleichen sein, wie beim Vorbesitzer: Keine Arbeitsplatzstreichungen, angemessenes Gehalt, garantierte Lohnerhöhung, Beibehaltung der sozialen Infrastruktur und Privilegien, die Mitarbeiter des Unternehmens genießen, Modernisierung der Produktion, kostenlose Weiter- und Umschulungsmöglichkeiten. Dieses Mal wird wohl besonders genau darauf geachtet werden, da bekannt ist, daß Mittal Steel in der Vergangenheit in diesem Bereich nicht all zu großes Engagement zeigte. „Aus diesem Grund werden die Gewerkschaften Juristen einschalten, die diese Punkte ganz genau abarbeiten werden“, so Bobtschenko.

Gewinn für die Ukraine

Deutsche Experten begrüßten den Einstieg des weltgrößten Stahlherstellers in die ukrainische Industrie. Ferdinand Pavel vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung bemerkt: „Noch nie hat ein so großer Teil der ukrainischen Industrie einem internationalen Investor gehört. Die Ukraine wird einen positiven Nutzen aus dem Potential des Investors ziehen. Das betrifft nicht nur Kryworischstal sondern auch die Zulieferbetriebe.“

Dieser Schritt brachte der Ukraine einen Gewinn, weil das Haushaltsbudget dadurch wesentlich vergrößert wurde. Trotzdem, meint Ferdinand Pavel, solle man sich dadurch nicht zu weiteren Reprivatisierungen verführen lassen, weil der bereits privatisierte Bereich der ukrainischen Industrie keine schlechten Umsätze mache und das Management immer besser funktioniere. Außerdem würden weitere Reprivatisierungen ukrainische Investoren Verunsichern und sich negativ auf die wirtschaftliche Entwicklung auswirken.

Debatte um Verwendung der Einnahmen

Doch in der Ukraine beginnt bereits die Diskussion über die Verwendung der eingenommenen Gelder. Der Vorsitzende des Parlamentes, Wolodymyr Lytwyn, schlug vor, das Geld für soziale Zwecke zu verwenden. Ferdinand Pavel meint dazu, dass Ausgaben dieser Art keine Rendite abwerfen würden. Irgendwann sei das Geld ausgegeben, ein bleibender Wert fehle jedoch. Wichtiger sei momentan die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur, Investitionen in Bildung und Wissenschaft sowie die Entwicklung des Gesundheitswesens in der Ukraine.

W. Medyany, O. Usenko, E. Nekrjatsch
DW-RADIO/Ukrainisch, 24.10.05, Fokus Ost-Südost