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Miteinander verbunden – über den Tod hinaus

1. November 2012

Allerheiligen ist ein schwieriges Fest, das die Verdrängung des Todes empfindlich stört. Grund genug Pater Piet van Breemen nach seiner Sichtweise des Todes zu befragen, meint Silvia Becker von der katholischen Kirche.

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Allerheiligen: Es ist eine alte urchristliche Hoffnung, dass unsere Toten nicht dem Nichts anheimfallen. (Foto: KNA)
Grab AllerheiligenBild: KNA

Allerheiligen und – am Folgetag - Allerseelen sind schwierige Festtage. Tage, an denen die katholischen Christen ihrer Toten gedenken. Allerheiligen stört, durchbricht die in Deutschland übliche Verdrängung von Trauer und Tod. Zahllose Kerzen, die als „Ewiges Licht“ in kleinen Laternen auf den Gräbern brennen, zahllose Blumen und Kranzgebinde erinnern an die urchristliche Hoffnung, dass die Toten keineswegs dem Nichts anheimfallen, sondern in der Ewigkeit Gottes leben, in seiner Gegenwart aufgehoben sind. Zu dieser Hoffnung passt auch der ungewohnte Andrang auf den Friedhöfen, die pralle Präsens der Lebenden bei den Toten.

Trotzdem bleibt der Tod das Phänomen, mit dem der Mensch nie fertig wird. Kaum etwas kann eine solche Verzweiflung und Hilflosigkeit auslösen wie die Tatsache der Sterblichkeit.

Zu diesem Thema befrage ich den Jesuiten Piet van Breemen SJ aus Nimwegen in den Niederlanden. Er hat sich in zahlreichen Büchern und Artikeln, vor allem aber als gefragter Exerzitienbegleiter mit dem Thema Alter und Tod auseinandergesetzt.

Naive Vorstellungen über Verstorbene

Pater van Breemen, es gibt in unserer Gesellschaft populäre Vorstellungen über Verstorbene, die im Himmel sind und auf uns herabblicken, uns vielleicht sogar beschützen. Gerade Kindern wird dies oft erzählt. Das Motiv taucht aber auch in Hollywoodfilmen auf. Sind das nicht naive Vorstellungen? Inwieweit sind sie durch den christlichen Glauben gedeckt?

Ohne Zweifel gibt es viele naive Vorstellungen über Verstorbene. Und es wundert mich auch gar nicht, dass sie oft so beliebt sind. In diesen Vorstellungen könnte sich aber ein kostbarer Kern verbergen, nämlich die Intuition, dass wir in Christus auch über den Tod hinaus mit einander verbunden bleiben. Ich kenne gebildete, kritische Witwen und Witwer, denen diese Zuversicht ein lebendiger Trost ist und sogar eine gewisse Erfahrung.

Christus wacht über die Gräber des Campo Santo, des Deutschen Friedhofs, in Rom. (Foto: Katholische Hörfunkarbeit)
Christus wacht über die Gräber des Campo Santo, des Deutschen Friedhofs, in RomBild: Katholische Hörfunkarbeit

Interessanterweise hat das Fest Allerheiligen weitgehend seine Kraft behalten, so mein Eindruck. Auch bei wenig religiösen Menschen. Woran liegt das?

Ich würde das dem Urbedürfnis, der Ursehnsucht und damit zusammenhängend der spontanen Überzeugung zuschreiben, dass unsere Verstorbenen nicht total ins Nichts aufgelöst sind. Neben und unter der tatsächlich weit verbreiteten Verdrängung des Todes lebt dieser Hang in sehr vielen Menschen weiter. Der christliche Glaube stärkt und fundiert diese Hoffnung aus der Auferstehung Jesu heraus.

Übergang vom Schatten ins volle Licht

Der ehemalige Jesuitengeneral Pedro Arupe hat einmal gesagt: „Tatsächlich ist der Tod, den man oft sehr fürchtet, für mich eines der am meisten erwarteten Ereignisse, ein Ereignis, das meinem Leben Sinn verleiht ...“. Er schien sich tatsächlich auf seinen Tod zu freuen. Können Sie das nachvollziehen?

Allerheiligen: „Und das ewige Licht leuchte ihnen“ – auf dem Weg in die Ewigkeit Gottes (Foto: KNA) Bildrechte / Copyright: KNA Das Bild ist honorarfrei Zulieferer: Peter Harmat
„Und das ewige Licht leuchte ihnen“Bild: KNA

Ja, sehr gut. Das Sterben kann ohne Zweifel ganz schwer sein, aber der Tod ist für mich der Übergang vom Schatten ins volle Licht. Die Liebe Gottes, an die wir im Leben glauben, werden wir dann erfahren ohne Hülle oder Trennung. Das wird eine unvorstellbar tiefe Glückserfahrung sein. Allerdings wird uns in dieser erfahrenen Seligkeit auch klar werden, wie sehr wir in unserem Leben diese Liebe Gottes unterschätzt haben und wie schäbig wir manchmal mit ihr umgegangen sind.

Wie kann man das lernen: in guter Weise auf den Tod zugehen?

In früheren Zeiten hat man das die „ars moriendi“ genannt und sie sehr gepflegt. Jetzt würde ich zunächst sagen: Lassen wir uns immer tiefer auf die Liebe Gottes ein, die doch den Kern unseres christlichen Glaubens ausmacht (1 Joh. 4.16). Und vertrauen wir uns so oft wie möglich diesem Gott an und legen unsere Person in Seine Hand (Lk. 23.46). Natürlich sollten wir uns auch ehrlich bemühen, mit einem guten Gewissen zu leben, also so zu leben, dass unser Leben nach bestem Vermögen dem Willen Gottes entspricht; dabei ist die Liebe zum Nächsten entscheidend.

Bedrängende Zweifel

Trotz allem bleiben für die meisten Menschen Zweifel, die sich etwa in dem Satz niederschlagen: „Es ist noch niemand zurückgekommen“. Wie sind diese Zweifel zu bewerten, wie können Menschen sie bewältigen?

Ich finde es überhaupt nicht verwunderlich, dass im Glauben an das, was man nie gesehen, nie erfahren hat, auch Zweifel hochkommen. Die sollen uns nicht erschrecken oder beängstigen. Allerdings ist es nicht gesund, diese Zweifel zu hegen und zu pflegen, geschweige denn darauf stolz zu sein oder damit anzugeben. Der beste Weg scheint mir das spontane Gebet des Vaters vom epileptischen Jungen aus dem Markusevangelium zu sein: „Ich glaube, hilf meinem Unglauben“ (Mk. 9.24).

Was gibt Ihnen in Hinblick auf den Tod Zuversicht?

Wenn ich auf diese Frage sehr persönlich antworten darf: der Tod meiner Mutter, die gerade auf ihrem Sterbebett in unerschütterlichem Glauben und mit inbrünstiger Sehnsucht nach der Begegnung mit Gott verlangt hat. Aber mir ist klar, dass diese Antwort anderen wohl nicht hilft. Eine zugänglichere Antwort finde ich in einigen Büchern von Dr. Dr. Monika Renz, die viele Sterbende begleitet hat im Kantonsspital St. Gallen. In ihren Büchern beschreibt sie eine Reihe von Erfahrungen, in denen sich schon vor dem Tod jenes „ganz Andere“ bemerkbar macht, was sich nicht in Worten fassen lässt und „das in sich keine Steigerung mehr hat und keine letzte Konkretisierung erträgt“.

Zum Interviewpartner:

Piet van Breemen wurde 1927 in den Niederlanden geboren und trat dort kurz nach dem Zweiten Weltkrieg in den Jesuitenorden ein. Er studierte Philosophie in Nijmegen, Theologie in Maastricht, und Physik in Amsterdam und Rochester; NY. 1956 wurde er zum Priester geweiht. Nach kurzer Zeit als Gymnasiallehrer wurde ihm die Leitung des niederländischen Jesuitennoviziats, später das gemeinsame Noviziat der niederländischen und flämischen Provinzen in Brüssel anvertraut. Von 1985 bis 1993 war er in Berlin zuständig für die letzte Phase der Jesuitenausbildung, das sogenannte Terziat. Weltweit gibt er Exerzitien auf der Basis der „Geistlichen Übungen“ des Heiligen Ignatius. Seine Bücher sind in bis zu 20 Sprachen erschienen.

Pater Piet van Breemen S.J. (Foto: Katholische Hörfunkarbeit) Das Bild ist honorarfrei Zulieferer: Peter Harmat
Pater Piet van Breemen S.J.Bild: Katholische Hörfunkarbeit
Silvia Becker
Silvia BeckerBild: Silvia Becker


Zur Autorin:
Dr. Silvia Becker arbeitet seit 2008 als Beauftragte der Deutschen Bischofskonferenz für Deutschlandradio und Deutsche Welle in Bonn.